Nach dem Waldbrand- und Dürresommer 2022: Jetzt braucht es das Startsignal für eine Waldwende
Feuer als ökologischer Faktor spielte in Wäldern Deutschlands bislang keine Rolle. Ändert sich das gerade? Noch nie hat so viel Waldfläche in Europa gebrannt wie in diesem Jahr. Gemäß European Forest Fire Information System (EFIS) sind in Portugal, Rumänien, Spanien, Kroatien und Zypern bis dato die mit Abstand größten Flächenanteile abgebrannt.
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722.373 ha groß war die Brandfläche mit Stand vom 20. August 2022 in den EU-Ländern – dreieinhalbmal so groß wie im Mittel zu diesem Stichtag der Jahre 2006 bis 2021. Für Deutschland sind dort 4.293 ha verzeichnet gegenüber einem Jahresmittel von 300 ha (erhöht um Faktor 14), für Österreich 1.016 ha gegenüber knapp 13 ha Jahresmittel (Faktor 80).
Feuerökologie liefert Antworten
Erst nach drei Wochen war der Brand auf 150 ha Waldfläche im Nationalpark Sächsische Schweiz gelöscht. Das Feuer sprang über die Grenze aus dem Nationalpark Böhmische Schweiz über; dort entstand eine Schadfläche von 1.060 ha. Aber ist das ein Schaden? Rein wissenschaftlich-ökologisch – und damit wertneutral – betrachtet bedeutet ein Brand schlicht eine Störung im Ökosystem. Die Sukzession holt sich die offenen Flächen nach der Störung recht bald zurück. Das hat die Disziplin der Feuerökologie vielfach beschrieben. Feuerökologinnen und -ökologen setzen daher lokal und kleinflächig gezielt gelegte Feuer zum Naturschutzmanagement ein – weniger in Wäldern, doch beispielsweise in Heiden.
Und doch sind die Waldbrände ein Alarmsignal: Einerseits zeigen sie, wie rasch und folgenschwer der Klimawandel fortschreitet. Monatelange Dürre auf ohnehin an Wasser defizitären Böden – man schaue sich die ausgetrockneten Bach- und Flussbetten an – bereitet Bränden den Weg. Und andererseits werden zu überproportionalen Teilen – wenn auch nicht ausschließlich – naturferne Fichten- und Kiefernforsten zum Raub der Flammen. Insofern erlebt sich die Forstwirtschaft zum Teil als Opfer der eigenen verfehlten Waldbaupolitik.
Neues Wagen im Waldbau
Trockenheit, Borkenkäfer und obenauf als neuer Mitspieler der Waldbrand beschleunigen hoffentlich einen Systemwechsel in der Forstwirtschaft hin zu klimaresilienten und multifunktionalen Wäldern. Die Waldwende ist überfällig! Heißt das, die abgebrannten Wälder komplett der Sukzession zu überlassen, wie es in den Nationalparks ohnehin vorgesehen ist? Auf wesentlichen Teilflächen ja, denn die natürliche Waldentwicklung kann, wie viele Sukzessionsstudien beweisen, beispielsweise im Bayerischen Wald, arten- und strukturreiche Mischwälder entstehen lassen, die widerstandsfähiger sind. Dabei kann eine Lenkung der Sukzession durch Einbringen einzelner zusätzlicher heimischer Bäume (mit viel breiterer genetischer Vielfalt als heute aus den Forstbaumschulen) sinnvoll sein. Dieses Konzept darf flächendifferenziert ergänzt werden durch das Einbringen neuer Baumarten, die als klimastabil gelten (was im komplexen Zusammenspiel verschiedener Klimakenngrößen an den neuen Standorten zu beweisen wäre).
Und eine Renaissance erleben sollten Weidewälder, in denen große Pflanzenfresser als Stellvertreter ihrer wilden Urahnen die Walddynamik steuern. Für die Verjüngung der Eichen, und nicht nur derer, wären sie – Stichwort Dornstrauch-Sukzession – ein Geschenk, für vielfältige weitere Ziele des Naturschutzes auch. Gleiches gilt für andere historische Waldnutzungen wie die Mittelwälder, wie ein Beitrag in diesem Heft zeigt. Lasst uns mit Altbewährtem Neues wagen! Die Zeit ist überreif.
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