
Naturschutzfinanzierung auf der Kippe
Die Ereignisdichte nimmt auch in Brüssel nicht ab, auch wenn sie von den geopolitischen Verschiebungen überlagert wird. Die Debatten rund um den im Sommer erwarteten Vorschlag zum EU-Haushalt nach 2027 intensivieren sich. Die Zukunft der EU-Naturschutzfinanzierung sieht dabei nicht gerade rosig aus.
von Lukas Traup erschienen am 02.05.2025Mini-Revolution des EU-Haushalts
Die drastischen geopolitischen Verschiebungen, die wirtschaftliche Schieflage vieler EU-Mitgliedstaaten, die Veruntreuung von EU-Geldern, allen voran in Ungarn, sowie einige strukturelle Defizite haben den seit Jahren bestehenden Druck auf die derzeitige EU-Haushaltsstruktur an einen Wendepunkt gebracht. Schon in der NUL-Ausgabe vom Dezember hatte ich über die Überlegungen der EU-Kommission geschrieben. Jetzt scheint klar zu werden: Von der Leyen macht ernst, und dem EU-Haushalt steht eine drastische Reform bevor. Vielfach ist sogar von einer „Mini-Revolution“ die Rede. Ob diese Revolution auch eine revolutionäre Verbesserung in Bezug auf Naturschutzfinanzierung und den Abbau schädlicher Subventionen mit sich bringt, bleibt fraglich.
Kürzlich veröffentlichte Leaks sowie die Kommunikation der Kommission machen deutlich: Der neue Haushalt soll drastisch vereinfacht und flexibilisiert werden. Anstatt eines programmbezogenen Ansatzes soll sich der Mittelabfluss an übergeordneten EU-Politikzielen orientieren und an die Performance der Mitgliedstaaten in deren Zielerreichung gekoppelt werden. Statt der rund 530 Fonds des aktuellen Haushalts soll es – neben 27 nationalen Ausgabeplänen, die den Großteil des EU-Budgets abdecken – nur noch etwas mehr als eine Handvoll Fonds geben, darunter ein Fonds für Wettbewerbsfähigkeit.
Der NABU wie auch andere zivilgesellschaftliche Organisationen sehen in diesem neuen Ansatz neben Risiken auch im Grundsatz deutliche Chancen. Wäre die Auszahlung von EU-Subventionen an das Erreichen übergeordneter Ziele – wie beispielsweise der Ziele der Biodiversitätsstrategie – geknüpft, so wäre eine effektivere Mittelverwendung, die auch dem Naturschutz zugutekommt, wahrscheinlich. Dafür müssten jedoch die Rahmenbedingungen stimmen – allen voran eine umfassende Überwachung von Zielen und Zwischenzielen sowie die konsequente Vermeidung schädlicher Subventionen. Bei Nichteinhaltung müsste ein schneller und unbürokratischer Rückhalt von EU-Subventionen erfolgen.
Sollte dies nicht geschehen, hätte die mit dem Ansatz einhergehende Flexibilisierung für die Mitgliedstaaten wohl den gegenteiligen Effekt: Die EU-Kommission gäbe Kontrolle ab, und das Ambitionsniveau im Natur- und Klimaschutz in der EU würde weiter absinken. Ähnliches hat sich in der Vergangenheit mit Blick auf die GAP bewahrheitet.
Schwindende Hoffnung für Naturschutzfinanzierung
Im Rahmen der Debatte zeichnete sich kürzlich zudem ab, dass das LIFE-Programm – als einziger Haushaltsposten ausschließlich für Natur- und Klimaschutz – voraussichtlich ebenfalls von der Reform betroffen sein wird. Derzeit sieht es so aus, als wolle die Kommission die bisherigen Budgets des Programms aufteilen, wobei die Klimakomponente in den Wettbewerbsfonds einfließen und der Biodiversitätsteil in die 27 nationalen Pläne integriert werden soll.
Das würde das Aus für die derzeitige direkte Managementstruktur bedeuten, die vielfach entscheidend für den Erfolg des Programms war. Der NABU sowie die EU-Dachverbände setzen sich – angesichts der immensen Erfolge, die das Programm EU-weit erzielen konnte – für dessen Fortbestehen in der derzeitigen Struktur ein. Der Druck, den konservative Abgeordnete derzeit im Parlament auf das Programm ausüben, macht ein Fortbestehen jedoch nicht wahrscheinlicher – dazu mehr im letzten Abschnitt.
Mit Blick auf die Agrarpolitik schien durch die Reform zunächst ein Aufbrechen der derzeitigen GAP-Struktur, insbesondere der schädlichen Direktzahlungen, möglich. Abgesehen von COPA, dem EU-Dachverband des DBV, haben diese in Brüssel kaum noch Befürworter. Die aktuelle Debatte zeigt jedoch in eine andere Richtung: Derzeit scheint es, als würde die erste Säule der GAP als wohl einziger Fonds eine Sonderbehandlung erfahren.
Alle Bauernverbände – ob ökologisch, konventionell oder für Kleinbauern – sprechen sich für ein weiterhin eigenständiges GAP-Budget aus. Offensichtlich um zu verhindern, dass das Agrarbudget als solches schrumpft oder über die 27 nationalen Pläne zu stark in die Hände der Mitgliedstaaten fällt – mit ähnlichen Risiken. Die EU-Agrarminister folgen diesem Kurs. Als Folge lässt sich ein Fortschreiten bisheriger agrarpolitischer Trends, gekoppelt mit weiterer Flexibilisierung auf nationaler Ebene, voraussehen. Das Pariser Forschungsinstitut IDRI prognostizierte daher bereits ein weiteres Absinken der Natur- und Umweltschutzstandards in der Landwirtschaft.
Quo Vadis, Agrar- & Ernährungspolitik?
Trotz der scheinbar unmöglichen Reformierbarkeit der EU-Agrarpolitik wurde im Rahmen der diesjährigen Konferenz des Forum for the Future of Agriculture deutlich, dass nicht alle Akteure des Sektors für ein Festhalten am Status quo mit rein kosmetischen Änderungen eintreten. Die Konferenz bringt eine Reihe interessanter Akteure aus dem Sektor zusammen, die auch außerhalb des Events im Rahmen eines Konsortiums im Austausch stehen – darunter Vertreter der Ernährungs- und Agrarindustrie sowie Naturschutzorganisationen und Landbesitzerverbände.
Auf der Konferenz betonten Jörg-Andreas Krüger, NABU-Präsident, sowie Jürgen Tack, Geschäftsführer der Europäischen Landbesitzerorganisation (ELO), übereinstimmend die Notwendigkeit, GAP-Zahlungen konsequent an messbare Leistungen zu koppeln. Die derzeitige Mittelvergabe nach pauschalen Kriterien – etwa der Betriebsgröße – wurde einhellig als ineffizient und kontraproduktiv kritisiert, selbst von Industrievertretern, die sie als innovationsfeindlich infrage stellten.
Auch eine Umverteilung der Direktzahlungen nach sozioökonomischer Bedürftigkeit, wie sie von Teilen der Bauernverbände gefordert und im Strategiedokument von Agrarkommissar Christophe Hansen skizziert wird, wurde kritisch gesehen. Nur weil ein Betrieb klein oder „bedürftig“ ist, bedeutet das nicht, dass er nachhaltiger wirtschaftet. Vielmehr sollten Betriebe nur dann öffentlich honoriert werden, wenn sie erfolgreich im Sinne des Umwelt- und Naturschutzes wirtschaften und entsprechende Gemeinwohlleistungen erbringen – Leistungen, die im aktuellen Ernährungssystem kaum gewürdigt werden.
Vor dem Hintergrund der Reform des EU-Haushalts wäre die konsequente Umsetzung eines solchen an der Betriebsperformance ausgerichteten Subventionsmodells besonders passend und böte enorme Chancen – sofern die eingangs genannten Rahmenbedingungen erfüllt sind.
Dass jedoch eine bloße Umverteilung von Subventionen nicht ausreicht, sondern vielmehr eine strukturelle Verschiebung unserer Ernährungsgewohnheiten hin zu weniger Fleisch und mehr pflanzlichen Eiweißen nötig wäre, war auf der Konferenz hingegen kein Konsens. Krügers Verweis darauf wurde – trotz Beteiligung von Akteuren der Ernährungsindustrie und obwohl es ein zentrales Ergebnis des viel gelobten Strategiedialogs zur Zukunft der EU-Landwirtschaft unter Leitung Strohschneiders war – nicht aufgegriffen. Hier zeigt sich, wie unterrepräsentiert dieses Thema in der EU-Debatte weiterhin ist. Angesichts des Gegenwinds, dem sich die EU-Kommission bereits in der letzten Legislaturperiode gegenübersah, ist es leider unwahrscheinlich, dass Agrarkommissar Hansen das Thema prioritär behandeln wird.
Konservativer Feldzug gegen die Zivilgesellschaft
Die Diskussion um den zukünftigen EU-Haushalt fällt mit einer zunehmenden Politisierung der Frage zusammen, welche Rolle zivilgesellschaftliche Organisationen in der europäischen Entscheidungsfindung spielen sollen – und dürfen. Aktuell debattiert das Europäische Parlament über die Rechtmäßigkeit von NGO-Förderungen, insbesondere im Rahmen des LIFE-Programms. Konservative und rechte Fraktionen – insbesondere aus EVP und EKR – werfen Umweltverbänden vor, EU-Mittel für Lobbyarbeit einzusetzen und damit den demokratischen Prozess zu untergraben.
Im Mittelpunkt steht der sogenannte Operating Grant. Dieser unterstützt jährlich die Grundfinanzierung europäischer Umwelt-NGOs. Die Zuschüsse dienen dazu, unabhängige, nicht gewinnorientierte Organisationen in ihrer strukturellen Arbeit zu stärken. So ermöglicht die Kommission zivilgesellschaftlichen Akteuren, auf europäischer Ebene Einfluss zu nehmen und Bürgerinteressen zu vertreten – gerade dort, wo finanzstarke Lobbygruppen dominieren und zivilgesellschaftliche Organisationen deutlich geringere Ressourcen haben.
Die Kampagne wurde von Abgeordneten der EVP angeführt und unterfüttert von rechten bis rechtsradikalen Parlamentsmitgliedern – offenbar, um ihnen gegenüber kritische Stimmen zu unterbinden. Besonders die CSU-Abgeordnete Monika Hohlmeier machte mit Behauptungen auf sich aufmerksam, wie die Kommission habe NGOs beauftragt, Massenproteste gegen Mercosur zu organisieren oder rechtliche Verfahren gegen Landwirte, Behörden und Unternehmen einzuleiten – Behauptungen, die kurz darauf von Politico widerlegt wurden.
Mit knappen 41 zu 40 Stimmen scheiterte die Abstimmung im Umweltausschuss zur Zukunft des Programms glücklicherweise – obwohl die EVP-Führung offenbar mehrere ständige Mitglieder des Ausschusses durch stellvertretende Mitglieder ersetzt hatte, deren Zustimmung zur Parteilinie als sicherer galt. Eine gängige Praxis, wie interne Dokumente kürzlich zeigten.
„Democracy relies on participation“, kommentierte BirdLife-Direktor Ariel Brunner treffend. Wer diese Beteiligung unterbinden will, schwächt das demokratische Fundament der EU – und stärkt jene, die ohnehin durch Geld und Macht dominieren. Leider ist mit der Debatte, trotz der gescheiterten Abstimmung, der Schaden wohl bereits angerichtet. Falls LIFE die Haushaltsreform übersteht, werden die Operating Grants wohl kaum erhalten bleiben. Die Brüsseler Umweltverbände müssen ihre Finanzierung bis dahin anderweitig sichern.
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