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Biodiversitätsschutz

Forschungsteam fordert mehr Fokus auf genetische Vielfalt

Die genetische Vielfalt – die Diversität innerhalb von Arten – ist eine entscheidende, jedoch oftmals unterschätzte Grundlage für den Schutz der biologischen Vielfalt. In einer aktuellen Publikation, die unter anderem von der Senckenberg-Forscherin Deborah M. Leigh geleitet wurde, wird die zentrale Rolle genetischer Diversität für eine „naturpositive“ Zukunft betont.

von Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung/Redaktion erschienen am 09.10.2025
Die Gemeine Esche ist durch das Eschentriebsterben bedroht – genetische Vielfalt erhöht ihre Chancen auf Resistenz. © Jeanette Hall
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Unter einer naturpositiven Zukunft versteht man einen Zustand, in dem Naturverluste nicht nur gestoppt, sondern auch rückgängig gemacht werden. Um dieses Ziel erreichen zu können, müsse die genetische Vielfalt bei der Erstellung von Management- und Schutzkonzepten berücksichtigt werden, so das internationale Forschungsteam.

Leigh gibt ein Beispiel: Die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior) liefert wertvolles Holz und ist für viele Arten ein wichtiger Bestandteil im Ökosystem. Doch das – durch einen aus Ostasien eingeschleppten Pilz verursachte – Eschentriebsterben, bedroht die europäische Baumart. „Mehrere Studien belegen, dass in allen Wäldern eine gewisse Resistenz gegen diese Krankheit vorhanden und zudem vererbbar ist. Eine größere genetische Vielfalt erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass einige Bäume über die resistenzfördernden Gene verfügen“, erklärt Leigh und fährt fort: „Auch bei Seegräsern, die eine wichtige Rolle bei der Kohlenstoffspeicherung spielen und als Laich- und Aufzuchtgebiete für Fisch- und Muschelarten dienen, beobachten wir eine höhere Toleranz gegenüber Umweltveränderungen, wenn sie genetisch vielfältig sind. Diese Beispiele verdeutlichen, dass der Schutz genetischer Vielfalt für ökologische Stabilität essenziell ist.“

Ohne genetische Vielfalt fehle der Natur die Fähigkeit zur Anpassung – sei es an Krankheiten, den Klimawandel oder andere Umweltveränderungen, betonen die Autor*innen in der neu veröffentlichten Studie. „Diese Vielfalt ist die Grundlage für Resilienz und langfristiges Überleben von Arten – und somit auch für die Stabilität ganzer Ökosysteme“, fügt Leigh hinzu. Gemeinsam mit Erstautor David O’Brien vom Royal Botanic Garden in Edinburgh und von NatureScot, die Naturschutzbehörde der schottischen Regierung, sowie Forschenden aus den USA, Großbritannien, Brasilien und Deutschland warnt Leigh, dass die genetische Vielfalt trotz ihrer fundamentalen Bedeutung bislang in politischen Konzepten, Umweltberichten und wirtschaftlichen Maßnahmen oft vernachlässigt werde. Neben der Arten- und Ökosystemvielfalt sei sie die dritte und ebenso wichtige Komponente der Biodiversität, so die Frankfurter Forscherin. Mit der fortschreitenden Entwicklung von genetischen und genomischen Analysemethoden sei es heute möglich, genetische Vielfalt kostengünstig und großflächig zu erfassen – auch mithilfe sogenannter Proxydaten, also Daten, die nur indirekt gemessen werden können.

Der 2022 auf der UN-Biodiversitätskonferenz beschlossene internationale „Kunming-Montreal-Vertrag“ besagt, dass bis 2030 messbare Verbesserungen im Zustand von Arten, Ökosystemen und natürlichen Prozessen erreicht werden müssen – mit dem Fernziel einer vollständigen Erholung bis 2050. Der dort festgehaltene „naturpositive“ Ansatz hat das Ziel, den Verlust der Natur nicht nur zu stoppen, sondern umzukehren und die biologische Vielfalt aktiv wiederherzustellen. Dieses Ziel, wie es auch die International Union for Conservation of Nature (IUCN) definiert, geht über reinen Schutz hinaus und setzt auf die regenerative Stärkung natürlicher Systeme, um ihre Integrität, Vielfalt und Anpassungsfähigkeit langfristig zu sichern. „Es ist fahrlässig, dabei die genetische Vielfalt außer Acht zu lassen. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen diesen essenziellen Baustein ernst nehmen und die genetische Diversität in ihren Handlungsrahmen verankern. Ein naturpositives Ziel, das genetische Vielfalt ignoriert, läuft Gefahr, ins Leere zu laufen“, fasst Leigh zusammen.

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