Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern
Abstracts
Vogelschutzmarker stellen eine zielführende und effektive Maßnahme dar, um das konstellationsspezifische Risiko (KSR) von Vogelarten an Hoch- und Höchstspannungsleitungen zu senken. Der Fachkonventionsvorschlag zur Verwendung von Vogelschutzmarkern wurde im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens des BfN zur „Wirksamkeitsanalyse unterschiedlicher Vogelschutzmarker“ (FKZ 3516 83 0700) unter Beteiligung nationaler und internationaler Expertinnen und Experten erarbeitet. Mittels einer international ausgerichteten Literaturrecherche zur Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern konnten im Rahmen dieses Fachkonventionsbildungsprozesses regelbasierte artspezifische Einstufungen zur Minderungswirkung des KSR vorgenommen werden. Hinzugezogenes Expertenwissen und auf Ähnlichkeiten begründete Ableitungen führten zu weiteren artspezifischen KSR-Reduktionen, um im Endergebnis praxisbezogene Aussagen zur artspezifischen Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern für alle planungsrelevanten kollisionsgefährdeten Vogelarten treffen zu können. Der Fachkonventionsvorschlag trifft Aussagen zu 164 Vogelarten hinsichtlich der artspezifischen Reduktion des konstellationsspezifischen Risikos im Rahmen des Bewertungsverfahrens vonBernotat & Dierschke(2016).
Effectiveness of bird flight diverters – a proposal for a convention to reduce the effect of overhead power lines
Bird flight diverters are a targeted and effective measure to reduce the constellation-specific risk of all bird species colliding with high and extra high voltage power lines. The convention proposal on the use of bird flight diverters has been developed with the participation of national and international experts within the framework of the Federal Agency for Nature Conservation (BfN) research and development project “Analysis of the effectiveness of bird flight diverters for power lines” (FKZ 3516 83 0700). In the process of the development of this convention proposal, internationally oriented research of literature on the effectiveness of bird flight diverters was able to establish rule-based species-specific classifications of the constellation-specific risk mitigating effect. Expert knowledge and derivations based on similarity lead to further species-specific reductions of the constellation-specific risk, allowing for practice-oriented statements on the species-specific effectiveness of bird flight diverters for all relevant bird species at risk of collision. The convention proposal includes statements on the species-specific reduction of the constellation-specific risk for 164 bird species, following the evaluation method ofBernotat & Dierschke(2016).
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1 Einleitung
Kollisionen an Stromleitungen bilden einen beträchtlichen Teil der anthropogen verursachten Mortalitätsrisiken von Vögeln (Losset al. 2014). Zur Minderung dieses Kollisionsrisikos hat sich weltweit der Einsatz von Vogelschutzmarkern etabliert (Barrientoset al. 2011,Bridgeset al. 2008,Ferrer2012,Jenkinset al. 2010,Prinsenet al. 2011, siehe auch Abb. 1). Für Maßnahmen im Rahmen des Arten- und Gebietsschutzes gelten jedoch grundsätzlich hohe Anforderungen an den Nachweis der artspezifischen Wirksamkeit. Bei der Ermittlung der projektbedingten Erhöhung des Tötungsrisikos für verschiedene Vogelarten ist maßgeblich die artspezifische Minderungswirkung der eingesetzten Vogelschutzmarker zu berücksichtigen. Es ist bekannt, dass die Kollisionsminderungswirkung von Vogelschutzmarkern artspezifisch sehr große Unterschiede aufweist (IBUe GmbH & Co. KG 2017). Insgesamt liegen bislang nur für relativ wenige Vogelarten umfangreiche Daten mit methodischer Belastbarkeit (vgl.Barrientoset al. 2011) zur Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern an Freileitungen vor. Angesichts des im Zusammenhang mit der Energiewende notwendigen Ausbaus des Hoch- und Höchstspannungsnetzes besteht die Notwendigkeit, in den anstehenden Genehmigungsverfahren die rechtlichen Anforderungen des Arten- und Gebietsschutzes im Hinblick auf das Tötungsrisiko fachlich belastbar und rechtssicher zu erfüllen. Hierzu ist es erforderlich, für kollisionsgefährdete Vogelarten, besonders diejenigen, für die noch keine durch Studien abgesicherten Nachweise vorliegen, eine nachvollziehbare Einstufung der Minderungswirkung von Vogelschutzmarkern vorzunehmen.
Aufgabe des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens (F+E) war es, das Wissen um die Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern zusammenzustellen und die artspezifische Wirksamkeit zu bestimmen. Grundlagen waren eine internationale Literaturauswertung, Expertenkonsultationen sowie ein Expertenworkshop. Das Ziel war die Entwicklung einer abgestimmten Einstufung beziehungsweise eines Fachkonventionsvorschlages zur Bewertung der artspezifischen Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern, welcher in der BfN-Skripten-Reihe veröffentlicht worden ist (Liesenjohannet al. 2019).
In der thematisch fokussierten Literaturrecherche (durchgeführt im Jahr 2017, mit aktuellen Literaturergänzungen) zum Themenkomplex Vogelkollision und Vogelschutzmarker wurden die nach den nachfolgend beschriebenen Kriterien selektierten nationalen und internationalen Veröffentlichungen berücksichtigt sowie die ausführlichen Hinweise von Arbeitshilfen und Standards. Außerdem wurde eine umfangreiche web-basierte Recherche mittels Suchportalen wie JSTOR, PubMed, Google Scholar oder Research Gate durchgeführt. Unveröffentlichte Publikationen und sogenannte graue Literatur wurden in Zusammenarbeit mit dem BfN, den beteiligten Experten und weiteren Fachleuten recherchiert und mit einbezogen. Es wurden 172 internationale und nationale Quellen gesichtet, wobei die Hauptkriterien zur Relevanz einer Quelle der Bezug zur Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern und die Beschränkung auf die Betrachtung von Hoch- und Höchstspannungsleitungen waren. Relevant waren dabei sowohl empirische Feldstudien (N = 43, West-Europa: 19, USA: 10, Deutschland: 7, Südafrika: 5, Asien: 2), welche die Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern getestet haben, als auch thematische Übersichtsarbeiten wie Reviews/Metaanalysen (N = 9), Leitfäden und fachliche Empfehlungen (N = 33). Außerdem wurden relevante Gerichtsurteile gesichtet, in denen die Reduktionswirkung von Vogelschutzmarkern zur Urteilsbildung beigetragen hat.
Inhaltlich baut der Fachkonventionsvorschlag auf Veröffentlichungen wie den Hinweisen desVDE/FNN(2014), der Methodik des Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI) nachBernotat & Dierschke(2016) oder der BfN-Arbeitshilfe zu Freileitungsvorhaben (Bernotatet al. 2018) auf. Hierbei handelt es sich um anerkannte Handlungsempfehlungen, die eine Ermittlung, Bewertung und Reduktion des Kollisionsrisikos von Vögeln an Stromleitungen ermöglichen und damit eine Berücksichtigung der Minderungswirkung von Vogelschutzmarkern in Planungen und Genehmigungsverfahren gewährleisten. Bei der Ermittlung des sogenannten konstellationsspezifischen Risikos (KSR; Konfliktschwere im jeweiligen Einzelfall) wird die artspezifische Kollisionsminderungswirkung von Vogelschutzmarkern in der Reduktion des KSR berücksichtigt (Bernotat & Dierschke2016,Bernotatet al. 2018). Inhalt des Fachkonventionsvorschlags ist die artspezifische Beurteilung der Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern im Hinblick auf ihren Beitrag zur Reduktion des KSR. Dass Vogelschutzmarker eine zielführende und effektive Maßnahme darstellen, um das KSR von Vogelarten an Hoch- und Höchstspannungsleitungen zu senken, haben verschiedene Feldstudien gezeigt (Alonsoet al. 1994,Barrientoset al. 2012,Bernshausenet al. 2014,Hartmanet al. 2010,Jödickeet al. 2018,Murphyet al. 2016).
2 Methoden
Um das Ausmaß der Reduzierung des KSR bei Einsatz von Vogelschutzmarkern je Vogelart herzuleiten, wurde zunächst eine Literaturauswertung vorgenommen. Hierbei wurden sowohl die Ergebnisse vorliegender Studien in Form von Kollisionsreduktionswerten (= Minderungswirkung durch Marker) als auch deren wissenschaftliche Belastbarkeit berücksichtigt, zum Beispiel hinsichtlich des Vorliegens und der methodischen Qualität eines experimentellen Designs oder der Artspezifität der Angaben (Evidenzevaluierung). In einem zweiten Arbeitsschritt wurden Referenzarten definiert, für die empirisch ermittelte Ergebnisse zur Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern vorliegen. Die Ergebnisse der Referenzarten wurden anhand von Analogieschlüssen (auf Grundlage eines umfangreichen Sets von Ähnlichkeitskriterien) auf andere Arten übertragen, für welche bisher keine empirisch ermittelten Ergebnisse zur Markerwirksamkeit vorlagen.
2.1 Ableitung von Referenzarten und regelbasierte KSR-Reduktion
Für die Identifizierung geeigneter Referenzarten wurden auf der Basis der verfügbaren Studien zunächst zwei Gruppen gebildet:
Primärarten: Das sind die Arten, für die in Studien ein artspezifischer Wert für die Reduktionswirkung der Marker angegeben wird; die dort ermittelten artspezifischen Reduktionswerte fließen direkt in den Fachkonventionsvorschlag zur Wirksamkeitsbewertung ein;
Sekundärarten: Das sind die Arten, die mit anderen Arten in einer Studie zusammengefasst wurden (häufig verschiedener Gattungen zugehörig) und damit einen quantitativ gepoolten, artübergreifenden Reduktionswert enthalten. Die Daten zu diesen Arten wurden gepoolt, weil für die einzelnen gefundenen Arten/-gruppen im Untersuchungsgebiet/-zeitraum eine zu kleine Stichprobe vorlag.
Für die Ableitung geeigneter Referenzarten aus diesen Artengruppen und deren jeweilige KSR-Reduktionswerte erfolgte eine Berücksichtigung der Studienqualität und der Art der Datenquelle (Studien mit artspezifischen oder gepoolten Reduktionswerten). Zu diesem Zweck wurde jede Quelle auf ihre wissenschaftliche Evidenz hin geprüft und entsprechend gewichtet, Die Evidenzbewertung orientierte sich an SIGN (2015) und wurde durch K. Albrecht (ANUVA) an naturwissenschaftliche Bedürfnisse im Rahmen des parallel bearbeiteten F+E-Vorhabens „Methodenentwicklung für artenschutzrechtliche Untersuchungen zur Wirksamkeit von Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen zur Reduzierung der Auswirkungen von Windenergieanlagen auf die Avifauna“ angepasst (FKZ 3516 8227 00,Albrechtet al. 2014). Anschließend wurden die Minderungswerte aus allen verfügbaren Studien, in denen die Art vorkam, gemittelt, sodass die wenigen vorhandenen Studien möglichst weitgehend berücksichtigt werden und ein umfassendes Bild erzielt wird. Weiterhin fließen über die Gewichtung die unterschiedlichen Qualitäten der Studien in das Ergebnis ein, sodass ein möglichst valides Ergebnis erreicht wird. Der so ermittelte Reduktionswert bildet die Grundlage für die regelbasierte KSR-Reduktion (Tab. 1). Liegt eine geringe bis mäßige artspezifische Kollisionsminderung durch Vogelschutzmarker vor (20–40 %), kann das durch das Vorhaben ausgelöste KSR um eine Stufe reduziert werden. Eine mittlere bis hohe artspezifische Kollisionsminderung durch Marker (> 40–80 %) ermöglicht eine Reduktion des KSR um zwei Stufen. Eine sehr hohe artspezifische Kollisionsminderung der Marker (> 80 %) entspricht drei Stufen KSR-Reduktion. Eine in Studien dokumentierte Minderungswirkung unter 20 % wird als sehr gering eingestuft und als nicht ausreichend bewertet, um eine ganze Minderungsstufe im KSR anzuerkennen.
Es bildeten sich 14 Referenzarten heraus: Großtrappe, Eurasischer Kranich, Graureiher, Höckerschwan, Kormoran, Kiebitz, Schnatterente, Pfeifente, Stockente, Ringeltaube, Weißwangengans, Graugans, Rabenkrähe und Lachmöwe. Diese Referenzarten wurden anschließend für Ähnlichkeitsvergleiche mit solchen Arten benutzt, für die bisher keine Wirksamkeitsnachweise von Vogelschutzmarkern vorlagen.
2.2 Ähnlichkeitsbegründete KSR-Reduktion
Über eine differenzierte und multikriterielle ökologische Ähnlichkeitsbewertung wurde eine Einschätzung vorgenommen, in welchem Ausmaß die KSR-Reduktionswerte einer Referenzart auf eine möglichst ähnliche Vergleichsart übertragen werden konnte. Bearbeitet wurden alle Vogelarten der vMGI-Klassen (= Klassen der vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung) A bis C nachBernotat & Dierschke(2016) mit erhöhter Mortalitätsgefährdung an Freileitungen. Für die Ableitung der Ähnlichkeit von Arten wurden die folgenden Kriterien berücksichtigt:
– Verwandtschaft beziehungsweise Taxonomie,
– Manövrierfähigkeit,
– Körpergröße,
– Fluggeschwindigkeit,
– Sehphysiologie beziehungsweise Wahrnehmung in Flugrichtung,
– Lebensraum- beziehungsweise Habitatnutzung,
– Verhaltensökologie bei der Nahrungssuche,
– Aktivitätszeiten,
– Status und Wanderverhalten und
– Bildung von Schwärmen beziehungsweise Ansammlungen.
Auf Grundlage dieser zehn Kriterien sind in Bezug auf die ermittelten Referenzarten Ähnlichkeitspunkte (maximal 30 Punkte) vergeben worden. Die Zuordnung der betrachteten Arten zu den jeweiligen Referenzarten erfolgte in der Weise, dass das Ergebnis zu einer möglichst hohen Zahl an Ähnlichkeitspunkten führt. Für jede Art wurde die ähnlichste Referenzart ausgewählt. Bei einer sehr hohen Ähnlichkeit (24–30 Punkte) wurde der Vergleichsart dieselbe Minderungswirkung von Markern zugewiesen wie ihrer Referenzart. Bei Arten mit hoher Ähnlichkeit (17–23 Punkte) wurden unter Berücksichtigung der gebotenen Vorsorgegrundsätze Abschläge von einer Stufe, bei Arten mit mäßiger Ähnlichkeit (10–16 Punkte) von zwei Stufen vorgenommen. Bei Arten mit weniger als zehn Ähnlichkeitspunkten wurde eine Übertragbarkeit aufgrund einer zu geringen Ähnlichkeit als fachlich nicht valide und somit unzulässig erachtet.
Grundsätzlich war es auch ein Ergebnis der Konventionsbildung, dass für alle Arten (auch dämmerungs- und nachtaktive) gilt, dass, sobald dem Stand der Technik und dem Markierungsdesign nach VDE/FNN entsprechende Marker (vgl. VDE/FNN 2014) als Verminderungs- und Vermeidungsmaßnahme eingesetzt werden, für die Länge des entsprechenden Leitungsabschnittes das konstellationsspezifische Risiko (KSR) um eine Stufe gesenkt werden kann („Grundreduktion beziehungsweise -wirksamkeit von Markern“).
3 Ergebnisse
Der Konventionsvorschlag zur Verwendung von Vogelschutzmarkern trifft auf Grundlage der geschilderten Vorgehensweise Aussagen zu 164 Vogelarten hinsichtlich der artspezifischen Reduktionswirkung des konstellationsspezifischen Risikos (Tab. 2) im Rahmen des Bewertungsverfahrens vonBernotat & Dierschke(2016) beziehungsweiseBernotatet al. (2018). Bei 27 Arten (vornehmlich Schwäne, Gänse und Enten) wird durch die Verwendung von Vogelschutzmarkern die maximale Minderungswirkung von drei Stufen erreicht. Bei 39 Arten wird durch den Einsatz der Marker eine Minderungswirkung von zwei Stufen erzielt (vornehmlich Tauchenten, Taucher und Säger). Für die übrigen 98 Arten wird den Vogelschutzmarkern eine Reduktionswirkung von einer Stufe zugesprochen.
4 Diskussion
Trotz der hier postulierten möglichen Reduktion des artspezifischen KSR-Risikos durch Vogelschutzmarker kann es in einzelnen Konfliktkonstellationen zu einer eingeschränkten Wirksamkeit von Vogelschutzmarkierungen kommen.Jödickeet al. (2018) diskutieren den Einfluss gebietsspezifischer Konstellationen im Hinblick auf die Übertragbarkeit von Reduktionswerten. Bei einer Überspannung von Gewässern (oder anderer Habitate) mit häufigen Auffliege- und Landeereignissen von Vögeln ist damit zu rechnen, dass sich die aus den vertikalen Flugbewegungen resultierenden Kollisionsrisiken an den Leiterseilen durch eine Markierung des Erdseils mit Markern nur eingeschränkt verringern lassen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass insbesondere bei einem schreckhaften Auffliegen von Tieren unter Leitungen infolge natürlicher oder anthropogener Störungen ein erhöhtes Kollisionsrisiko besteht, welches nicht durch Vogelschutzmarkierungen gemindert wird. Bei Gewässerüberspannungen ist daher generell jeweils von einer um eine Stufe reduzierten artspezifischen Minderungswirkung auszugehen (so auch die BfN-Arbeitshilfe zu Freileitungsvorhaben,Bernotatet al. 2018: 97).
Ein verdichtetes Anbringen der Vogelschutzmarker kann in konfliktträchtigen Gebieten dazu beitragen, die Effektivität zu erhöhen. Die innerhalb dieses Projektes getroffenen Ableitungen der artspezifischen Markerwirksamkeit berücksichtigen Studien, die den Mindestanforderungen nachVDE/FNN(2014) entsprechen und überwiegend einen realen oder optisch geringeren Abstand der Markierungen als 25 m aufwiesen (etwa beiJödickeet al. 2018). Ein geringerer Markierungsabstand als 25 m kann im Einzelfall zwar geboten sein, jedoch rechtfertigt dies in der Regel keine zusätzliche Anerkennung einer signifikant erhöhten Wirksamkeit der Markierung (in Höhe einer zusätzlichen Minderungsstufe). Es sei deshalb darauf hingewiesen, dass es sich bei den hier ermittelten Reduktionswerten um die maximal für diese Art mögliche Reduktionswirkung handelt. Durch das dichtere Hängen von Markern oder die Verwendung weiterer Marker kann in der Regel keine weitere Stufe der Reduktionswirkung erreicht werden.
Der Fachkonventionsvorschlag wurde im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens des BfN zur „Wirksamkeitsanalyse unterschiedlicher Vogelschutzmarker“ (FKZ 3516 83 0700) unter Beteiligung nationaler und internationaler Expertinnen und Experten erarbeitet. Er bildet den derzeitigen Stand der besten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Thematik ab und erfüllt die fachlichen und rechtlichen Anforderungen, die sich aus dem europäischen Gebiets- und Artenschutz an Maßnahmen zur Vermeidung beziehungsweise Minderung ergeben. Es werden Aussagen zu 164 Vogelarten hinsichtlich der artspezifischen Reduktionswirkung des konstellationsspezifischen Risikos im Rahmen des Bewertungsverfahrens vonBernotat & Dierschke(2016) getroffen. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für die Bewertung der Minderungswirkung von Vogelschutzmarkern im Hinblick auf die Senkung des konstellationsspezifischen Tötungsrisikos eines Vorhabens im jeweiligen Einzelfall. Die hohe Nachfrage bereits vor und unmittelbar nach Veröffentlichung der Ergebnisse lässt eine schnelle Etablierung als Fachkonvention in der Praxis erwarten.
Der BfN-Fachkonventionsvorschlag vonLiesenjohannet al. (2019) wurde, neben einer umfassenden Literaturauswertung, unter Beteiligung von 13 nationalen und zehn internationalen Expertinnen und Experten im Rahmen von zwei schriftlichen Expertenbefragungen, einem Workshop und direkter Kommunikation erarbeitet. Die abschließende Fertigstellung erfolgte in Abstimmung mit fünf der 13 nationalen Experten, die einen methodenkritischen Beitrag gegeben haben. Der Konventionsbildungsprozess erfordert, dass im Rahmen der Abstimmung auch Kompromisse gefunden werden müssen; folglich kam es in dem hierzu erforderlichen Abstimmungsprozess dazu, dass nicht alle daran Beteiligten jede Entscheidung in ihren Details mitgetragen beziehungsweise sich an der Fertigstellung beteiligt haben. Dennoch geben die hierin enthaltenen Werte den Stand des aktuellen Wissens wieder. Forschung und Monitoring werden zukünftig gegebenenfalls zu neuen oder weiteren Erkenntnissen führen, welche dann in einer Fortschreibung des Fachkonventionsvorschlags berücksichtigt werden können. Methodisch gut durchdachte Studien und eine nachvollziehbare und belastbare Auswertung zur Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern können daher wertvolle Ergebnisse zur Bewältigung solcher artenschutzrechtlichen Konflikte erbringen.
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Praxisexkurs
Anhand des nachfolgenden Beispiels soll verdeutlicht werden, wie die artspezifische Reduktionswirkung einer Leitungsmarkierung im Rahmen des konstellationsspezifischen Risikos des BfN-Bewertungsverfahrens nachBernotat & Dierschke(2016) beziehungsweiseBernotatet al. (2018) Eingang findet. Bei den durch ein Freileitungsvorhaben betroffenen Arten kann nun mittels der vorliegenden Ergebnisse auch die Minderungswirkung von Vogelschutzmarkern in Höhe der artspezifisch abgeleiteten Stufenzahl beim konstellationsspezifischen Risiko (KSR) berücksichtigt werden. Bei einem Freileitungsvorhaben handelt es sich um einen Trassenneubau einer 380-kV-Leitung mit Mehrebenenmasten. Die Konfliktintensität der Freileitung wird entsprechend als „hoch“ (3) eingestuft.
Bei einer Planung dieses Vorhabens im „zentralen Aktionsraum“ (2) eines aufgrund der Artenzusammensetzung und der Individuenzahlen als „großes Wasservogelbrutgebiet von landesweiter Bedeutung“ (3) zu beschreibenden Gebiets ist entsprechend von einem „extrem hohen“ (8) konstellationsspezifischen Risiko auszugehen. Im Wasservogelbrutgebiet kommen in großer Zahl die kollisionsgefährdeten Arten Rohrdommel, Knäk-, Tafel-, Schell- und Stockente, Rothalstaucher sowie Tüpfelsumpfhuhn und Blässhuhn vor.
Für die Arten der vMGI-Klasse B liegt die definierte Schwelle (S) bei einem „mittleren“ konstellationsspezifischen Risiko (KSR), sodass ein solches bereits als signifikant erhöhtes Tötungsrisiko gewertet wird. Für die Arten der vMGI-Klasse C liegt die definierte Schwelle (S) entsprechend erst bei einem „hohen“ konstellationsspezifischen Risiko (KSR). Daher wird die Signifikanzschwelle durch das Vorhaben ohne Markierung je nach Art um mehrere Stufen überschritten. Beispielsweise liegt die Schwelle bei der Rohrdommel als Art der vMGI-Klasse B bei einem „mittleren“ KSR, sodass das hier auftretende „extrem hohe“ KSR eine Überschreitung um vier Stufen bedeutet („mittleres, hohes, sehr hohes, extrem hohes KSR“ = vier Stufen).
Unter Berücksichtigung der artspezifischen Minderungswirkung einer nach den fachlichen Standards durchgeführten Markierung der Freileitung ergibt sich eine artspezifisch differenzierte Bewertung des konstellationsspezifischen Risikos entsprechend Tab. 3. Für die Rohrdommel würde zum Beispiel die artspezifische Minderung um eine Stufe im Zuge der Markierung dazu führen, dass das verbleibende KSR noch „sehr hoch“ wäre, was aber noch immer eine Überschreitung der Signifikanzschwelle um drei Stufen bedeutet.
Es wird deutlich, dass dieses Freileitungsvorhaben im zentralen Aktionsraum eines landesweit bedeutsamen Wasservogelbrutgebiets mit stark kollisionsgefährdeten Arten trotz Leitungsmarkierung nicht ohne Verletzung des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots realisierbar wäre. Somit wäre voraussichtlich eine räumliche Umplanung durch Abrücken vom Gebiet außerhalb des weiteren Aktionsraums erforderlich oder – sofern räumliche und technische Alternativen (einschließlich einer abschnittsweisen Verlegung als Erdkabel) nachweislich unmöglich oder unzumutbar sind – eine etwaige artenschutzrechtliche Ausnahmeprüfung abzuwägen.
Fazit für die Praxis
- Der Fachkonventionsvorschlag zur Verwendung von Vogelschutzmarkern trifft Aussagen zu 164 Vogelarten hinsichtlich der artspezifischen Reduktionswirkung des konstellationsspezifischen Risikos (KSR) im Rahmen des Bewertungsverfahrens von Bernotat & Dierschke (2016).
- Bei 27 Arten (vornehmlich Schwäne, Gänse und Enten) wird durch die Verwendung von Vogelschutzmarkern die maximale Minderungswirkung von drei Stufen erreicht.
- Bei 39 weiteren Arten wird eine Minderungswirkung von zwei Stufen (vornehmlich Tauchenten, Taucher und Säger) erreicht; 98 Arten wird eine Reduktionswirkung von einer Stufe zugesprochen.
- Trotz der möglichen Reduktion des artspezifischen Risikos durch den Einsatz von Vogelschutzmarkern kann es in einzelnen Konfliktkonstellationen zu einer eingeschränkten Wirksamkeit von Vogelschutzmarkierungen kommen, etwa bei einer Überspannung von Gewässern oder anderer Habitate mit häufigen Auffliege- und Landeereignissen von Vögeln.
- Ein verdichtetes Anbringen der Vogelschutzmarker kann in konfliktträchtigen Gebieten zu einer Erhöhung der Effektivität beitragen, rechtfertigt jedoch keine zusätzliche Anerkennung einer erhöhten Wirksamkeit der Markierung (zusätzliche Minderungsstufe).
Kontakt
Monique Liesenjohann studierte Biologie an der Friedrich-Schiller Universität in Jena und promovierte in Bielefeld und Potsdam zum Schwerpunkt Verhaltensökologie bei Kleinsäugern. Seit 2014 arbeitet sie für BioConsult-SH in Husum mit dem Tätigkeitsschwerpunkt in der Umwelt- und Naturschutzplanung. Daneben betreut sie Forschungsprojekte wie das hier zugrunde liegende F & E-Vorhaben zur Wirksamkeit von Strommarkern (FKZ 3516 83 0700).
> m.liesenjohann@bioconsult-sh.de
Dr. Marc Reichenbach, Dipl.-Biologe und Dipl.-Ökologe und geschäftsführender Gesellschafter der ARSU GmbH, Oldenburg.
Dirk Bernotat, Dipl. -Ing. Landschaftsplanung und Leiter des Fachgebiets II 4.2 Eingriffsregelung, Verkehrswegeplanung am Bundesamt für Naturschutz (BfN), Außenstelle Leipzig
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