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Interview mit Jürgen Tautz

BeeActive – Spielerisch die Umwelt entdecken

Pflanzen kennenlernen und gleichzeitig etwas über Honigbienen und ihre wilden Verwandten lernen? Das ist Gegenstand der Spieleapp „BeeActive“. Hier unterstützen die Spielenden die Imkerin Melli Fera, indem sie virtuelle Bienenvölker in der Welt platzieren und die Bienen durch das Fotografieren von Blühpflanzen ernähren. Wir haben uns mit Jürgen Tautz über den Bildungsansatz unterhalten.

von Julia Bächtle erschienen am 15.07.2025
Honigbiene ( Apis mellifera ) an Schlehe ( Prunus spinosa ) © Julia Bächtle
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Zur Person
Prof. Dr. Jürgen Tautz
ist Emeritus der Universität Würzburg. Als klassischer Zoologe hat er über zahlreiche Tierarten publiziert. Vor allem für seine Sachbücher, viele davon erschienen in mehreren Sprachen, ist er vielfach ausgezeichnet für vorbildliche Vermittlung von Wissen in eine breite Öffentlichkeit.
Virtuelles Imkern – ich gebe zu, davon habe ich mit BeeActive zum ersten Mal gehört. Haben wir das Smartphone nicht sowieso schon viel zu oft in der Hand? Jürgen Tautz: Die Jugend ist enorm informationsverwöhnt und hat oft kaum noch eine belastbare Aufmerksamkeitsspanne. Und nicht nur sie – das gilt für Erwachsene genauso. Das muss man als Tatsache akzeptieren. Und so kam ich eben auf die Idee, mit BeeActive eine App zu entwickeln, die sich das zunutze macht und an dieses Nutzerverhalten anknüpft. Wieso braucht es eine App, die Umweltbildung und Spielen verbindet? Jürgen Tautz: Die Jugend, die Kinder haben keinen blauen Dunst mehr von der Natur. Das hängt mit vielen Dingen zusammen: Der Schulunterricht bietet für meinen Geschmack viel zu wenig direkten Zugang zur richtigen Natur. Von organismischer Biologie hat keiner mehr eine Ahnung. Wie soll man denn Menschen dazu bringen, die Natur zu schützen, zu achten und in künftige Überlegungen einzubeziehen, wenn man keine Ahnung hat, was da los ist und wie relevant sie ist? Und wenn eine App die Kinder dazu bringt, in der Landschaft herumzulaufen, nach Blumen zu suchen, diese Blumen zu fotografieren und dann bei Interesse auf dem Bildschirm nachzulesen, was es darüber zu wissen gibt, dann ist es eigentlich eine feine Sache. Die Rede, die oft geführt wird, dass man die Kinder und Jugendlichen für die Natur interessieren und begeistern müsste, ist eigentlich so gar nicht ganz richtig. Kinder sind unwahrscheinlich interessiert in der Natur.
Wieso gerade Imkern? Jürgen Tautz: Es geht nicht primär um die Bienen. Aber die Honigbiene ist ein Sympathieträger, sie ist sozusagen unser trojanisches Pferd, um über sie Wissenshäppchen zu vermitteln und vor allem zur Pflanzenbestimmung anzuregen. Indem der Spieler Pflanzen sucht und dokumentiert, wird er dabei selbst zur Biene und lernt, seine Umgebung bewusster wahrzunehmen. Die Notwendigkeit, dass der Nutzer raus ins Freiland geht, nach Blumen sucht, ist ein wichtiger Aspekt. Und das lässt sich eben nicht nur auf die einzelne Person übertragen, sondern man kann das Ganze auch als Wettbewerb zwischen Kindern, zwischen Hochschulklassen, zwischen Schulen sehen. Wer hat die gesündesten Bienenvölker? Wer hat die meisten Bienenvölker? Wer hat die größte Artenvielfalt fotografiert? Lernen die Spielerinnen und Spieler durch die App tatsächlich? In der App sind Quizfragen eingebaut, wenn der Nutzer Honig erntet. Da wird Wissen rund um Bienen abgefragt, aber auch über die Pflanzen, die bereits fotografiert wurden. Das unterstützt das Lernen und verhindert, dass einfach blindlinks irgendwelche Pflanzen fotografiert werden. Wir sind außerdem seit Ende 2024 in einem Schulprojekt, in dem das untersucht wird. Das läuft derzeit. Ein Zwischenstand vielleicht: Die Kinder sind mit hoher Motivation und hohem Lernerfolg dran. Und die Rückmeldungen, die wir von den Lehrerinnen und Lehrern bekommen, die machen uns außerordentlich optimistisch.
Regelmäßig kann der Honig geerntet werden. Wer noch zwei Quizfragen richtig beantwortet, bekommt eine Extraportion.
Regelmäßig kann der Honig geerntet werden. Wer noch zwei Quizfragen richtig beantwortet, bekommt eine Extraportion. © Screenshot, Julia Bächtle
Welchen Mehrwert erhoffen Sie sich durch dieses Bildungsinstrument? Es geht darum, ein Verständnis für die Bedeutung von Pflanzenartenvielfalt zu vermitteln und das auch im Schulunterricht zu verankern. Da arbeiten wir gerade an Materialien für Lehrkräfte: Was kann man damit anfangen? Welche Fragestellungen kann man bearbeiten? Und da entwickeln wir gerade eben auch Unterrichtsblocks, die im direkten Schulumfeld umsetzbar sind: Könnten sich da Insekten, die Blüten besuchen, am Leben halten? Wenn die Antwort negativ ausfällt, können sich die Jugendlichen überlegen: Was könnten wir ändern?

Die fotografierten Arten fließen auch in eine interaktive Blühkarte ein. Lässt sich dieser Datenpool noch anderweitig nutzen?

Wir selbst werten die Daten aktuell nicht aus. Aber sie sind spannend, auch weil Nutzer bestimmte Bereiche abstecken können: Was blüht auf dem Schulgelände in welchem Monat? Je größer die Anzahl der Teilnehmer ist, desto realistischer ist das Bild, das dann wiedergegeben wird.

Wie soll es für BeeActive in Zukunft weitergehen?

Einer meiner früheren Studenten, Jürgen Paul, hat das übernommen. Er ist Professor an der Uni Bayreuth. Er will die App auch inhaltlich weiterentwickeln, das soll ja nicht stehen bleiben. Wir würden beispielsweise gerne noch die Erkennung von Insekten berücksichtigen, zum Beispiel von Schmetterlingen. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Daneben bauen wir das Artinventar stetig aus. Wir sind noch weit weg von dem, was Flora Incognita an Arten zu bieten hat. Aber erst, wenn wir den Nektar- und Pollenwert einer Art angeben können, wird sie in BeeActive auch freigeschaltet. Das läuft kontinuierlich.
Entwicklung der App
  • Idee: Prof. Jürgen Tautz
  • Entwicklung: Prof. Jürgen Tautz, Florian Schimpf, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
  • Umsetzung: 91interactive
  • Weiterentwicklung: Prof. Jürgen Paul, Uni Bayreuth
Honigbienen (
<i>Apis mellifera</i>
) lieben auch Massentrachten wie den Raps.
Honigbienen ( Apis mellifera ) lieben auch Massentrachten wie den Raps. © Julia Bächtle
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