Artenschutz braucht Störungen
Warum zum Erhalt von Arten in einer nährstoffüberfrachteten Landschaft Biomasse entnommen werden muss
In Mecklenburg-Vorpommern wird anhand des rapiden Rückgangs der Großen Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis) an elf Monitoringstandorten deutlich: Ohne Störungen, die wir Menschen aktiv in die Landschaft einbringen, entsteht ein hohes lokales Aussterbepotenzial für die auf Kleingewässer angewiesene Segellibellenart. Denn die beobachteten Entwicklungen laufen nicht nur an den Monitoringstandorten, sondern auch in der übrigen Landschaft ab. Durch die hohe Nährstoffverfügbarkeit sind kleinere Gewässer ohne Störungen schon nach wenigen Jahren und mehrere Hektar große Gewässer nach wenigen Jahrzehnten zugewachsen. Ohne massive Vegetationsentnahmen, die für Vegetationswechsel sorgen, droht allen Gewässern das gleiche Schicksal. Naturschutzgebiete mit nationalem Schutz oder internationalem FFH-Schutzstatus sind dabei im selben Maße betroffen wie Gebiete ohne Schutzstatus. Dies ist schon deshalb besorgniserregend, weil deutlich wird, dass allein ein administrativer nationaler sowie ein noch viel strengerer internationaler Schutz über mehrere Jahrzehnte kaum Wirkungen gezeigt haben. Wie mehrere nationale und internationalen Studien zeigen, können nur massive Störungen wie etwa Vegetationsentnahmen für Strukturvielfalt sorgen und so die Artenvielfalt erhalten. Deshalb wird abschließend ein legislatives Umdenken gefordert, um in der Praxis gegensteuern zu können, denn bislang behindert sich gerade der administrative Artenschutz selbst.
Eingereicht am 22.01.2024, angenommen am 18.07.2024.
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André Bönsel 10.1399/NuL.58310 1 Einleitung Revitalisierte Feldsölle weisen vorübergehend wieder eine höhere Artenvielfalt auf, sind nach zwei Jahrzehnten aber schon nicht mehr artenreich und teils sogar verschwunden, da sie zunehmend zuwachsen (Bönsel 2023). Unabhängig von dem hohen administrativen Schutz, den die Natur formal genießt, gehen selbst ohne aktives Zutun des Menschen immer mehr Arten in unserer Kulturlandschaft verloren. Dies gilt ebenfalls in FFH-Gebieten und sonstigen nationalen Schutzgebieten für die eigentlich besonders geschützten und zu erhaltenden FFH-Arten (vergleiche Kunz 2017). Seit geraumer Zeit ist dies keine singuläre Erkenntnis mehr. Längst wird anerkannt: Nur mit mittlerer Störungsintensität kann Artenvielfalt...