Vernetzung und Kooperation ehrenamtlicher und akademischer Forschung im Rahmen des nationalen Biodiversitätsmonitorings
Von Nike Sommerwerk, Jonas Geschke, Rainer Schliep, Jens Esser, Falko Glöckler, Hans-Peter Grossart, Ralf Hand, Sarah Kiefer, Sophia Kimmig, André Koch, Elisabeth Kühn, Neele Larondelle, Gerlind Lehmann, Stefan Munzinger, Thomas Rödl, Doreen Werner, Magnus Wessel und Katrin Vohland
Eingereicht am 12. 07. 2020, angenommen am 10. 03. 2021
Abstracts
Die systematische Erfassung und Analyse von Biodiversitätsdaten und Ökosystemleistungen ist unerlässlich. Sie trägt zum Verständnis von Ursachen des Biodiversitätsverlusts bei und wird zur Analyse von Trends sowie zur Evaluierung von Interventionsmaßnahmen und politischen Strategien benötigt. Ehrenamtliche Datenerhebungen und wissenschaftliche Analysen spielen bereits seit Jahrzehnten eine tragende Rolle bei der behördlichen Berichterstattung. In diesem Artikel diskutieren wir, welche Schwachstellen und Optimierungsmöglichkeiten dabei in der Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlicher und akademischer Forschung existieren. Eine effiziente und vertrauensvolle Zusammenarbeit an dieser Schnittstelle ist von grundlegender Bedeutung, insbesondere, wenn die auf freiwilliger Basis erhobenen Daten in der akademischen Forschung zu Biodiversität und Naturschutz genutzt werden sollen. Wir stellen zentrale Handlungsfelder und konkrete, praxisrelevante Maßnahmen vor, die wesentlich zur Verbesserung dieser Zusammenarbeit und dem Gelingen des nationalen Biodiversitätsmonitorings beitragen können. Dazu gehören ein gemeinsames Verständnis und Koordination des nationalen Biodiversitätsmonitorings, die Bereitstellung von Ressourcen zur Unterstützung nicht akademischer Forschung, Dateninfrastrukturen und Visualisierungstools, aber auch Bildungsanstrengungen zum Beispiel in Vereinen und Schulen. Networking and cooperation of voluntary and academic research within the framework of national biodiversity monitoring – challenges and solution strategies
The systematic collection and analysis of biodiversity data and ecosystem services is essential. It contributes to the understanding of the causes of biodiversity loss and is needed to analyse trends and evaluate intervention measures and policies. Data collection by volunteers and scientific analyses have played a key role in government reporting for decades. In this article, we discuss weaknesses in the cooperation between volunteers and formal academic research as well as opportunities for improvement. Efficient and trustworthy cooperation at this interface is fundamentally important, especially if data collected on a voluntary basis are to be used in academic research on biodiversity and conservation. We present key fields of action and specific, practice-relevant measures that can contribute significantly to improving this cooperation and the success of national biodiversity monitoring. This includes common understanding and coordination of national biodiversity monitoring, the provision of resources for the support of volunteers, data infrastructure and visualisation tools as well as educational efforts e.g. in associations and schools.
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1 Einleitung
Der massive Rückgang der biologischen Vielfalt weltweit gefährdet nicht nur die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen, sondern steht auch den globalen Nachhaltigkeitszielen entgegen (IPBES 2019, UN 2015). In Europa weisen 27 % der bewerteten Arten und 66 % der Lebensraumtypen einen „unbefriedigenden Erhaltungszustand“ auf; bei 42 % der bekannten terrestrischen Tier- und Pflanzenarten ist im vergangenen Jahrzehnt ein Rückgang der Populationsgrößen nachgewiesen worden (BMU 2018, Seibold et al. 2019). Erschwerend kommt hinzu, dass immense Wissenslücken bestehen und die Bestände vieler Arten bestenfalls grob geschätzt werden können (Costello et al. 2013, Edie et al. 2017, IPBES 2018, Pimm et al. 2014). Eine Ausweitung auf artenreiche, wenig bearbeitete Taxa – gerade auch in der akademischen Forschung – und eine bessere Gefährdungsbewertung in diesem Bereich, ist wünschenswert und wäre zielführend, um diesen Wissenslücken zu begegnen. Die Erfassung der biologischen Vielfalt (nachfolgend „Biodiversität“) und die Analyse der Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt sind zentral für das Verständnis von Ursachen, Einflussfaktoren und Mechanismen, die zum Verlust von Biodiversität beitragen, sowie für die Entwicklung, Umsetzung und Kontrolle von Naturschutz- und Kommunikationsstrategien und Forschungsprogrammen zum Schutz der Biodiversität.
Bei der Erfassung und Analyse von Biodiversitätsdaten und Ökosystemleistungen, der Entwicklung von Forschungsfragen und in der angewandten Forschung leistet ehrenamtliches Engagement einen wichtigen Beitrag. Ehrenamtliches Engagement wird im Kontext wissenschaftlicher Tätigkeiten „Bürgerforschung“ oder „Citizen Science“ genannt. Bei diesem Ansatz steht das gemeinsame Forschen mit Akteuren aus der Zivilgesellschaft im Vordergrund. Ehrenamtliche Datenerhebungen sowie deren Auswertung und Analysen werden seit Jahrzehnten für die behördliche Berichterstattung und die allgemeine Biodiversitäts- und Naturschutzforschung genutzt (zum Beispiel BfN 2017, Bonn et al. 2016 a, Schmeller et al. 2009, Sudfeldt et al. 2012). Auch zoologische und botanische Fachgesellschaften sowie Umweltverbände sind auf ehrenamtliches Engagement angewiesen.
Deutschland hat trotz einiger vielversprechender Ansätze (Geschke et al. 2019) und einiger Positivbeispiele aus der Bürgerforschung (siehe Abschnitt 3) bisher weder ein standardisiertes und systematisches, national umfassendes System zur Erfassung und Auswertung von Biodiversitätsdaten (nachfolgend „BM“ für Biodiversitätsmonitoring) noch zur Stärkung nicht akademischer, ehrenamtlicher Forschung etabliert.
Auf Grundlage der Ergebnisse eines Workshops im Dezember 2018 diskutieren wir in diesem Artikel, welche Schwachstellen und Optimierungsmöglichkeiten in der Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlicher und akademischer Forschung in Bezug auf das BM existieren. Der Workshop brachte rund 45 Teilnehmende der ehrenamtlichen – Verbände, Projekte, Fachgesellschaften, Vereine, nichtstaatliche Umwelt- und Naturschutzorganisationen – und akademischen Forschung – Universitäten, Forschungsinstitute, -museen und -netzwerke – mit dem Ziel zusammen, Interessen und Motivationen verschiedener ehrenamtlicher Akteure und der Bürgerforschung im Bereich BM zu beleuchten. Ein Kurzbericht zum Workshop inklusive Informationen zu den Veranstaltern ist unter https://www.researchgate.net/publication/332013698_Nationales_Biodiversitatsmonitoring_Vernetzung_ehrenamtlicher_und_akademischer_Biodiversitatsforschung_in_Deutschland abrufbar. Wir stellen drei als zentral identifizierte Handlungsfelder vor (Abschnitte 4.1 bis 4.3), die zur Verbesserung der Zusammenarbeit beitragen können.
Eine gelungene Einbindung der Bürgerforschung in ein BM kann dafür sorgen, nicht nur die Transparenz von Forschungsansätzen zu gewährleisten und die gegenseitige Anerkennung zwischen Wissenschaft und Ehrenamt zu steigern, sondern auch die gesellschaftliche Wertschätzung der Biodiversität und das Verständnis wissenschaftlicher Ansätze und Methoden zu stärken. So können – basierend auf einem breiten Spektrum ökologischer Expertise und verschiedener Blickwinkel auf Natur – Forschungsergebnisse besser verstanden und eingeordnet und angewandte Lösungen für Umweltprobleme gefunden werden.
2 Problemfelder bei der Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlicher und akademischer Forschung
2.1 Wertschätzung und Kommunikation
Der oftmals gebrauchte Ausdruck „Arbeiten auf Augenhöhe“ zur Beschreibung der Beteiligung von Bürgerforschenden am BM hat in der Wahrnehmung der Bürgerforschung oft Floskelcharakter (siehe auch Abschnitt 2.3 und 3). Häufig vermissen Bürgerforschende eine angemessene Wertschätzung ihres ehrenamtlichen Engagements und der Ergebnisse ihrer Tätigkeit und nehmen die Weiterverwendung der von ihnen erhobenen Daten und erarbeiteten Forschungsergebnisse als intransparent wahr. So entsteht teilweise der Eindruck, dass Bürgerforschende einseitig Daten für ein BM liefern, darüber hinaus aber nicht weiter beteiligt werden (etwa an der Analyse und Bewertung der Daten oder bei der Ableitung geeigneter Maßnahmen). Aufgrund befristeter Projekte wechselnde Ansprechpartnerinnen und -partner würden zudem die Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlichen Strukturen und akademischer Forschung erschweren (siehe aber auch Abschnitt 3).
Gerade in jüngster Vergangenheit ist es der ehrenamtlichen Naturforschung jedoch gelungen, große Aufmerksamkeit für ihre Ergebnisse zu erzielen und den politischen Diskurs dadurch maßgeblich mitzuprägen (Fritz et al. 2019), zum Beispiel mit der Krefelder Studie zum Insektenrückgang (Hallmann et al. 2017).
2.2 Verständnis des Begriffs „nationales Biodiversitätsmonitoring“
Aufgrund einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag zur 19. Legislaturperiode (2017 bis 2021) ist ein nationales Zentrum für BM zu etablieren (Bundesregierung 2018). Seine Einrichtung wurde im Januar 2021 vom Kabinett beschlossen (https://www.bmu.de/pressemitteilung/bundesregierung-beschliesst-einrichtung-des-nationalen-monitoringzentrums-zur-biodiversitaet/). Unter BM wird die regelmäßig wiederholte Erfassung des Zustands der Biodiversität sowie wesentlicher anthropogener Treiber des Biodiversitätsverlustes zum Abgleich mit Referenz-, Ziel- und Grenzwerten sowie zur Analyse von Veränderungen und Entwicklungstendenzen verstanden – auch zum Zweck der Wirkungskontrolle für politische Strategien und entsprechende Maßnahmen (erweitert in Anlehnung an Hellawell 1991 und Dröschmeister 1996). Eine einheitliche Definition existiert aktuell nicht.
Forschungsprojekte und Gutachterbüros erfassen zumeist nur ausgewählte Komponenten der Biodiversität an einzelnen Standorten, oft mit abweichenden Methoden, Aufwand und Zielsetzungen. Für die nationale Ebene hingegen ist ein „umfassendes“, in der Fläche breit angelegtes und deutschlandweit repräsentatives BM erforderlich (BMUB 2015, siehe auch BfN – https://www.bfn.de/themen/monitoring.html – und CBD – https://www.cbd.int/indicators/). Voraussetzung hierfür ist strukturelle Kontinuität, damit das langfristige Monitoring trotz eines möglichen Wegfalls einzelner Mitwirkender gewährleistet bleibt. Der dauerhafte Bestand akademischer Institute kann hier Vorteile bieten. Monitoring ist nicht das einzige Verfahren zum Sammeln aussagekräftiger Biodiversitätsdaten. Zur Dokumentation von Biodiversität und zur Erhebung forschungs- und naturschutzrelevanter Daten können zum Beispiel auch Massendaten aus großen Mitmachprojekten oder experimentelle Daten dienen (siehe etwa Ott und Munzinger 2017, Wahl und Sudfeldt 2010).
2.3 Heterogenität der ehrenamtlich Tätigen
Auch wenn unterschiedliche Bezeichnungen wie „Ehrenamtliche“, „Laien-, Freizeit-, Bürgerforschende“ oder „Freiwillige“ für die in der Bürgerforschung Engagierten verwendet werden, spiegeln alle diese Begriffe die Vielfältigkeit der Bürgerforschenden hinsichtlich Expertise, Kompetenz, Organisationsgrad und zeitlicher Kapazitäten nur unzureichend wider (zum Beispiel Eitzel et al. 2017). Hoffman et al. (2019) schlagen zwar die Bezeichnungen „freiwilliges Engagement“ oder „bürgerschaftliches Engagement“ vor, da sie weiter gefasst sind und keinen dezidierten Organisationsbezug aufweisen; es herrscht aber derzeit noch Uneinigkeit über eine zutreffende Begrifflichkeit.
Das Engagement vieler Ehrenamtlicher wie auch der Mitarbeitenden in Museen und Universitäten, beruht auf Neugier, Begeisterung und Freiwilligkeit. Eine verbindliche Verpflichtung wird – wenn überhaupt – bewusst nur für eine gewisse Zeit eingegangen (siehe auch Abschnitt 2.5 und Box 1). Der Anreiz, in Gemeinschaft mit anderen gleich Interessierten Zeit zu verbringen, gegenseitige Hilfe bei Fragen zu leisten, etwas Substanzielles zum Naturschutz beizutragen oder einfach „nur“ mitzumachen und Spaß an der Sache zu haben, wiegt als intrinsische Motivation häufig höher als ein anlassbezogenes Honorar oder Aufwandsentschädigungen (Schwandner 2015, Wahl und Sudfeldt 2010). Andere wiederum wünschen sich, stärker von Forschungsfragen inspiriert zu werden oder im wissenschaftlichen Prozess mitzuarbeiten. Sie richten die deutliche Erwartung an die akademische Forschung, dafür AnsprechpartnerInnen mit entsprechendem Mandat zu benennen, die kontinuierlich Unterstützung leisten können (Bonn et al. 2016 b).
Bürgerforschende nehmen ihre Arbeit häufig als einseitig und unbefriedigend war, wenn keine Informationen aus den Projekten an sie zurückfließen oder wenn die Verwendung ihrer Daten nicht transparent kommuniziert und gemeinschaftlich entschieden wird. Eine unentgeltliche Bereitstellung von Daten für formale Verfahren (etwa im Bereich von Genehmigungsverfahren oder gesetzlich begründeten, staatlichen Pflichtaufgaben des BM) wird durch Bürgerforschende überwiegend abgelehnt.
Verortet man verschiedene Akteure der Bürgerforschung in den Dimensionen „Organisationsgrad“ und „Expertise“ zeigt sich, dass Verbände und deren Fachgruppen zumeist in ausdifferenzierten Strukturen organisiert sind und über eine hohe Expertise verfügen. Fachgesellschaften hingegen sind unabhängig, der Organisationsgrad und die Expertise ihrer Mitglieder sind vergleichbar mit denen von Verbänden und Fachgruppen. Projekte der Bürgerforschung weisen im Allgemeinen einen viel niedrigeren Organisationsgrad auf. Die Expertise der Bürgerforschenden, die keiner Fachgesellschaft, keinem Verband, Projekt oder Verein angehören, erstreckt sich über ein breites Spektrum.
2.4 Sorgen um (akademischen) Artenkenner-Nachwuchs
Europaweit fehlt es zunehmend an ausgebildetem Nachwuchs in der Arten-Systematik (Frobel und Schlumprecht 2016, Grünwald et al. 2015). Die Vermittlung von Artenkenntnissen nimmt in der schulischen und außerschulischen Ausbildung immer weniger Raum ein (Gerl und Urbasik 2019; siehe auch die Ausführungen im Online-Supplement unter Webcode NuL2231 ). Systematisch-taxonomische Ansätze im Lehrplan naturwissenschaftlicher Fächer werden immer weiter zugunsten der Einbindung moderner Methoden reduziert. Systematikprofessuren und Kuratorenstellen an Naturkundemuseen werden oft umgewidmet oder nicht nachbesetzt. Stellen für artenreiche, wenig bearbeitete Taxa mit „Erstbearbeitungsbedarf“ fehlen weitestgehend. Obwohl dadurch der Eindruck entsteht, taxonomische Arbeit sei nicht notwendig und berufliche Perspektiven in der Systematik und Taxonomie würden wegfallen, haben Studienabgänger mit solider Artenkenntnis auf dem Arbeitsmarkt etwa in Planungsbüros, Behörden zurzeit sehr gute Chancen. Daneben bieten aktuell Fachgesellschaften, Verbände, Naturkundemuseen, zoologische und botanische Gärten Expertise und Berufsaussichten in diesem Bereich an. Nichtsdestotrotz verschwindet das taxonomische Fachwissen zusehends aus der Bildungslandschaft, nicht nur in Deutschland (dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/109/1810971.pdf; siehe auch Box 1). Dabei könnte das Interesse der Schülerinnen und Schüler im Unterricht auf eine unkomplizierte Art nicht nur auf die Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten gelenkt werden, sondern auch auf die Vielfalt an Lebensräumen und Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklung von Populationen. Gerade das Heranführen von Kindern und Jugendlichen an Naturthemen, die Entwicklung für das Bewusstsein für Werterhaltungen sowie die Förderung von Handlungsbereitschaft sind elementare Voraussetzungen, die im jungen Menschen für das Handeln im Erwachsenenalter geprägt werden (Sturm und Berthold 2015). Vor dem Hintergrund des schwindenden Naturbezugs von Kindern und Jugendlichen gilt es, das Interesse für Biodiversität in dieser Altersgruppe wieder zu wecken und Kompetenzen zu fördern. In diesem Kontext ist der Verweis auf vorhandene Ausbildungsstrukturen der Naturschutzakademien und auf Angebote von Umweltstationen von Bedeutung. Deren Bestimmungskurse werden in der Regel gut besucht, oft jedoch nur, wenn keine Kosten für die Teilnehmenden entstehen. Auch stehen mittlerweile viele didaktisch wertvoll gestaltete digitale, interaktive Tools und Foren als niedrigschwelliges Angebot bereit und lassen sich vermitteln, teils sogar ohne dass die unterrichtende Lehrkraft selbst ein tief fundiertes taxonomisches Wissen benötigt (Gerl et al. 2017).
2.5 Veränderungen des Engagements
Obwohl die Zahl ehrenamtlich Engagierter in Deutschland seit Jahren zunimmt (im Umwelt- und Naturschutz sind in 45 % der Vereine die Mitgliederzahlen gestiegen, auch die Zahl eingetragener Vereine steigt), nimmt gleichzeitig die Bereitschaft ab, dauerhaft ehrenamtliche Verantwortung, feste Aufgaben und Funktionen zu übernehmen (Priemer et al. 2017, Simonson et al. 2016, siehe auch Box 1). Hintergrund sind unter anderem eine veränderte Altersstruktur, die starke Individualisierung der Gesellschaft, höhere berufliche Anforderungen und eine zunehmende Pluralisierung der Lebensstile. Während sich die Engagementquote junger Menschen, das heißt ihr regelmäßiges oder gelegentliches Engagement, zwischen 1999 und 2014 erhöht hat, ist die insgesamt für das Engagement aufgewendete Zeit zurückgegangen (Simonson et al. 2016). Auch nimmt die Zahl jener Engagierter zu, die individuell, das heißt ohne Anbindung an eine Organisation tätig werden (Priemer et al. 2017). Diese Trends wirken sich im Bereich BM, insbesondere auch für Neueinsteiger, nachteilig aus, da hier oft Kontinuität, hoher zeitlicher Einsatz, Fachwissen und langjährige Erfahrung benötigt werden – Aspekte, die oft mit aktuellen Lebensumständen nicht vereinbar sind. Gelingende Bürgerforschung im BM erfordert modernere Personalstrukturen und Arbeitsweisen, um die genannten Nachteile zu kompensieren (siehe auch Abschnitt 3 und Box 1).
2.6 Zusammenarbeit im Bereich der Forschungsförderung
Bei der Antragstellung von Projekten gibt es seitens der Bürgerforschung Unterstützungsbedarf durch die akademische Forschung. Zudem fehlt zumeist eine der akademischen Forschungsförderung gleichrangige finanzielle wie strukturelle Unterstützung der ehrenamtlichen Forschung wie auch des Ehrenamtsmanagements.
3 Wie gelingen Bürgerforschungsprojekte? Positivbeispiele aus dem BM
Es gibt bereits einige gut etablierte, zum Teil sehr langfristige, aber auch ausbaufähige Projekte an der Schnittstelle von Bürgerforschung und BM, die wir im Folgenden beispielhaft, stellvertretend für viele andere, vorstellen wollen.
Es zeigt sich, dass das Gelingen konkreter Bürgerforschungsprojekte im Wesentlichen von einer guten, kontinuierlichen Begleitung und Koordination der Teilnehmenden sowie einer transparenten Datenverarbeitung abhängt (BUND 2018). Diese Aspekte werden beispielsweise in den von DDA (Dachverband Deutscher Avifaunisten e.V.), BfN und den jeweiligen Länderkoordinatoren koordinierten Vogelmonitoring-Programmen erfolgreich umgesetzt. Zahlreiche ehrenamtliche Ornithologinnen und Ornithologen erheben Daten zu Vorkommen und Dichte von Brutvögeln auf einer repräsentativen Flächenstichprobe. Standardisierte Methoden, entsprechende Schulungen, zum Teil individuelle Betreuung und eine fachliche Kontrolle der Daten gewährleisten eine hohe Datenqualität und schaffen über diese Programme eine unverzichtbare Datengrundlage für Trendanalysen und Berichtspflichten der Regierungen (Sudfeldt et al. 2012). Im Falle der Wasservogelzählungen reichen Daten bis zu 50 Jahre zurück, zu denen einzelne Personen oft langfristig, das heißt über zehn bis 20 Jahre, beitragen. Ein weiteres sehr erfolgreiches Projekt ist das „Tagfalter-Monitoring Deutschland“ (TDM, https://www.ufz.de/tagfalter-monitoring), in dem sich bereits seit rund 15 Jahren Bürgerforschende kontinuierlich beteiligen. Es existiert eine Selbstverpflichtung zum verantwortungsbewussten Datenumgang (https://www.ufz.de/tagfalter-monitoring/index.php?de=43378; GfS 2018). Newsletter und Jahresberichte geben regelmäßiges Feedback an die Beteiligten. Entgegen bundesweiter Trends im Engagement beteiligen sich am TDM etwa ein Drittel der Teilnehmenden seit acht Jahren oder länger und geben an, die klaren methodischen Vorgaben und die Routine zu schätzen. Vergleichbar koordinierte und langfristig angelegte Arbeiten werden im Wildkatzenmonitoring (https://www.bund.net/themen/tiere-pflanzen/wildkatze/projekt-wildkatzensprung/freiwilligenarbeit/bilanz/?wc= 22498) und den Forschungsarbeiten zum Gartenschläfer (www.gartenschlaefer.de des BUND e.V.) in Kooperation mit Forschungsgesellschaften und Universitäten mit Förderung durch das Bundesamt für Naturschutz im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt durchgeführt.
Beispielhaft seien auch Bayernflora.de oder Ornitho.de mit allein in Deutschland circa 30.000 registrierten Teilnehmenden genannt. Bei diesen Initiativen bestimmen sogenannte Regionalkoordinatoren Inhalte wesentlich mit und werden in ihrer Tätigkeit von einer Steuerungsgruppe und Fachbeiräten unterstützt. Ähnlich funktioniert das Konzept der „FreiwilligenkoordinatorInnen“, das im Dachverband der Nationalen Naturlandschaften e.V. (ehemals EUROPARC Deutschland e.V.) organisierte Schutzgebiete anbieten. Durch gezielte Koordinierung wird Engagierten unter anderem der Einstieg in Expertennetzwerke erleichtert, um sie nicht mit den hohen zeitlichen und fachlichen Anforderungen allein zu lassen (Schierenberg und Lütkepohl 2019). Jährlich werden dabei mittlerweile rund 3.000 Freiwillige erreicht (www.europarc-deutschland.de/blog/vorhaben/ehrensache-natur). Für eine gelungene Einbindung von Bürgerforschenden in wissenschaftliche Vorhaben kann zudem Mentoring ein entscheidender Erfolgsfaktor sein, da es zusätzlich zur Koordination inhaltliches Coaching sowie Aus- und Weiterbildung ermöglicht. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Ansätzen setzt das soziale Netzwerk naturgucker.de (https://www.naturgucker.de ) erfolgreich auf eine transparente Diskussion kritischer Bestimmungen bei Beobachtungen sowie kritischer Bilder durch die Beobachtergemeinschaft selbst.
Es gibt sogar erfolgreiche länderübergreifende Ansätze. So werden etwa die nationalen Daten der Vogelmonitoring-Programme europaweit in verschiedenen Ländern nach vergleichbaren Standards durchgeführt, die Daten unter anderem vom European Bird Census Council gebündelt und für europaweite Analysen integriert. Beim Projekt „Stadtwildtiere/Wilde Nachbarn“ werden im gesamten deutschsprachigen Raum mithilfe von Bürgerforschenden Meldedaten von Tiersichtungen und zum Beispiel deren Spuren und Kadavern in einer gemeinsamen Datenbank erfasst (https://wildenachbarn.de/projekt/projekt). Das Projekt wird von Unterprojekten durch zusätzliche Aktionen unterstützt und dabei teilweise durch Institutionen, Vereine, Stiftungen und/oder das BMBF finanziert (zum Beispiel www.stadtwildtiere.de; www.izw-berlin.de; www.swild.ch/; https://www.bbib.org/bibs-projekt.html).
Dem zum Teil geänderten Engagementverhalten Bürgerforschender (siehe auch Box 1) wurde in der Konzeption von Portalen einiger Citizen-Science-Initiativen erfolgreich begegnet. Beispielsweise generieren bei https://www.naturgucker.de zwar „Engagierte ohne Bindung“ die Daten, diese sind für das BM allerdings dennoch bedeutsam, da sie eine große Datenfülle mit hoher zeitlicher und räumlicher Kontinuität gewährleisten und eine hilfreiche Unterstützung beim Erstellen von Roten Listen sind (Ott & Munzinger 2017).
Einige Besonderheiten bietet die entomologische Forschung (Forschung zu Insekten/ Insektenkunde): Der Anteil institutioneller Forschung ist in diesem Gebiet im Vergleich zu Bürgerforschenden eher gering und Bürgerforschende arbeiten hier überwiegend autark und ohne Vorgaben, wenn auch in Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegenen der Institutionen. Diese lang etablierte Zusammenarbeit ist zumeist sehr vertrauensvoll.
Insgesamt zeigt sich, dass die Kompatibilität von akademischer Forschung und Bürgerforschung in der Praxis umso besser funktioniert, je selbstkritischer bestehende Regularien und Abläufe – gerade auch von Forschungsinstitutionen gemeinsam mit Akteuren der Bürgerforschung – analysiert und entsprechend angepasst werden. Als zuträglich wird die Stärkung der nichtakademischen, ehrenamtlichen Forschung durch die akademische Forschung wahrgenommen, wenn sie insbesondere in den Aufbau eigenständiger Strukturen jenseits der universitären Einrichtungen und der selbstständigen Bearbeitung eigener Forschungsfragen mündet. Erfahrungswissen und „traditional knowledge“ (https://www.wipo.int/tk/en/tk/) sollten hierbei eingebunden werden.
4 Vorschläge für eine effizientere Kooperation: Angebote aus der akademischen Forschung
Abgesehen von konzeptioneller Beratung der Politik und Verwaltung kann die akademische Forschung durch effiziente Kooperationen auch die Bürgerforschung im BM stärken. Die akademische Forschung könnte mit Koordinationsleistungen und Bereitstellung von Infrastruktur die wichtigen Aspekte Langfristigkeit und Kontinuität unterstützen. Im Folgenden werden weitere zentrale Ansatzpunkte zur Lösung der oben beschriebenen Problemfelder benannt.
4.1 Zugang zu Ressourcen, Literatur und Fortbildungen
Die Bürgerforschung kann durch das gemeinsame Einwerben von öffentlichen Mitteln sowie bei der Beratung und Initiierung neuer Projektideen unterstützt werden. Bei neuen Initiativen gilt es sicherzustellen, dass auch nicht-akademische Partner die Federführung innehaben können. Hier muss die Politik aktiv werden und niedrigschwelligere Antragsverfahren mit längeren Vorlauffristen einführen, um die Zusammenarbeit zwischen Bürgerforschung und akademischer Forschung durch flexiblere Antragsverfahren zu erleichtern.
Zusätzlich können naturkundliche Forschungsmuseen beim Zugang zu Literatur, bei Naturerfahrungs- und Umweltbildungsangeboten sowie beim Aufbau von Expertennetzwerken behilflich sein. Das Engagement für die außerakademische Ausbildung in der Systematik müsste im Wissenschaftsbetrieb (stärker) honoriert werden. Zurzeit sind derartige Befähigungen zumeist kein Bestandteil von Stellenbeschreibungen und Evaluationskriterien.
4.2 Zugang zu Dateninfrastrukturen und Laboren
Im Sinne eines neutralen, ehrlichen Maklers kann die akademische Forschung Verantwortung für verschiedene Phasen des Umgangs mit Daten (Datenerhebung, Meldung und Speicherung, Übertragung, Visualisierung und weitere Nutzungen; s. Bonn et al. 2016 a) übernehmen. Dazu sind unabhängige Datenportale und -repositorien nötigt, die möglichst nach Disziplinen organisiert sein und das Datenmanagement unterstützen sollten (siehe auch Box 2). Entscheidend sind die Verstetigung und Kontinuität der Zusammenarbeit sowie die Kompatibilität der Daten mit internationalen Standards (zum Beispiel Kissling et al. 2018). Es sollten auch versicherungs- und datenschutzrechtliche Standards entwickelt werden, die den Zugang zu Ausrüstung und Laboren für Bürgerforschende klar regeln und damit ermöglichen und erleichtern.
4.3 Entwicklung gemeinsamer Kommunikationsstrategien basierend auf einem geklärten Rollenverständnis
In der Zusammenarbeit zwischen akademischer Forschung, privaten Trägern und Bürgerforschenden sind die verwendeten Begrifflichkeiten und die damit verbundenen Rollen zu klären. So muss transparent definiert werden, (i) was „Kooperation“, „Beteiligung“ und „Zusammenarbeit“ zwischen den Partnern umfasst, (ii) wie die jeweilige Rolle in der Kommunikation ist und (iii) wie konkrete Vorhaben begleitet und in ihrer Qualität gesichert werden. Kommunikationskanäle wie soziale Medien und Blog können bei einer klaren Rollenverteilung gemeinsam genutzt werden, um die breite Öffentlichkeit zu informieren und zu mobilisieren.
5 Schlussfolgerungen
Die Planung und Durchführung von Schnittstellenarbeit im Bereich eines nationalen BMs ist im Spannungsfeld zwischen den vielfältigen Motivationslagen der Bürgerforschung, dem wissenschaftlichen Qualitätsanspruch und der staatlichen Berichtspflicht angesiedelt. Dabei auftretende Probleme infolge mangelnder Vernetzung und Kommunikation lassen sich in der Praxis durch folgende Maßnahmen der jeweils hauptsächlich Verantwortlichen weitgehend vermindern:
Ehrenamtliche und akademische Forschung
1. Schaffung einer einheitlichen und allgemein akzeptierten Definition des Begriffs „nationales BM“,
2. Kommunikation mit und Wertschätzung der Teilnehmenden sowie Berücksichtigung der Vielfältigkeit der Bürgerforschung und der verschiedenen Lebensumstände ehrenamtlich Forschender,
3. Zugang zu Ressourcen wie Datenbanken und Visualisierungstools für Bürgerforschende,
4. Schaffung einer Langfristigkeit der gemeinsamen Forschung und Einrichtung einer übergeordneten Koordination mit klaren Strukturen für die Zusammenarbeit.
Zur effektiven Umsetzung dieser Punkte bedarf es allerdings verbesserter Rahmenbedingungen:
Politik
1. Verankerung von Arten- und Biotopkenntnissen als Bildungsthema an Schulen und Bildungsstätten als Grundlage und elementare Voraussetzung für verantwortungsbewusstes Handeln und Interesse am Biodiversitätsschutz.
2. Verstärkte Investition in die Ausbildung von Nachwuchs im taxonomischen Bereich, in Zusammenarbeit von wissenschaftlichen Einrichtungen, Fachgesellschaften und Verbänden und unterstützt durch lokales Mentoring und regionale Freiwilligenkoordination.
3. Stärkere Förderung der systematisch-taxonomischen Forschung, um dem mangelnden „Erstbearbeitungsstand“ bei vielen Taxa (zum Beispiel Insekten) zu begegnen und elementare Wissenslücken für die Umsetzung eines repräsentativen BMs bezüglich der realen Biodiversität zu schließen
4. Möglichkeiten zur Federführung und Antragsberechtigung Bürgerforschender bei der Forschungsförderung.
5. Investition in Projekte und Stellen für die Umsetzung eines nationalen BMs im Selbstverständnis eines Staatsauftrags zur Erfassung der Biodiversität als Grundlage für ihren Erhalt.
Während es die Aufgabe der Politik ist, die notwendigen Rahmenbedingungen bezüglich struktureller, personeller und finanzieller Kapazitäten, Verstetigung und rechtlicher Ausgestaltung zu schaffen, gibt es zwischen ehrenamtlicher und akademischer Forschung noch Kooperationspotenziale, die weiter zu entwickeln und zu stärken sind, um ein besseres Ineinandergreifen zwischen den Kompetenzen und Interessen der Bürgerforschung und den anstehenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Bereich BM zu erreichen. Besonders dringlich erscheint es vor dem Hintergrund des sich verändernden Engagementverhaltens, langfristige Einsätze im Bereich BM gezielt durch kurze und mittelfristige, aber auch flexible „Hop-on-hop-off“-Beteiligungsmöglichkeiten zu ergänzen (Hoffman et al. 2019; siehe auch Abschnitt 3 und Box 1). Für den sicheren Umgang mit rechtlichen Vorgaben müssen Ansprechpartnerinnen und -partner zur Verfügung stehen, um Hürden für das Engagement zu reduzieren. Zusätzlich können soziale Medien helfen, potenziell Interessierte für ein Engagement zu gewinnen. Der Einsatz moderner Technologien wie Artenerkennungs-Apps hilft, Biodiversität wieder mehr ins Gespräch zu bringen und auch Menschen zu erreichen, die sich sonst nicht in diesem Bereich engagieren würden (Richter 2019). Ein weiterer Ansatz zur Verbesserung der Kommunikation zwischen ehrenamtlicher und akademischer Forschung können auch speziell dafür angelegte Konferenzen und Workshops sein, wie auch die Jahrestagung 2019 der Gesellschaft für Ökologie, ausgetragen unter dem Motto „Science meets practice“, zeigt (https://gfoe.org/de/node/1562). Hinsichtlich der Erosion der Akzeptanz wissenschaftlicher Fakten kann gesteigerte Wertschätzung und Verständnis wissenschaftlicher Methoden und Arbeitsweisen einen wichtigen Beitrag zur Kooperation von Bürgerforschung und akademischer Forschung leisten. Die Menge und Qualität der so erhobenen Daten kann einen hohen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn generieren, was wiederum eine größere Anerkennung und Wertschätzung der Bürgerforschung und damit des bürgerlichen Engagements erwarten lässt. Über eine effiziente Kooperation und Schnittstellenarbeit zwischen Bürger- und akademischer Forschung lässt sich ein Mehrwert für alle Seiten und für die gesamte Gesellschaft erzielen.
Dank
Die Autoren danken Dr. Martin Sorg (Entomologischer Verein Krefeld) für kritische Anmerkungen und hilfreiche Ergänzungen einer vorherigen Version des Manuskripts. Thomas Gerl (Didaktik der Biologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München) sei für zahlreiche Informationen rund um das Projekt BISA100.de gedankt. Nähere Informationen zu dem Workshop, dessen Ergebnisse Grundlage dieses Artikels sind, finden Sie in Abschnitt 1. Wir danken den Teilnehmenden des Workshops für ihre Beiträge und die lebhafte Diskussion. Die Rückmeldungen von zwei anonymen GutachterInnen waren sehr wertvoll.
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Fazit für die Praxis
Um die Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlicher und akademischer Forschung zu verbessern und ein nationales Biodiversitätsmonitoring zum Erfolg zu bringen, können folgende Handlungsoptionen helfen:
- Schaffung einer einheitlichen und allgemein akzeptierten Definition des Begriffs „nationales Biodiversitätsmonitoring“.
- Regelmäßige und transparente Kommunikation und wertschätzender Umgang mit den Teilnehmenden.
- Gezielte Koordinierung von Engagierten, um den Einstieg in Expertennetzwerke zu erleichtern und die hohen zeitlichen wie fachlichen Anforderungen abzufedern, unterstützt durch inhaltliches Coaching sowie Aus- und Weiterbildung im Rahmen von Mentorings.
- Stärkerer Fokus der akademischen taxonomischen Forschung auf artenreiche, wenig bearbeitete Taxa mit besserer Gefährdungsabschätzung, um dem mangelnden „Erstbearbeitungsstand“ zu begegnen und eine bessere Grundlage für die ehrenamtliche Forschung zu schaffen.
- Stärkung der nichtakademischen, ehrenamtlichen Forschung durch die akademische Forschung, insbesondere beim Aufbau eigenständiger Strukturen jenseits der universitären Einrichtungen und bei der selbstständigen Bearbeitung eigener Forschungsfragen.
- Selbstkritische Analyse bestehender Regularien und Abläufe, gerade auch von Forschungsinstitutionen gemeinsam mit Akteuren der Bürgerforschung, und entsprechendes Anpassen bei noch ausbaufähiger Kompatibilität.
- Schaffung einer Langfristigkeit der gemeinsamen Forschung und Einrichtung einer übergeordneten Koordination mit einander wertschätzenden und klaren Strukturen der Zusammenarbeit.
Box 1: Strukturwandel des Ehrenamts
Seit einigen Jahrzehnten wird ein Strukturwandel des Ehrenamts beobachtet, der oft mit den Begriffen „altes“ und „neues“ Ehrenamt beschrieben wird. Idealtypisch wuchs der/die „alte Ehrenamtliche“ aus dem sozialen Milieu in eine Trägerorganisation hinein, in der er/sie sich langfristig für die „gemeinsame Sache“ engagierte. Der/die „neue Ehrenamtliche“ erscheint aus dieser Perspektive „unbequemer“. Vor allem in Ballungsräumen entsteht für ehrenamtliches Engagement Konkurrenz zu kommerziellen Freizeitangeboten, die mit Flexibilität und keinen langfristigen Verpflichtungen locken (AfE 2018).
Viele gemeinnützige Organisationen nehmen diese Entwicklungen wahr, da der ehrenamtliche Nachwuchs nicht mehr automatisch bereitsteht, sondern zurückgeht, und sich auch eine höhere Fluktuation unter den Ehrenamtlichen verzeichnen lässt. „Neue Ehrenamtliche“ kalkulieren persönliche Kosten ebenso wie zu erwartende Nutzen oder Rückerstattungserwartungen: Oft kommt es erst zum ehrenamtlichen Engagement, wenn Motive, Interessen und Gelegenheit in einer bestimmten Lebenssituation überlappen. Gesucht werden zum Teil auch größere Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten, politischer Veränderungswille, Selbstbetroffenheit und Selbstverwirklichung. Eine langfristige, emotionale Bindung an die Ziele eines Vereins oder einer Organisation ist aber wichtig, um über die reine Mitgliedschaft hinaus Zeit und Wissen zu spenden und Ämter wahrzunehmen.
In diesem Gesamtkontext müssen sich viele Organisationen, Akteure und Initiativen im Bereich BM der Frage stellen, wie sie auch unter diesen neuen Bedingungen, in denen altes und neues Ehrenamt neben- und miteinander existieren, ein attraktiver Betätigungsbereich des Engagements werden oder bleiben können (in Anlehnung an AfE 2018).
Box 2 – Gemeinsames Forschungsdatenmanagement
Die Bestrebungen eines umfangreichen und transparent dokumentierten Datenmanagements haben im Rahmen der digitalen Transformation der Forschung im vergangenen Jahrzehnt stark zugenommen, um die nachhaltige Auffindbarkeit, Zugänglichkeit, Interoperabilität und Nachnutzung (die sogenannten FAIR-Prinzipien; Wilkinson et al. 2016) der Forschungsdaten zu stärken. Hierbei steht besonders im Fokus, die Prozesse im gesamten Lebenszyklus der Daten von der Erfassung über die Aufbereitung und Analyse bis hin zur Publikation und Nachnutzung prospektiv zu betrachten und zu dokumentieren. Neben spezifischen technischen Standards zur Beschreibung, Strukturierung, Speicherung und zum Austausch von Biodiversitätsdaten sowie zugehörigen Metadaten (wie etwa Access to Biological Collection Data – ABCD, Darwin Core und DataCite Metadata Schema) wurden im akademischen Bereicht zahlreiche Infrastrukturen und somit ein Instrumentarium für ein modernes Forschungsdatenmanagement geschaffen und fortlaufend ausgebaut. So bietet beispielsweise die Gesellschaft für Biologische Daten (GFBio – https://gfbio.org) mit neun beteiligten Datenzentren und dem 2016 gegründeten GFBio e.V. Dienste zur Langzeitspeicherung und Kuration biologischer Daten sowie Begleitprozesse, Schulungen und Unterstützung in der Planung und Standardisierung an. Des Weiteren werden die Daten zitierbar veröffentlicht, in einem Datenportal recherchierbar sowie in einem Visualisierungs- und Analysetool erfahrbar gemacht. GFBio sei hier lediglich als umfängliche Infrastruktur mit ganzheitlicher Betrachtung im Bereich der biologischen Forschung genannt, aber es gibt noch zahlreiche nationale und internationale (fachliche und technische) Dienste meist in Form von frei erhältlicher Software und Webservices, die einen unterschiedlich großen Beitrag zur Lösung von Herausforderungen des Datenmanagements im Bereich der Biodiversitätsforschung erbringen.
Die meisten solcher Angebote sind (teils unbeabsichtigt) auf die akademischen Akteure ausgerichtet, sodass vergleichbare Angebote für den bürgerwissenschaftlichen Bereich bislang fehlen. Datenmanagement birgt ein großes Potenzial, das akademische und bürgergestützte BM näher zusammenzubringen, da es nicht nur die Grundlage einer Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ im Sinne der wissenschaftlichen Praxis darstellt, sondern auch eine nachhaltige Unterstützung der Bürgerforschung im langfristigen operativen Betrieb und der Ausbildung bieten kann.
Kontakt
Dr. Nike Sommerwerk ist seit 2017 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Museum für Naturkunde Berlin. Dort leitet sie das Forschungscluster „Biodiversitätswandel in Berlin – Management von Biodiversität in Großstädten“ und ist stellvertrendende Leiterin des Biodiversity Policy Labs. 2013-2016 war sie im Projekt „Development of International Water Quality Guidelines for Ecosystems“ an der United Nations University (UNU), Bonn, tätig. Promoviert hat Frau Sommerwerk am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und an der FU Berlin.
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