Erstattungsfähigkeit von Gutachterkosten
Am 15. Mai 2025 hat das Bundesverwaltungsgericht einen Beschluss zur Erstattungsfähigkeit von Gutachterkosten durch Vorhabenträger außerhalb gerichtlicher Verfahren gefasst. Annette Lehnigk-Emden fasst das Wesentliche zusammen.
von Annette Lehnigk-Emden erschienen am 01.12.2025Für anerkannte Naturschutzverbände, die oftmals Großprojekte durch ein Klageverfahren angreifen, weil naturschutzrechtliche Vorschriften wie beispielsweise die EU-Vorschriften Natura 2000 unzureichend im behördlichen Verfahren geprüft wurden, ist diese Entscheidung durchaus eine grundlegende Erleichterung. War es bislang so, dass im behördlichen Verfahren bis zum gerichtlichen Verfahren hin Mängel des Verfahrens insgesamt, sei es durch fehlerhafte Kartierungen, fehlerhafte Grundannahmen, fehlerhafte Berücksichtigung von Biotopen oder anderweitig geschützten Lebensraumtypen, insbesondere des Anhangs I der FFH RL, durch den Vorhabenträger durch umfangreiche nachträgliche Beibringung ergänzender Gutachten versucht wurden zu heilen, so ist diesem Weg durch den zitierten Beschluss nunmehr ein wenig Einhalt geboten worden.
Was gilt?
Grundsätzlich müssen im behördlichen Zulassungsverfahren alle entscheidungserheblichen Themen abschließend vor einer Zulassung des Vorhabens geprüft, gewogen und entschieden werden. An diese Prüfung stellt das BVerwG in ständiger Rechtsprechung folgende Grundsätze auf:
„Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BNatSchG ist ein Projekt vor seiner Zulassung auf seine Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen; es darf nur zugelassen werden, wenn es nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen eines solchen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Maßgebliches Beurteilungskriterium ist der günstige Erhaltungszustand der geschützten Lebensräume und Arten im Sinne der Legaldefinitionen des Art. 1 Buchst. e und i der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 S. 7 – FFH-Richtlinie); dieser muss trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben, ein bestehender schlechter Erhaltungszustand darf jedenfalls nicht weiter verschlechtert werden. Die Verträglichkeitsprüfung ist indes nicht auf ein – wissenschaftlich nicht nachweisbares – ,Nullrisiko‘ auszurichten. Ein Projekt ist vielmehr dann zulässig, wenn nach Abschluss der Verträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse, d.h. nach Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen kein vernünftiger Zweifel verbleibt, dass erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden. Die Prüfung darf nicht lückenhaft sein und muss vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthalten. Soweit sich Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge auch bei Ausschöpfung der einschlägigen Erkenntnismittel nicht ausräumen lassen, ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten, die kenntlich gemacht und begründet werden müssen. Zugunsten des Projekts dürfen die vom Vorhabenträger geplanten oder von der Planfeststellungsbehörde angeordneten Schutz- und Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden, sofern sie sicherstellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen verhindert werden (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 Rn. 364 m. w. N.)“ (BVerwG 9 A 1/21 vom 7. Juli 2022 RNr. 53 mwN).
Damit sollte klargestellt sein, dass ausnahmslos alle für eine positive Zulassungsentscheidung eines Vorhabens entscheidungserhebliche Belange vor Beschreiten des gerichtlichen Entscheidungsweges geprüft und entschieden worden sein müssen. Die Vermeidung einer erheblichen Beeinträchtigung muss zweifellos abschließend geprüft und entschieden worden sein. Lediglich Fehlbewertungen/ Abwägungsfehler der Behörde aufgrund im behördlichen Verfahren festgestellter Tatsachen können denklogisch Gegenstand eines Klageverfahrens werden. Hier ist ein erheblicher und schwieriger Weg für Naturschutzverbände zu beschreiten, um eindeutig und nachvollziehbar klarzustellen, wo Abwägungsfehler oder auch falsche Tatsachenvoraussetzungen, die bereits im behördlichen Verfahren thematisiert wurden, zu Grunde gelegt wurden, damit das Gericht diese Thematik erneut einer Prüfung unterzieht. Und hier beginnt das Problem, da aufgrund der großen Fachlichkeit in diesem Gebiet weitere Gutachter und Gegengutachter beauftragt werden, um die klägerische Wertung/ Rechtsauffassung bzw. die der Beklagtenseite entsprechend in den gerichtlichen Schriftsätzen zu begründen. Und genau diese im rechtlichen Sinne als Privatgutachten in den Prozess eingeführten Schriftsätze erscheinen möglicherweise im späteren Kostenfestsetzungsbeschluss als erstattungsfähige Kosten durch den Verlierer des Verfahrens. Hier liegt für Naturschutzverbände ein sehr hohes Kostenrisiko, welches im Zweifel die Klagerechte eines anerkannten Verbandes nach hiesiger Bewertung beschneiden kann.
Hierzu stellt das BVerwG im zitierten Beschluss vom 15. Mai 2025 ausdrücklich klar:„Aufwendungen für Privatgutachten bzw. die Beiziehung eines privaten Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung sind – soweit nicht durch eine entsprechende Aufforderung des Gerichts veranlasst – nur ausnahmsweise, in engen Grenzen erstattungsfähig, wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann, die Prozesssituation das Gutachten herausfordert und dessen Inhalt auf die Verfahrensförderung zugeschnitten ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Partei, sondern danach, wie eine verständige Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage ihre Interessen wahrgenommen hätte. Dabei ist auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung abzustellen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Juli 2000 – 11 KSt 2.99 – Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 35 S. 2, vom 11. April 2001 – 9 KSt 2.01 – Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 37 S. 5 und vom 8. Oktober 2008 – 4 KSt 2000.08 u. a. – juris Rn. 4). Die Darlegungslast für die Anerkennungsfähigkeit der Kosten für private Sachverständigengutachten bzw. die Teilnahme privater Sachverständiger an der mündlichen Verhandlung liegt regelmäßig bei dem die Kostenerstattung begehrenden Beteiligten“ (BVerwG 4 KSt 1.24 vom 15. Juli 2025, Rnr. 3).
Weiterhin stellt das BVerwG aber auch ausdrücklich heraus, dass es einem Vorhabenträger nicht gänzlich verwehrt sei, im Verfahren, in dem über die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung befunden werden soll, Privatgutachten vorzulegen oder Privatsachverständige vortragen zu lassen. Die Erstattungsfähigkeit solcher Kosten für den Vorhabenträger als Beigeladenen ist aber nur dann gegeben, wenn sie „sich aus seiner prozessualen Lage rechtfertigen, einen nachvollziehbaren Bezug zum Vorbringen eines Prozessbeteiligten besitzen und etwa dazu bestimmt sind, vorgetragene Tatsachen oder tatsächliche Schlussfolgerungen zu widerlegen, zu erschüttern oder durch eine gerichtliche Beweisaufnahme klären zu lassen. Insbesondere dann, wenn sich die Klägerseite in komplizierten fachtechnischen Fragen der Hilfe privater Sachverständiger bedient, kann es die prozessuale Situation erfordern, dass der beigeladene Vorhabenträger zur Verteidigung des (…) Vorhabens seinerseits den fachkundigen Rat privater Gutachter heranzieht, soweit er nicht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt“ (wie FN 2, RNr. 4).
Besonders entscheidend ist auch die dann anschließende Feststellung des BVerwG, (auch in fortführender Rechtsprechung), dass eine Abwälzung von Kosten für Privatgutachten des Vorhabenträgers ausscheide, wenn es um die Klärung von Fragen geht, deren Behandlung bereits im behördlichen Zulassungsverfahren geboten gewesen wäre oder die im behördlichen Zulassungsverfahren durch die Behörde hätten geklärt werden müssen. Es sei zunächst Aufgabe des Vorhabenträgers, der zuständigen Behörde alle diejenigen Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die diese benötigt, um ihre Entscheidung treffen zu können (wie FN 3).
Nach meiner Bewertung führt diese Kostenentscheidung zukünftig zur besseren Kalkulierbarkeit von Kosten in naturschutzfachlichen Verfahren. Die oben genannten Grundsätze müssen zwingend beachtet werden, insbesondere die allumfassende Einbringung von Argumenten und Bewertungen im Zulassungsprozess (vgl. vorheriger Absatz). Denn dann ist die Erstattungsfähigkeit quasi ausgeschlossen. Dies kann durchaus als Argument gegen eine Vorhabenträgerseite genutzt werden, um private Gutachter-, Sachverständigen- oder sonstige Kosten abzulehnen.



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