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Sachstand und Metaanalyse für Europa und Nordamerika

Der Einfluss des Bibers auf die Artenvielfalt semiaquatischer Lebensräume

Abstracts

In den letzten Jahrzehnten wurde durch wissenschaftliche Untersuchungen zunehmend belegt, dass Biber als Ökosystemingenieure in semiaquatischen Ökosystemen einen fördernden Effekt auf die Biodiversität ausüben. In diesem Beitrag werden der weltweite Sachstand zu diesem Thema zusammengefasst und viele anschauliche Beispiele für die Effekte von Bibern auf die Vielfalt unterschiedlicher Tierartengruppen gegeben.

In einer Metaanalyse wurden 53 Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien mit annähernd vergleichbaren experimentellen Ansätzen ausgewertet. Die allgemeinen Effekte der Biber auf ihren Lebensraum sowie die differenzierte Wirkung auf einzelne Tierartengruppen wurden herausgearbeitet. Bei Tieren kam es in 83 % und bei Pflanzen in 79 % der Fälle zu einer Erhöhung der Artenvielfalt auf Landschaftsebene. Die gestalterische Wirkung der Biber hat im Grundsatz eine Erhöhung der Artenvielfalt auf Landschaftsebene zur Folge und induziert eine einzigartige Heterogenität in der Gewässerlandschaft. Dadurch bietet sich die Perspektive, Biber als Instrumente zur Erreichung der Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie und für die Renaturierung von Feuchtgebieten zu nutzen. Dies wird von Wissenschaftlern in aktuellen internationalen Studien zunehmend vorgeschlagen.

The influence of beaver on the biodiversity of semi-aquatic habitats – Current situation and meta-analysis for Europe and North America

During recent decades scientists have found increasing evidence that the impact of beavers on semiaquatic ecosystems has led to increasing biodiversity. Here we summarize worldwide knowledge of the impact of beavers on biodiversity and give many demonstrative examples of the effect of landscape transforming by beavers on different animal groups. We assessed data from 53 scientific studies with a comparable experimental approach, mainly from North America and Northern Europe, in a meta-analysis and focused on the effects of beavers on species richness of animals and plants, as well as on single taxonomic groups of animal species. The results show that in 83 % of studies the effect of beavers led to an increasing species richness in animals and in 79 % to an increasing species richness in plants at a landscape level. The data show that the transformation of wetlands by beavers effect an increasing species richness at a landscape level and induce a unique habitat heterogeneity. This offers the perspective for using the influence of beavers on wetlands as instruments for achieving the goals of the EU Water Framework Directive and for the restoration of wetlands, increasingly suggested by scientists in international scientific studies.

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Abb. 1: Der Dammbau durch Biber und seine Folgen für das Ökosystem sind die in wissenschaftlichen Studien bislang am häufigsten betrachteten Fragestellungen zum Einfluss des Bibers auf die Biodiversität.
Abb. 1: Der Dammbau durch Biber und seine Folgen für das Ökosystem sind die in wissenschaftlichen Studien bislang am häufigsten betrachteten Fragestellungen zum Einfluss des Bibers auf die Biodiversität.Wolfram Otto
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1 Einleitung

Aufgrund fundierter Untersuchungen aus den letzten Jahrzehnten setzt sich in der Ökologie zunehmend die Erkenntnis durch, dass die von Bibern (Amerikanischer Biber Castor canadensis und Eurasischer Biber Castor fiber ) in semiaquatischen Ökosystemen erzeugte Heterogenität einen fördernden Effekt auf die Biodiversität hat und ein hohes Potenzial für die Renaturierung von Lebensräumen bietet (bedeutende Arbeiten u. a.Anderson & Rosemond2007,Aznar & Desrochers 2008, Bartelet al. 1953, Gurnellet al. 2009,Hägglund&Sjöberg1999,Harthun1999,Hood&Larsson2015,Lawet al. 2016 & 2017,Nummi & Holopainen 2014, Rosellet al. 2005, Runyonet al. 2014, Wright2009,Wrightet al. 2002).

Diese Wirkung kann im Zusammenspiel mit weiteren natürlichen Vorgängen am Gewässerufer, wie z. B. dem Einfluss großer Huftiere, noch deutloich vergrößert werden (Bakeret al. 2005, Hood & Baylay2009).

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Effekte des Bibers als ökologische Schlüsselart ( keystone species ) und als Ökosystemingenieur ( ecosystem ingenieer ) sind durch Ergebnisse internationaler Forschung der letzten 50 Jahre mittlerweile so umfangreich und tiefgründig (Übersichtsarbeiten dazu s.Eckeet al. 2017,Gurnell1998,Janiszewskiet al. 2014,Joneset al. 1994,Stringeret al. 2016,Wright2009), dass es notwendig und sinnvoll erscheint, diese Fachkenntnisse in gesellschaftliche Entscheidungen zum weiteren Umgang mit Bibern und Fließgewässern in Deutschland bzw. der Europäischen Union mit einfließen zu lassen. Neben zweifellos auch problematischen und konfliktreichen Einflüssen von Bibern an vom Menschen genutzten und stark umgestalteten Gewässerufern sollte das wissenschaftlich erwiesene Potenzial der Biber für:

(a) eine Steigerung der Biodiversität im Lebensraum,

(b) die Förderung von seltenen und gefährdeten Arten,

(c) die Förderung der ökologischen Kontinuität des Lebensraums und

(d) die Renaturierung von Feuchtlebensräumen im Umweltmanagement sowie bei politischen Entscheidungen wahrgenommen und gezielt genutzt werden.

In der vorliegenden Studie wird ein Überblick über wissenschaftliche Erkenntnisse zum Einfluss der Biber auf die Biodiversität in semiaquatischen Ökosystemen gegeben. Im Rahmen einer Metaanalyse werden 53 relevante, methodisch vergleichbare Ergebnisse von Studien zu einzelnen Organismengruppen empirisch bewertet und besonders anschauliche Beispiele zeigen, wie sich die Tätigkeit der Biber auf die Biodiversität auswirkt.

2 Bisherige weltweite Erkenntnisse und zusammenfassende Studien

Seit 2005 wurden in der Primärliteratur fünf Publikationen als Review oder Metaanalyse veröffentlicht, welche die Erkenntnisse über Effekte von Bibern auf die Ökosysteme zusammenfassen. Ihre Grundlage bilden jeweils mehrere hundert zitierte wissenschaftliche Studien, die zum größten Teil seit 1970 durchgeführt wurden.Rodsellet al. (2005) geben auf Basis von über 200 Literaturquellen eine Übersicht über Einflüsse, die Biber in Nordamerika und Europa auf die Dynamik der Hydrologie und Geomorphologie von Gewässern haben, sowie über die Effekte dieser Tiere auf Pflanzengesellschaften, Wirbellose, Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere. Die Autoren schildern, wie weitreichend Biber die hydrologischen und geomorphologischen Charakteristiken von Gewässern beeinflussen können und wie die Habitat- und Artendiversität durch ansteigende Heterogenität auf Landschaftsebene beeinflusst werden.Kempet al. (2012) fassen die Erkenntnisse aus 108 Studien über qualitative und quantitative Effekte und Interaktionen von Bibern auf Fische in Fließgewässern zusammen (davon 95 aus Nordamerika und neun aus Europa). Zusätzlich wurde dabei die Sichtweise von 49 unabhängigen Fachleuten aufgenommen. Im Ergebnis stellte sich heraus, dass sich der Einfluss der Biber überwiegend positiv auf die Fischbestände auswirkt. Als Ursache dafür wurden die Anreicherung von Totholz, die Entstehung von Überwinterungsrefugien (Biberteiche) und die erhöhte Nahrungsverfügbarkeit sowie verbesserte Fortpflanzungsmöglichkeiten für Fische (durch gesteigerte Heterogenität im Lebensraum) festgestellt. Als negative Einflüsse wurden die Behinderung der Fischwanderung durch Dämme (Barrierewirkung) und die Verschlammung von potenziellen Laichhabitaten sowie ein stellenweise niedrigerer Sauerstoffgehalt (in den Biberteichen) genannt, wobei sich negative Effekte eher auf Salmoniden beschränken. Anhand der Ergebnisse sind Dämme von Aalen und Neunaugen grundsätzlich passierbar und stellen für Wanderfische eine semipermeable Barriere dar. Die häufige Annahme, Biberdämme seien eine totale Barriere für Wanderfische, bestätigte sich nicht. Die Fachleute schätzten den Effekt der Biber auf Fischpopulationen überwiegend positiv ein, wobei sich die negativen Aspekte vorwiegend auf die Behinderung der Salmonidenwanderung bzw. des Erreichens geeigneter Laichhabitate beschränkten (Kempet al. 2012). Janiszewskiet al. (2014) fassen in einem Review die Ergebnisse von Studien vorwiegend aus Osteuropa und Skandinavien zusammen und geben Beispiele, wie sich der Eurasische Biber als Schlüsselart auf die Diversität und Abundanz anderer Tierarten/Gruppen auswirken kann (Tab. 1). Dabei gehen sie auch auf die Bedeutung des Bibers als Beute für Wölfe, Luchse, Füchse, Bären und Fischotter ein. Eine aktuelle Literaturanalyse vonStringer & Gaywood(2016) wertet 49 Studien aus Amerika und Europa über beobachtete Effekte der Bibertätigkeit auf Arten oder Artengruppen aus, wobei die abgeleiteten Erkenntnisse entweder auf experimentellen Feldversuchen (signifikante Unterschiede in der Biodiversität auf Probeflächen mit und ohne Biber) oder auf weiteren, deskriptiven Beschreibungen und Beobachtungen beruhen. Die 49 Studien werden von den Autoren der Analyse hinsichtlich positiver, negativer oder neutraler Effekte bewertet. Das Ergebnis zeigt einen überwiegend positiven Einfluss der Biber auf die Biodiversität in ihrem Lebensraum, weil sie fundamental dessen Heterogenität beeinflussen.

Sie kommen zu dem Schluss, dass in 73 % der Fälle ein positiver Effekt der Bibertätigkeit auf die untersuchten Pflanzen und Tierarten/Artengruppen ausging und in lediglich 10 % ein negativer.

Eckeet al. (2017) werten in einer Metaanalyse auf Grundlage von 89 wissenschaftlichen Studien die Effekte von Biberdämmen auf 16 verschiedene Faktoren der aquatischen Umwelt in den Bereichen Hydromorphologie, Biogeochemie, Ökosystemfunktionalität und Biodiversität aus und vergleichen die Effekte der Biberdämme mit denen künstlicher Dämme. Die Autoren ziehen den Schluss, dass Biberdämme einen einzigartigen Beitrag zur Erhöhung der Artenvielfalt von Fischen und Makroinvertebraten auf Landschaftsebene leisten und dass ein signifikanter negativer Effekt auf wandernde Fische nicht zu erwarten ist (Eckeet al. 2017).

Die anhand der bisher genannten wissenschaftlichen Studien vielfach dargestellten bzw. zitierten landschaftsverändernden Effekte und Einflüsse der Biber werden in Tab. 1 zusammengefasst.

3 Metaanalyse vergleichbarer Studien mit experimentellen Ansätzen aus Europa und Nordamerika

3.1 Wissenschaftlicher Kontext und Methodik

In der bisherigen Form der Bewertung und Auswertung gesammelter wissenschaftlicher Erkenntnisse über Effekte der Biber auf Fische (Kempet al. 2012) wurden alle beobachteten Auswirkungen (negative, positive und neutrale) gewertet, die in der begutachteten wissenschaftlichen Literatur recherchiert wurden. Die Literaturstudie vonStringer&Gaywood(2016), welche die Biber-Effekte auf Tiere und Pflanzen ähnlich wieKempet al. (2012) einteilen, beruht z. T. auf Sachverhalten, die aus deskriptiven Beschreibungen anstatt aus experimentellen Feldstudien mit Versuchsflächen (mit/ohne Biberwirkung) hervorgegangen sind. So wurde z. B. bei einer Untersuchung in Polen als „positiv“ gewertet, dass ca. 65 % der Territorien des Dreizehenspechts von Bibern angestaute Flächen beinhalteten.

Um den Effekt der Lebensraumgestaltung durch Biber auf die Artenvielfalt in Ökosystemen zahlenbasiert und wissenschaftlich präziser zu definieren, wurde in dieser Arbeit eine Metaanalyse von Daten aus Fachartikeln der internationalen wissenschaftlichen Literatur (mit Peer-Review-Begutachtung, davon ca. 90 % ISI Journals) durchgeführt, welche den Effekt von Bibern auf die Artenvielfalt ( richness ) in annähernd vergleichbaren Fallstudien analysieren.

Die Artenvielfalt ist ein Maß der Biodiversität, zu dem in den angegebenen Studien am häufigsten Aussagen bzw. Werte dargestellt wurden. Dabei handelte es sich in der Regel um die Vielfalt an Arten, in einigen Fällen aber auch um die Vielfalt an Taxa (in der Regel auf Familienebene). Diese Studien mussten den experimentellen Ansatz beinhalten, dass die Diversität von ausgewählten Tier- oder Pflanzengruppen (bzw. Artengemeinschaften bestimmter Biozönosen) einer Gewässerlandschaft in vom Biber beeinflussten Flächen (Biberteiche, Überflutungsflächen, durch Fraß beeinflusste Flächen etc.) mit vergleichbaren unbeeinflussten Flächen (z. B. Exclosures, Gewässerstrecken oberhalb oder unterhalb des Dammes etc.) verglichen und die Artenvielfalt ausgewählter Organismengruppen in Zahlen dargestellt wurde.

Ein weiteres Kriterium für die in die Analyse einbezogenen Studien war eine Angabe, ob sich die Artendiversität der untersuchten Artengruppen insgesamt auf Landschaftsebene (vom Biber beeinflusste plus unbeeinflusste Flächen) erhöht hat oder nicht. Der Begriff „Diversität auf Landschaftsebene“ orientiert sich an der Terminologie aktueller Studien zu diesem Thema (Bartelet al. 2010,Wright2009) und bezieht sich auf die Gamma-Diversität (Diversität auf Landschaftsebene). Wir beobachteten in vielen Fällen eine Einwanderung neuer Arten in die direkt von Bibern umgestalteten Gebiete wie Biberteiche oder aufgelichtete Gewässerufer. Es kam aber auch zum lokalen Verschwinden von Arten in diesen Gebieten. So können z. B. Steinfliegen oder bestimmte Köcherfliegenarten in den Biberteichen aufgrund der höheren Temperaturen und des geringeren Sauerstoffgehalts nicht mehr vorkommen. Die Anzahl der Arten, die in den direkt von Bibern umgestalteten Gebieten verschwunden sind, war in einigen Fällen höher als die Anzahl der neu eingewanderten Arten bzw. Taxa (Arndt & Domdei2011,Pli rait & Kesminas2012). In diesen Fällen verringerte sich die Artenvielfalt einer für die Untersuchungen ausgewählte Organismengruppe in den von Bibern umgestalteten Gebieten.

Wenn der Einfluss von Tierarten auf Ökosysteme bewertet wird, ist es jedoch notwendig, nicht nur die Verhältnisse und Veränderungen in der von einer Art direkt umgestalteten bzw. beeinflussten Untersuchungsfläche ( patch ) zu betrachten, sondern auch die Verhältnisse von anderen Probeflächen in unmittelbarer Umgebung (bei Bibern z. B. Flächen oberhalb und unterhalb des Dammes bzw. Exclosures). Die Summe der Veränderungen in den einzelnen Probeflächen (Zuwachs von neuen Arten oder Verschwinden von Arten) bildet das von uns untersuchte Kriterium „Diversität auf Landschaftsebene“. Wenn z. B. im angestauten Bereich eines Baches (Biberteich) mehr Arten verschwinden, als neu einwandern, kann sich die Diversität auf Landschaftsebene trotzdem erhöhen, weil die Arten, die im Biberteich verschwunden sind, in den direkt benachbarten Gebieten oberhalb und unterhalb des Dammes zu finden sind und zusammen mit den im Biberteich neu eingewanderten Arten eine Erhöhung der Artenzahl in der Landschaft bedeuten. Die Anzahl von Studien bzw. einzelnen Teilergebnissen derer, welche diesen strengen Kriterien entsprechen, ist wesentlich geringer als die allgemein verfügbaren Quellen zum Thema „Modifikation von Ökosystemen durch Biber“ und stellt nur einen Bruchteil der bekannten Fachliteratur zum Thema „Biber und Biodiversität“ dar. Alle für die Metaanalyse genutzten Angaben sind den Quellen entnommen, die im elektronischen Anhang aufgeführt sind.

3.2 Einfluss der Biber auf die Artenvielfalt

In der Analyse konnten 53 Datensätze zusammengestellt werden, die an 42 Orten (bzw. Regionen) vorwiegend in Nordamerika und Europa erfasst wurden (Abb. 2). 36 Untersuchungen trafen Aussagen über den Einfluss auf Tiere, 17 über den Einfluss auf Pflanzen (Abb. 2). Die 53 Ergebnisse über Effekte auf ausgewählte Tier- oder Pflanzengruppen zeigen, dass die Aktivität der Biber in 80 % der Fälle zu einer Erhöhung der Artenvielfalt ( species richness ) auf Landschaftsebene (Gamma-Diversität), also in direkt vom Biber beeinflussten Flächen plus unmittelbar benachbarten Referenzgebieten, führt. Bei den untersuchten Tiergruppen liegt die Erhöhung der Diversität auf Landschaftsebene bei 83 % (30 von 36 Fällen), bei Pflanzen beträgt sie 76 % (13 von 17 Fällen). Insgesamt liegen die nachgewiesenen „positiven Effekte“ der Modifikation von semiaquatischen Lebensräumen durch Biber für einzelne Artengruppen jedoch höher als 83 %. Dies kommt dadurch zustande, dass sich die Kriterien für die Bewertung der Studien ausschließlich auf die Artenvielfalt beziehen. So zeigen z. B.Ciechanowskiet al. (2011) eindeutig, dass die durch Biber aufgelichteten Gewässerufer die Jagdaktivität und Abundanz von Fledermäusen im Vergleich zu ähnlichen, unbeeinflussten Gewässerufern erhöhen und auch die Fledermausdiversität ( species diversity ), die sich aus Artenzahl und Abundanz errechnet, in diesen Gebieten höher ist. Die reine Artendiversität (bzw. Artenzahl) verändert sich jedoch nicht.

Von 33 Studien, bei denen die Zu- oder Abnahme der Artenzahl von Tieren oder Pflanzen ausschließlich in den vom Biber gestalteten Gebieten (also ohne die benachbarten Referenzgebiete) eindeutig bewertet werden konnte, wurde in 25 (76 %) eine Zunahme der Artenzahl festgestellt und in 7 Studien (21 %) eine Abnahme.

In den vom Biber direkt beeinflussten Gebieten kommt es häufig zu einer Umgestaltung der Makrozoobenthos- und Fischgemeinschaften. So verschwinden an schnell fließendes Wasser angepasste Arten oder Organismengruppen wie Steinfliegen aus den angestauten Bereichen und werden durch typische Vertreter mit Präferenz für langsamer fließendes, wärmeres Milieu, wie z. B. Zuckmücken, Köcherfliegen oder Amphipoden, ersetzt (Tab. 1 , Tab. 2). Dabei kann es dazu kommen, dass auch die Artenzahl der betrachteten Makrozoobenthosgruppen nachweisbar zurückgeht, was v. a. in Tieflandbächen beobachtet wurde (Arndt & Domdei2011,Pli rait & Kesminas2012).

Wenn in diesen Fällen jedoch auch die Artendiversität der direkt benachbarten Referenzgebiete unterhalb bzw. oberhalb des Biberdammes mit einbezogen und die Artenvielfalt der Gesamtlandschaft betrachtet wird, erhöht sich diese bei Tieren wie gezeigt in 83 % der Fälle.

4 Schlussfolgerungen und Perspektive für Naturschutz und Umweltmanagement

Die Auswertung von 53 umfangreichen, mit vergleichbaren experimentellen Ansätzen arbeitenden wissenschaftlichen Untersuchungen aus Europa und Nordamerika sowie von Studien, die sich mit den Effekten der Biber auf Tiere und Pflanzen auseinandersetzen, lässt die sichere Schlussfolgerung zu, dass die durch Biber verursachten Einwirkungen auf die Gewässerlandschaft (Tab. 1) wie z. B. Auflichtung der Vegetation, Beweidung, Dammbau und seine Folgen für die Dynamik der hydrologischen Verhältnisse, Umgestaltung der Morphologie sowie das Anlegen von Burgen eine Erhöhung der Artenvielfalt auf Landschaftsebene zur Folge hat. Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen der Review-Studie vonStringer&Gaywood(2016), die in 73 % aller untersuchten wissenschaftlichen Arbeiten einen positiven Effekt des Einflusses von Bibern auf die Entwicklung der Biodiversität ermittelten.

Wie die hier präsentierte Metaanalyse von Forschungsergebnissen zeigt, bewirkt die Modifikation der Feuchtgebiete durch Biber (Tab. 1) innerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes in der nördlichen Hemisphäre in der Regel (a) eine Steigerung der Artenvielfalt durch Erhöhung der Heterogenität der Landschaft und damit des Angebotes an ökologischen Nischen, (b) die Förderung bzw. Zuwanderung von Arten (u. a. gefährdete und konkurrenzschwache Arten, die vor dem Einfluss der Biber im Ökosystem nicht präsent waren), sowie (c) ggf. (in geringerer Ausprägung) ein Verschwinden von Arten, die aufgrund der durch den Biber umgestalteten ökologischen Verhältnisse auf kleinräumiger, lokaler Ebene nicht mehr vorkommen können.

In Tab. 2 sind anschauliche, wissenschaftlich fundierte Beispiele und Erkenntnisse samt Quellenangaben zusammengestellt, die zeigen, wie einzelne Tierartengruppen durch von Bibern verursachte Landschaftsveränderungen beeinflusst werden können. Besonders für den zoologischen Artenschutz und die Renaturierungsplanung sollten die weltweiten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Effekte des Bibers auf Gewässersysteme von großem Interesse sein. So schlagenTörnblomet al. (2011) vor, Biber als „Werkzeuge“ für das Wassermanagement und als geeignetes Instrument zur Erreichung eines „guten ökologischen Zustands“ kleiner und mittelgroßer Bäche einzusetzen, um so die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie in Schweden zu erreichen.Törnblomet al. (2011) schlussfolgern, dass der gute ökologische Zustand von kleineren Bächen in vielen Fällen Eigenschaften aufweisen müsse, wie über längere Zeiträume von Bibern beeinflusste Gewässersysteme sie zeigen.Nummi&Holopainen(2014) verweisen auf das in einer Langzeitstudie im borealen Finnland über 21 Jahre festgestellte Renaturierungspotenzial von Bibern, wobei Watvögel als Zielarten dienten.

Für Schottland publiziertenLawet al. (2017) umfangreiche Erkenntnisse einer ersten gezielt durch Biberwirkung gestützten Renaturierung eines degradierten Niedermoores. Die über einen Zeitraum von zwölf Jahren durch die Tätigkeit der Biber erreichten Verbesserungen in Bezug auf Pflanzendiversität und Lebensraumheterogenität unterstreichen das Potenzial von Bibern für die Renaturierung von Feuchtlebensräumen (Lawet al. 2017). Eine relevante Perspektive stellt dabei der durch Biber bewirkte Habitatverbund von Feuchtgebieten (Hood&Larsson2015) dar, der sich, wieDalbecket al. (2014) für Grasfrösche zeigten, positiv auf Tierpopulationen auswirken kann.

Dank

Wir danken Herrn Dr. Lutz Dalbeck (Düren) für Hinweise zum Text einer früheren Manuskriptversion. Herrn Wolfram Otto (Kühlenhagen) danken wir für die Bereitstellung von Fotos.

Literatur

Aus Umfangsgründen steht das ausführliche Literaturverzeichnis unter www.nul-online.de (WebcodeNuL2231 ) zur Verfügung.

Fazit für die Praxis

  • Zahlreiche Untersuchungen über Einflüsse von Bibern auf Feuchtgebiete in Nordamerika und Europa belegen: Biber erzeugen eine einzigartige Heterogenität in der Gewässerlandschaft. Durch dieser wiederum erhöht sich auch die Artenvielfalt auf Landschaftsebene.
  • Beispiele, die zeigen, wie die Habitatgestaltung von Bibern auf verschiedene Tiergruppen wirkt, können helfen, die Effekte der Biber besser zu benennen, zu kommunizieren und für Naturschutz-Fachplanungen in Gewässerlandschaften zu nutzen.
  • Aufgrund ihrer positiven Wirkung auf Artenvielfalt, Ökosystemfunktionen und Gewässerstruktur könnten Biber für eine effektive Naturschutzstrategie, als Instrumente zur Erreichung der Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie sowie für die Renaturierung von Feuchtgebieten eingesetzt werden.
  • Die wissenschaftlichen Erkenntnisse lassen sich in der Umweltbildung sowie von Bibermanagern, Behörden oder Umweltgutachtern einsetzen, um die positive Wirkung der Biber auf die Natur zu vermitteln und damit dem z. T. einseitig negativen Bild des Bibers auf Seiten vieler Landnutzer mit fachlich fundierten Fakten entgegenzutreten.

Kontakt

PD Dr. Robert Sommer , ist freiberuflicher Wissenschaftler und Privatdozent für Zoologie an der Universität Rostock, wo er auch einen Lehrauftrag im Fach Ur- und Frühgeschichte hat. Arbeitsschwerpunkte Tierökologie, Steinzeitgeschichte, Paläoökologie, Biodiversität und Naturschutzbiologie. 1994–2000 Studium der Biologie, 2004 Promotion im Fach Zoologie an der Universität Rostock. 2006–2008 Volontariat in der Abteilung Herpetologie am Museum für Tierkunde in Dresden. 2010 Habilitation im Fach Ökologie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel.

> robert.sommer@uni-rostock.de

Venja Ziarnetzky, M. Sc. , ist Umweltingenieurin bei einem der größten Infrastrukturunternehmen Europas. Betreuung der Umweltplanung in allen Leistungsphasen der Baumaßnahmen, inklusive des Projektabschlusses und der damit verbundenen Kompensationsverpflichtungen. Absolvierte ihr Bachelor-Studium in Geographie 2011 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 2014 Master in Environmental Management an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit einem Thema über Biber und Biodiversität.

> v.ziarnetzky@web.de

Ulrich Messlinger, Dipl.-Biol., arbeitet als freiberuflicher Gutachter. Arbeitsschwerpunkte faunistische Erfassungen (v. a. Vögel, Amphibien, Libellen), Monitoring der Effekte von Biberaktivitäten, Gewässerrenaturierung sowie Naturschutz- und Landschaftspflegemaßnahmen. 1980–1987 Studium der Biologie an der Universität Würzburg.

> u.messlinger@t-online.de

Prof. Dr. Volker Zahner , Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

> volker.zahner@hswt.de

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