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Nanoplastik im Nordatlantik

Unterschätzte Meeresverschmutzer

Plastikteilchen mit einer Größe von weniger als einem Mikrometer sind überall auf der Welt verteilt – von den Gipfeln der Alpen bis in die Tiefen der Ozeane. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Universität Utrecht und des niederländischen Meeresforschungsinstituts NIOZ hat sich auf die Suche nach Nanoplastik im Nordatlantik gemacht. Die Ergebnisse zeigen, dass winzige Plastikpartikel in allen Tiefenzonen zwischen der gemäßigten und subtropischen Zone des Ozeans zu finden sind.

von UFZ/Redaktion erschienen am 29.07.2025
Dušan Materic, UFZ, (links) und Helge Niemann, NIOZ, bei der Probenahme im Nordatlantik © NIOZ
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Quantitative Angaben zur Belastung der Ozeane durch Nanoplastikteilchen waren bisher rar, da die Plastikpartikel mit einer Größe von weniger als einem Mikrometer sehr klein, zudem leicht veränderbar und methodisch oft nur schwer von anderen Umweltpartikeln zu unterscheiden sind. Die Studie im Nordatlantik zeigt nun allerdings: Massenmäßig ist die Menge an Nanoplastik vergleichbar mit dem, was bisher an Mikroplastik gefunden wurde. Deshalb spielt Nanoplastik bei der Plastikverschmutzung der Meere eine viel wichtigere Rolle als bisher angenommen, schreiben die Forschenden in der Fachzeitschrift „Nature“.

Auf einer Expedition der RV Pelagia, das größte seegängige Forschungsschiff der Niederlande und Flaggschiff des Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ), haben UFZ-Forschende in Kooperation mit der Universität Utrecht im Jahr 2020 entlang eines Transekts im Nordatlantik das Nanoplastikvorkommen erfasst – vom küstennahen europäischen Festlandschelf über den offenen Atlantik bis hin zum subtropischen Nordatlantikwirbel, einem Strömungssystem des Nordatlantiks. An 12 Messstellen wurden Proben gezogen: In der obersten Wasserschicht in rund 10 m Tiefe, in der Zwischenschicht in rund 1.000 m Tiefe und dann 30 m über dem Meeresboden. „Mit den Daten dieser Messstellen können wir Aussagen über die vertikale und horizontale Verteilung von Nanoplastik im Nordatlantik treffen“, sagt Dr. Dušan Materic, Chemiker am UFZ und Erstautor der Studie.

Nanoplastik überall nachweisbar

An allen 12 Messstandorten konnten die Forschenden Nanoplastikpartikel nachweisen. Am häufigsten fand das Forschungsteam Nanopartikel von Polyethylenterephthalat (PET), Polystyrol (PS) und Polyvinylchlorid (PVC) – allesamt häufige Kunststoffe, aus denen beispielsweise Ein- und Mehrwegplastikflaschen, Folien oder Einwegtrinkbecher und Einmalbesteck bestehen. In der obersten Meerwasserschicht wiesen die Forschenden die Kunststoffarten an fast allen Messpunkten nach. „Dies liegt daran, dass zum einen die Weiterverteilung aus der Atmosphäre über die Meeresoberfläche geschieht und zum anderen, dass viel Plastik über die Mündungsbereiche von Flüssen eingetragen wird“, erklärt Dušan Materic.

In der Zwischenschicht, der Schicht zwischen dem sauerstoffhaltigen Oberflächenwasser und dem sauerstofffreien Tiefenwasser, dominieren PET-Nanopartikel. „Im subtropischen Wirbel des Nordatlantiks haben wir eine höhere Belastung mit Nanoplastik festgestellt als außerhalb des Wirbels, der aufgrund der Meeresströmungen als Anreicherungszone für Mikroplastik an der Oberfläche bekannt ist.“

In der meeresbodennahen Schicht stellten die Forscherinnen und Forscher die geringsten Konzentrationen von Nanoplastik fest. Aber auch dort registrierten sie an allen Messstellen PET-Nanoplastik. Selbst in mehr als 4.500 m Tiefe fanden sie PET-Nanokunststoffe, die höchstwahrscheinlich aus fragmentierten synthetischen Kleidungsfasern stammen, eventuell aber auch durch bislang unbekannte dynamische Prozesse entstanden sind. „Nanokunststoffe und Nanopartikel sind so klein, dass die physikalischen Gesetze, die für größere Teilchen gelten, oft nicht mehr greifen“, sagt er.

Überraschend war für das Forschungsteam zudem, dass sie an keiner Messstelle Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) nachweisen konnten. PE und PP stecken beispielsweise in Müllsäcken und Plastiktüten, die als Plastikmüll oft in den Meeren landen. „Es gibt sehr viel PE/PP-Mikroplastik an der Meeresoberfläche, aber wir fanden keine PE/PP-Nanopartikel, die beispielsweise infolge von Sonneneinstrahlung oder Abrieb durch den Wellengang hätten entstehen können“, so Dušan Materic. Möglicherweise werde PE/PP-Nanoplastik mineralisiert oder so stark molekular verändert, dass es vom Protonentransfer-Reaktions-Massenspektrometer nicht mehr als Plastik erkannt werde oder es könnten andere dynamische Sedimentations- und Entfernungsprozesse ablaufen, die bislang noch nicht bekannt seien.

Nanoplastik ebenso häufig wie Makro- und Mikrokunststoffe

Basierend auf den Konzentrationsmessungen konnten die Forschenden die Masse von Nanoplastik im Nordatlantik extrapolieren. Demnach lagern in der obersten, bis zu 200 m tiefen Wasserschicht des Nordatlantiks von der gemäßigten bis zur subtropischen Zone rund 27 Mio. t: 12 Mio. to Polyethylenterephthalat (PET), 6,5 Mio. t Polystyrol (PS) und 8,5 Mio. t Polyvinylchlorid (PVC). „Das ist etwa die gleiche Größenordnung wie die geschätzte Masse an Makro- und Mikrokunststoff für den gesamten Atlantik“, sagt Dušan Materic. Damit mache Nanoplastik einen großen Teil an der Plastikverschmutzung der Meere aus, was bislang bei der Bewertung des marinen Plastikhaushalts nicht berücksichtigt wurde. „Noch vor ein paar Jahren war umstritten, ob es überhaupt Nanoplastik gibt. Unsere Ergebnisse zeigen nun, dass zumindest in diesem Ozeansystem die Masse von Nanoplastik mit derjenigen von Makro- und Mikroplastik vergleichbar ist“, sagt er.

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