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Editorial | Eckhard Jedicke

Was kostet uns der Wolf? Die falsche Agrarförderung ist das eigentliche Problem

Die Rückkehr des einst ausgerotteten Wolfes bleibt ein Dauerbrenner und treibt einen weiteren Keil zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Nachdem wir im Januar die rechtliche Situation und Ansätze zur Konfliktminderung beleuchtet haben, steht in dieser Ausgabe der Herdenschutz im Fokus: Vorbeugen kann helfen, Nutztierverluste und weitere Probleme zu vermeiden.
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Prof. Dr. Eckhard Jedicke
Prof. Dr. Eckhard JedickeDr. Moustafa Selim
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Erneut wird deutlich, dass die Aufrechterhaltung der Weidehaltung essenziell für eine vielfältige naturschutzfachliche Zielerreichung ist. Naturschutz ohne Beweidung funktioniert ebenso wenig wie das Hinnehmen einer absehbar weiter eskalierenden Konfliktsituation aufgrund eines bedingungslosen Wolfsschutzes. Kompromisslösungen müssen her, zuvorderst durch eine verbesserte Unterstützung der weidetierhaltenden Betriebe.

Herdenschutz ist ein Muss

Die Analyse von Befragungsergebnissen unter 149 Schäfereibetrieben in Baden-Württemberg zeigt, dass viele Betrieben den Konflikt noch unterschätzen. Andere sind aufgrund mangelnder Zeit, Arbeitskraft und Ökonomie nicht in der Lage, ihre Tiere ausreichend vor dem Wolf zu schützen. Das alarmiert, denn wenn Wölfe lernen, dass Weidetiere eine leichte Beute sind, werden die Schäden massiv zunehmen. Daher ist es so wichtig, dass alle Tierhalter – insbesondere auch die Hobby- und Nebenerwerbsbetriebe – bestmöglichen Herdenschutz betreiben, passiv durch wolfssichere Zäune und, wo machbar, aktiv durch Herdenschutzhunde.

Rund 8.000 € pro Wolf und Jahr

8,04 Mio. € sind in Deutschland im Jahr 2019 in die Schadensvorbeugung geflossen, bilanzierte die Bundesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion. Erheblich geringer setzt die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) im selben Jahr die Ausgleichszahlungen für Wolfsschäden mit 418.000 € an. Zusammen mit 220.000 € Kosten für das DBBW pro Jahr errechneteagrarheute , dass jeder Wolf in Deutschland 7.000 bis 9.000 € koste. Ein Aufreger? Sicher nicht, wenn man diese Kosten in Relation zu anderen Aufwendungen der öffentlichen Hand setzt, die Argumente für den Schutz der Biodiversität ernst nimmt und ökologische Wirkungen des Wolfes auf die Populationsdynamik von Reh und Wildschwein und die Waldverjüngung sieht. Vor allem: Eine regionale Bejagung des Wolfes, wie die Bundeslandwirtschaftsministerin fordert, ist europarechtlich unzulässig, wohl aber die Entnahme von Problemwölfen.

Sündenbock für fehlende Wertschätzung

Wahlkampf mit „alternativen Fakten“? Die Ministerin lenkt davon ab, dass sie selbst es mit einer reflektierten und zielorientierten Agrarpolitik in den Händen hätte, durch eine der gesellschaftlichen Leistung der Weidetierhaltung adäquaten Förderung das Akzeptanzproblem für den Wolf zu entschärfen. Denn der Wolf ist nur der letzte Tropfen, welcher das Fass zum Überlaufen bringt: Auch ohne die durch ihn verursachten, wirklich ernst zu nehmenden Probleme sind nahezu alle Weidetierhaltungen ökonomisch defizitär. Hier muss die Politik ansetzen, um das Problem Wolf zu lösen! Schade, dass mit der ab 2023 greifenden und kürzlich in Brüssel und Berlin im groben Rahmen festgezurrten neuen Agrarförderperiode wieder eine Chance hierzu vergeben wurde. In der laufenden heißen Phase des Bundestagswahlkampfes spielt das Thema Landwirtschaft, obwohl gut die Hälfte der Bundesfläche betreffend, leider kaum eine Rolle, wie die Biodiversitätskrise und selbst die Klimakrise auch. Das ist echt deprimierend!

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1 Kommentare
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  • User_MTU5MTIyOA 13.09.2021 21:34
    Als ich vor 40 Jahren mein Biologiestudium begonnen habe, hätte ich es mir nicht träumen lassen, dass Wölfe wieder heimisch werden in unserem Land - auch, wenn ich mir das damals gewünscht habe. Es ist ein großer Erfolg des Artenschutzes, dass diese Tierart unter strengen Schutz gestellt wurde. Soweit das Positive. Dass sich sich bestimmte Gruppen, insbesondere Jäger, populistisch zu Wort melden und Ängste schüren, verwundert nicht wirklich. Es geht um Macht und Geld, nicht um Veränderung. Wie schön, dass es inzwischen auch Schäfer gibt, die sich mit dem Wolf arrangieren und mit dem Wolf in Nachbarschaft leben möchten. Fest steht für mich: Betroffenen muss unbürokratisch und schnell geholfen werden. Und die nicht direkt Betroffenen müssen bereit sein, die Mehrkosten mitzutragen. Sonst wird das nichts. Dr. Heinz Schmid, Much
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