Tempo ja – aber unter Vorrang starker Nachhaltigkeit: Ein Fitness-Check für alle Planungsverfahren
Es kam, wie in der letzten Ausgabe befürchtet: Bund und Länder haben sich auf einen „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ geeinigt. Auf 28 Seiten listet er auf, wie das neue „Deutschlandtempo“ erreicht werden soll: als „zentrale Voraussetzung, um die notwendigen Transformationsprozesse (…) umzusetzen“.
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Klar: Transformation drängt maximal, etwa in Landnutzung, Mobilität, Energiesysteme und Stadtentwicklung. Die Weiterentwicklung bestehender Systeme ist längst an ihre Grenzen gestoßen. StattBest Practice brauchen wirNext Practice , echte Innovation, in den Zielen und Maßnahmen wie in den Instrumenten der Planung!
Aber das meinen Bund und Länder mit Bedarf an Transformation gar nicht. Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland sehen sie an erster Stelle, gefolgt von dem Ziel, „das Landnachhaltig zu transformieren“. Das lässt Interpretationsspielraum: Ist vielleicht nicht Nachhaltigkeit als oberste Maxime gemeint, sondern nur ein anhaltender Veränderungsprozess unbestimmter Richtung? Wie kann es sein, dass als Begründung für die – ja: nachhaltige, langfristig wirksame – Beschneidung von Umweltstandards zugunsten schneller Planungsprozesse eine derart diffuse Zielsetzung gewählt wird?
Raus aus dem Verhinderer-Image
Ein anderer Aspekt: Haben Hardliner im Naturschutz selbst etwas zum schlechten Image als Bremser statt „Zukunftsmacher“ (so die Eigensicht des NABU) beigetragen? Kompromissloses Verfechten spezifischer Artenschutzbelange hat dazu geführt, dass viele Klimaschutz-Bewegte den Naturschutz als Verhinderer sehen. Klagen gegen den Abschuss einzelner „Problemwölfe“ heizen den Konflikt mit genau der Landwirtschaft an, die der Naturschutz essenziell für den Erhalt von FFH-Lebensraumtypen braucht. Wer Klagen sät, wird das ernten, was die Politik jetzt tut: Beteiligungs- und Klagemöglichkeiten einschränken. Ein Bärendienst!
Landschaftsplanung als Turbo
Was bräuchte es anstelle dieses Aktionismus'?
Erstens: ein klares überparteiliches Bekenntnis zu den bestehenden Nachhaltigkeitszielen als Primat füralle politisch-planerischen Entscheidungen.
Zweitens: einen Fitness-Check nach den positiven Beispielen der EU für FFH- und Wasserrahmenrichtlinie vor wenigen Jahren für alle Planungsverfahren: Sind sie fit (genug), die drängenden Transformationsprozesse einer umfassenden Nachhaltigkeit fundiert und rasch zu vollziehen? Ist eine aktuelle Landschaftsplanung nicht Voraussetzung für beschleunigte Umweltprüfungen? Berücksichtigen die Planungen die Geschwindigkeit von Klima- und Biodiversitätskrise?
Und drittens: einen Paradigmenwechsel hin zu starker Nachhaltigkeit nach dem Vorrangmodell: ohne eine funktionierende Umwelt – die ökologische Dimension – keine soziale, ohne soziale keine ökonomische Nachhaltigkeit. Wirtschaft muss der Umwelt und Gesellschaft dienen, nicht primär das Bruttosozialprodukt steigern (Wachstum um des Wachstums willen). Die Politik als vierte Dimension der Nachhaltigkeit ist gefragt, gut begründet abzuwägen. Genau das tut sie gerade nicht. Der jetzt gestartete Dialog zur Novellierung der Nachhaltigkeitsstrategie bis Ende 2024 böte Gelegenheit dazu.
Gibt es gar nichts Positives? Doch, die EU hat im Trilog zwischen Rat, Parlament und Kommission eine Einigung über die Naturwiederherstellungsverordnung (NRL) erzielt. Doch bleibt die Frage, wie die erwartbare Bummelbahn der Renaturierung dem entgegenkommenden Schnellzug der nochmals beschleunigten Naturzerstörung gegenhalten kann. Das kann nur eines geben: Totalschaden.
- User_MTg3ODYyNw 01.01.2024 18:24Der Kommentar trifft ins Schwarze! Wenn wir das individuenbezogene Tötungsverbot fern jeder Fachlichkeit für Kinkerlitzchen missbrauchen, brauchen wir uns über nicht darüber zu wundern, wenn uns irgendwann die ganze FFH-Richtlinie um die Ohren fliegt. Was Foulspiel wie die Beschkeunigungsgesetze oder § 13b keinesfalls entschuldigen soll. Gerhard BronnerAntworten