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Informieren ohne viele Worte

Semiotik: Wie bildbasierende Sprache nicht nur Naturschutz erleichtert

Die Semiotik befasst sich mit unterschiedlichsten Zeichensystemen. Symboliken bzw. Piktogramme bilden darin einen wichtigen Teilbereich ab. Durch ihre universelle Ausrichtung können Bilder teils hochkomplexe Informationen gebündelt übertragen und dadurch nicht zuletzt Umwelt- und Naturschutz unterstützen. Allerdings ist gute Symbolik ein hochkomplexes Unterfangen.

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stock.adobe.com © natros
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Sag’s mit Worten?

Dem geschriebenen Wort wird beim Schutz von Umwelt und Natur eine enorme Rolle zuteil. Sicherlich dürften einige der folgenden Sätze Ihnen von diversen Schildern durchaus bekannt vorkommen:

  • Schutt, Müll und Gartenabfälle abladen verboten – Zuwiderhandlungen werden strafrechtlich verfolgt!
  • Achtung, Naturschutzgebiet, Verlassen der Wege verboten!
  • Forstweg für Motorfahrzeuge, Reiter und Gespanne gesperrt!
  • Achtung, Brut- und Setzzeit. Hunde bitte anleinen!
  • Waldbrandgefahr! Feuer, Rauchen und offenes Licht strengstens verboten!
  • Vorsicht! Krötenwanderung – bitte langsam fahren.

Der Vorteil einer solchen geschriebenen Herangehensweise liegt auf der Hand: Mit nur wenigen Worten ist es möglich, unglaublich detaillierte Informationen zu vermitteln. Auf entsprechenden Untergründen aufgebracht und gut sichtbar befestigt, können Personen jeglicher Art daher 24/7 von falschem Verhalten ab- und zu richtigem Handeln angehalten werden.

Tatsächlich gestattet es das geschriebene Wort sogar, Abgrenzungen zu machen. Etwa, indem konkret nur bestimmte Personengruppen angesprochen werden. Beispielsweise dann, wenn ein solches Schild mit „Achtung, Hundebesitzer…“ oder „Liebe Fahrradfahrer…“ beginnt.

Doch so wirksam Schriftsprache sein kann, sie ist nicht perfekt:

  1. Um die Information vollständig zu erfassen, ist es nötig, die Schrift konzentriert zu lesen. Das kann je nach Situation zu lange dauern.
  2. Die Information kann überhaupt nur Menschen übermittelt werden, die des Lesens mächtig sind. Nicht bloß ein Problem für Vorschulkinder, sondern Millionen Erwachsene in Deutschland.
  3. Selbst wer lesen kann, muss zudem die Sprache verstehen. Bei Fremdsprachlern kommt zudem vielfach hinzu, dass das Lesen anderer Sprachen länger dauert.
  4. Schriftsprache kann vielfach nur bei vollständiger Lesbarkeit ihre Wirkung entfalten. Schon ein Wort, das fehlt (etwa durch Verwitterung) oder vom Lesenden nicht verstanden wird, kann die gesamte Botschaft kompromittieren.

Außerdem müssen Sie noch eines bedenken: Gesprochene und geschriebene Sprache sind in einem ständigen Wandel begriffen. Denken Sie etwa an die sogenannten gebrochenen Schriftarten, die noch bis in die 1940er Jahre in Deutschland üblich waren – heute hingegen nur von wenigen problemlos gelesen werden können. Ebenso gehören hierzu Schreibweisen, Wortbedeutungen und vieles mehr.

Dieser „Alterungsprozess“ mag zwar nur eine Randbedeutung aufweisen. Er hat allerdings zumindest an einem Punkt enorme Bedeutung für den Natur- und Umweltschutz: Dort, wo es darum geht, Menschen noch in Jahrtausenden vor Atommüll zu warnen – obwohl dann mit höchster Wahrscheinlichkeit keine heutige Sprache mehr genutzt wird. Als sogenannte Atomsemiotik handelt es sich um eine Sonderdisziplin der Sprachforschung.

Warum Bilder für sich sprechen

Geschriebenes kann umfassend informieren, ist jedoch limitiert. Im Gegensatz dazu stehen Bilder, konkret Symbole. Sie haben eine riesige Verbreitung. Sämtliche Gefahrstoffkennzeichnungen stützen sich maßgeblich auf eine Reihe festliegender Symboliken, die gegebenenfalls lediglich durch zusätzliche schriftliche Angaben weiter konkretisiert werden.

Ähnlich sieht es bei den mehr als 400 verschiedenen Verkehrszeichen aus: Alle sprechen durch teils enorm simple Piktogramme für sich – vielfach ohne jedes geschriebene Wort. Und egal, ob es das Thema Arbeitsschutz ist, Brandschutz, Sport oder vieles andere: Stets können Symbole/Piktogramme/Bilder überzeugen.

  1. Sie sind mit einem einzigen Blick zu erfassen.
  2. Durch eine geschickte Gestaltung können kaum weniger komplexe Informationen vermittelt werden als in manchen (kürzeren) Sätzen.
  3. Durch die Verbindung von Piktogramm und Farbe lässt sich eine zusätzliche Informationsebene erstellen (etwa, weil die Farbe Rot in vielen Kulturkreisen unter anderem für Gefahr steht).
  4. Symbole funktionieren sprachraumübergreifend und sind nicht an Alphabetisierung geknüpft. Ebenfalls ist das Thema Alterung bei einer guten Gestaltung ein geringeres Problem. Ein symbolisch dargesteller Mensch beispielsweise wird immer als solcher erkannt werden. Ebenso, wie es bei einem Totenkopf der Fall ist.

Gerade heute, in einer zutiefst globalisieren Welt, sind Piktogramme deshalb der universell bessere Garant für den Schutz von Natur und Umwelt. Etwa, weil die oben erwähnten Gefahrstoffsymbole absolut länderübergreifend verständlich sind und zudem auf eine Weise gestaltet wurden, die sich ohne großes Nachdenken erschließt.

Denken Sie beispielsweise an das Symbol Gewässergefährdende Stoffe: Die Verbindung aus blattlosem Baum und sichtbar totem Fisch wirkt ungeachtet von Sprach- und Bildungsniveau. Allerdings ist das Wort „Gestaltung“ ein wichtiges Stichwort:

Sehen und verstehen – nicht zwingend deckungsgleich

Wie muss ein Piktogramm aussehen, damit es von wirklich jedem verstanden werden kann und keine Gefahr für Missinterpretation besteht? Je nachdem, was ausgesagt werden soll, ist diese Frage nur unter erheblichen Schwierigkeiten zu beantworten und benötigt aufwendige Entwicklungsarbeit.

Da vielleicht beste Beispiel hierfür ist das Strahlenwarnzeichen, landläufig bekannt als Symbol für Radioaktivität. Entwickelt wurde es 1946 in den USA. Anfangs unterschied sich zwar die Farbgebung noch, jedoch war die grundsätzliche Gestaltung mit drei sich an der Spitze berührenden Kreisabschnitten und Vollkreis in der Mitte bereits fertig. Ab 1963 entstand schließlich die international geläufige Version mit schwarzem Trefoil auf gelbem Hintergrund.

Das Problem daran: Das Piktogramm ist ohne weitere Erläuterung nicht selbsterklärend. Es funktioniert also nur, wenn Menschen zuvor über seine Bedeutung aufgeklärt wurden. Mutmaßlich trug dies zu mehreren Unfällen mit strahlendem Material in weniger entwickelten Staaten bzw. niedriger gebildeten Bevölkerungsschichten bei.

Anfang der 2000er ließ die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) deshalb das Symbol wissenschaftlich überprüfen. Das Ergebnis war erschütternd: Viele Menschen verstanden es nicht, häufig weckte es Assoziationen mit einem drehenden Propeller. 2007 wurde deshalb das neugestaltete ISO-21428-Zeichen herausgebracht. Durch die symbolischen „Strahlen“, den Totenkopf und die per Pfeil zum Weglaufen animierende Person ist es deutlich verständlicher – durch umfassende Umfragen nachgewiesen.

Der lange Weg dieses Piktogramms zeigt die Schwierigkeiten:

  • Was zu sehen ist, muss unbedingt kulturraumübergreifend sein. Das gilt sowohl für das Piktogramm als auch die Farben.
  • Die Symboliken müssen intuitiv verständlich bzw. selbsterklärend sein. Das Biogefahr-Symbol wurde zwar absichtlich konträr zu dieser Maxime entwickelt, unterliegt deshalb heute jedoch ähnlichen Problemstellungen wie das alte Strahlenwarnzeichen.
  • Es muss bildsprachlich gelingen, teils aufeinanderfolgende Handlungen zu erläutern.

Wie groß die Herausforderungen sind, zeigt das grüne Schild Naturschutzgebiet. Es ist sowohl in einer Fassung mit einem Seeadler als auch einer Waldohreule vorhanden. Ohne einen entsprechenden Schriftzug könnte es jedoch anders interpretiert werden – etwa als Vogelschutzgebiet oder lediglich Hinweis darauf, dass es hier Vögel zu sehen gibt.

Just deshalb sollten derartige Schilder niemals unüberlegt gestaltet werden. Maßgeblich sollte immer ein Verständnis durch eine Person sein, die das Bild ohne jegliches Vorwissen gezeigt bekommt.

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