DINA - Den Insekten auf der Spur
Das Projekt DINA zielt darauf ab, die Insektenvielfalt in Naturschutzgebieten zu erfassen und zu dokumentieren. Dazu werden bundesweit in 21 repräsentativen Gebieten mit standardisierten Monitoring-Methoden Daten zu Insektenpopulationen erhoben sowie die Umwelteinflüsse auf die Tiere erforscht.
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Zeltartige Konstruktionen mitten in der Landschaft. Wie an einer Perlenschnur aufgereiht stehen sie da, fünf in einer Reihe, von einer Ackerfläche bis in ein Naturschutzgebiet hinein. Am oberen Ende jeder der fünf Konstruktionen: eine Flasche. In ihr eine klare Flüssigkeit, in der eine schwarze Masse schwimmt: Insekten, die zufällig beim Vorbeifliegen in die Falle – eine sogenannte Malaisefalle – geraten sind und auf der Suche nach einem Ausweg in der Flasche konserviert wurden.
Die Insekten werden aus einem bestimmten Grund gefangen, und das deutschlandweit: Anhand ihrer Häufigkeit und Artverteilung im Gradienten zwischen Ackerfläche und Naturschutzgebiet sollen der Einfluss der Landwirtschaft und die Effekte von Schutzgebieten auf die Arten und Populationen untersucht werden. Die Tötung der Tiere ist dabei unerlässlich: Bislang gibt es keine technischen Möglichkeiten, die überwiegende Mehrheit der Insekten im lebenden Zustand bis zur Art zu bestimmen.
DINA nennt sich das Projekt, für das die Tiere gesammelt werden, kurz für „Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen“. Neun Partner haben sich hier zusammengeschlossen, um wissenschaftlich belegbare Empfehlungen für die Politik zu entwickeln, wie zukunftsfähiger Insektenschutz aussehen kann. Die Koordination übernimmt der NABU. „Wir treten allerdings als Projektleiter nicht hervor“, betont Prof. Dr. Gerlind Lehmann. Die habilitierte Entomologin befasst sich seit 2017 mit dem Projekt und arbeitete auch den Projektantrag maßgeblich aus – für sich allein schon ein umfangreiches Werk. „Alle Partner sind gleichberechtigt und bringen verschiedene Schwerpunkte und Sichtweisen in das Projekt ein.“
Konsens mit allen Akteuren
Das Besondere dabei: „DINA versucht, mit der Gesellschaft zusammen Lösungen zu suchen“, erklärt Dr. Roland Mühlethaler, Referent für das strategische Prozessmanagement im Projekt. Das zeichnet sich auch dadurch ab, dass neben Landwirten, Naturschutzbehörden und Naturschutzorganisationen auch hochrangige Vertreter aus Politik und Lobby miteinbezogen werden. „Wir versuchen, unsere Ergebnisse von beiden Seiten her zu kommunizieren“, erklärt Mühlethaler, „Lösungen können nur gemeinsam mit allen Akteuren gefunden werden.“
Bis aber Lösungen gefunden sind und Empfehlungen ausgesprochen werden können, dauert es eine Weile. Derzeit arbeiten die Projektpartner noch an der Datenerfassung. Von April bis Oktober tauschen Ehrenamtliche alle zwei Wochen die Flaschen an den Malaisefallen – insgesamt 60 Freiwillige, die es zu koordinieren gilt. Nicht immer ganz einfach: „Besonders zu Projektbeginn gab es teilweise Kommunikationsprobleme“, stellt Lehmann fest. Die Koordination und Kommunikation mit den Freiwilligen obliegen im Projekt Roland Mühlethaler. Er verfolgt bei diesem Aufgabenbereich einen ganzheitlichen Ansatz. „Ziel ist, die Menschen nicht nur zur Datensammlung zu ‚benutzen‘, sondern sie auch weiterzubilden und aktiv in das Projekt einzubinden“, erklärt der Entomologe.
Die Insekten, die von den Ehrenamtlichen gesammelt werden, werden dann in einem eigens entwickelten Verfahren vom Entomologischen Verein Krefeld in zwei Probenhälften geteilt. Eine Hälfte verbleibt beim Entomologischen Verein, die andere geht an das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig (ZFMK). Dort werden die Insekten durch Metabarcoding bis zur Art bestimmt. Dazu werden die Insekten erst in drei bis fünf Größenklassen unterteilt, dann homogenisiert. So wird sichergestellt, dass möglichst viel DNA extrahiert werden kann. Die Proben werden dann aufbereitet und sequenziert, sodass die enthaltenen Arten identifiziert werden können.
Ausweitung des Fokus
Die Insekten sind aber nicht der einzige Untersuchungsgegenstand im Metabarcoding. Zusätzlich zu den Arten können durch anhaftenden Pollen und Pestizidrückstände auf den Insekten Rückschlüsse auf die Habitate gezogen werden. „Wenn auf einer Schwebfliege beispielsweise ein Insektizid zu finden ist“, erläutert Mühlethaler diesen Untersuchungsteil, „muss sie das in diesem Jahr aufgenommen haben.“ Denn Schwebfliegen haben, wie die Mehrheit der mitteleuropäischen Insektenarten, einen einjährigen Lebenszyklus. Wenn dem Insekt also ein Insektizid anhaftet, dann ist daraus zu folgern, dass das Mittel im gleichen Jahr ausgebracht wurde.
Anders ist die Situation in der Vegetation: „Gerade auf Rinde können sich die Stoffe über Jahre halten“, erklärt der Entomologe. In DINA wird deshalb auch die Vegetation der Untersuchungsräume untersucht. Getestet wird auf die 100 häufigsten Pflanzenschutzmittel. Mit erschreckenden Ergebnissen: „Es gibt kein Gebiet, wo nichts zu finden ist. Die Stoffe sind einfach da! Und gerade auf Baumrinde findet man die ganze Bandbreite der Spritzmittel.“ Mühlethaler denkt deshalb bereits lange vor Projektende über mögliche Lösungen nach. „Eine Pufferzone um die Naturschutzgebiete könnte schon viel bewirken“, meint er.
Intensive Vorbereitung
Bevor die Projektbeteiligten aber solche Schlüsse ziehen konnten, bevor das Projekt überhaupt offiziell starten konnte, war einer der Partner schon tief im Geschehen: das IÖR. Denn damit das erste Insekt überhaupt in eine Falle geraten konnte, galt es zuerst, die Untersuchungsstandorte festzulegen. Die Vorarbeiten dazu übernahm das Team von Dr. Gotthard Meinel. Meinel ist Leiter des Forschungsbereichs Monitoring der Siedlungs- und Freiraumentwicklung am Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR).
Als ersten Schritt für die Auswahl der passenden Fallenstandorte startete das Team eine Geodatenerhebung für die gesamte Fläche aller Naturschutzgebiete Deutschlands. Auf dieser Basis erfolgte dann eine Analyse und Bewertung, bei der die in Frage kommenden Flächen Schritt für Schritt aus dem Gesamtbestand herausgesiebt wurden.
„Wir haben zuerst die zirka 8.800 Geometrien der Naturschutzgebiete hergenommen und mit der aktuellen Flächennutzung verschnitten“, erklärt Meinel. Im nächsten Schritt wurden die Ergebnisse nach Schnittstellen zwischen konventioneller Landwirtschaft und Offenland gefiltert. So konnte Meinels Team die in Frage kommenden Flächen auf immerhin 500 einschränken. „Um das weiter zu reduzieren, haben wir dann eine Grenzlinienuntersuchung vorgenommen: Es durften keine Hindernisse, beispielsweise Wege oder Flüsse, an der Grenzlinie liegen.“ Auch die Hanglage wurde berücksichtigt. Die übrig gebliebenen 200 Flächen wurden im Detail über hochauflösende Luftbilder betrachtet. in Frage kommende Gebiete besuchten die Entomologen um Dr. Martin Sorg und den Entomologischen Verein Krefeld sowie die Projektleitung schließlich, um dann die geeignetsten Flächen, für die auch eine Genehmigung zur Aufstellung der Fallen erwirkt werden konnte, auszuwählen – mit einer bestmöglichen Verteilung in der gesamten Bundesrepublik.
Erste Ergebnisse
Dank dieser gründlichen Vorarbeit zeichnen sich bereits jetzt erste Ergebnisse ab. Derzeit fällt Roland Mühlethaler hier vor allem die Verteilung der Arten entlang des Gradienten ins Auge: Hier sind bereits deutliche Unterschiede erkennbar. Mühlethaler will aber keine voreiligen Schlüsse ziehen. „Spannend wird es, die Liste nach Ende der Datenerfassung genau anzuschauen“, meint er. „Es kann schon sein, dass die Anzahl der Individuen am Acker höher ist, aber es dort nur zwei bis drei Arten sind.“
Ausblick
Solch konkrete Ergebnisse werden die Wissenschaftler wohl erst in zwei Jahren präsentieren können, dann sollen alle Erhebungen und Auswertungen abgeschlossen sein – inklusive der Appelle an die Politik, wie der Status quo mitsamt dem sich abzeichnenden Negativtrend der Artenentwicklung umgekehrt werden kann.
Am Ende werden die Ergebnisse des Projekts dann, organisiert nach den 21 Gebieten, detailliert in einer internetbasierten Geodatenplattform visualisiert. Dort wird es auch eine Download-Möglichkeit wichtiger Daten geben. Dieser letzte Schritt fällt dann wieder in den Aufgabenbereich des IÖR mit Gotthard Meinel. Damit schließt sich die Klammer, mit der die Arbeit des Instituts das Projekt DINA umschließt.
Projektdaten
Projektname: Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen (DINA)
Projektträger: VDI | VDE | IT
Projektpartner: NABU (Naturschutzbund Deutschland) e.V., Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig (ZFMK), Entomologischer Verein Krefeld e.V. (EVK), Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), Universität Kassel (UniKS), iES Landau (Institut für Umweltwissenschaften), Integrierte Umweltüberwachung (TIEM, im Auftrag des NABU), Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (IZNE), Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE)
Projektlaufzeit: Mai 2019 – April 2023
Finanzierung: Bundesministerium für Bildung und Forschung
Finanzierungsumfang: 4,2 Mio. €
Kontakt
NABU – Naturschutzbund Deutschland e. V.
Dr. Roland Mühlethaler
Charitéstraße 3
10117 Berlin
Tel. +49 (0)30/284984-1645
Fax +49 (0)30/284984-3601
roland.muehlethaler@NABU.de
Prof. Dr. Gerlind Lehmann ist Biologin und hat an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland gelehrt und geforscht, unter anderem in Australien. In ihrem inhaltlichen Schwerpunkt Evolutionäre Ökologie ist sie an der Humboldt Universität zu Berlin mit dem Modellorganismus „Heuschrecke“ tätig. Im Projekt DINA übernimmt sie die Projektkoordination und die wissenschaftliche Leitung.
Dr. Roland Mühlethaler ist Entomologe und Bioakustikspezialist mit Schwerpunkt Systematik und Verhalten der Kleinzikaden. Er war als Biotaxonom an den naturhistorischen Museen in Basel, Cardiff, Paris und Berlin tätig. In seiner Freizeit forscht er weiterhin in den Bereichen Vibrationskommunikation bei Insekten und Spinnen.
Dr. Gotthard Meinel ist Geoinformatiker und Forschungsbereichsleiter Monitoring der Siedlungs- und Freiraumentwicklung am IÖR. Im Projekt ist er für die Geodatenerhebung und -analysen verantwortlich.
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