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Rezension

Neuer Methodikleitfaden der Europäischen Kommission zu Artikel 6 Abs. 3 und 4 der FFH-Richtlinie 92/43/EWG

Die Europäische Kommission veröffentlichte Ende September 2021 einen neuen Leitfaden zu Art. 6 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 92/43/EWG. Er soll dabei helfen, die Verfahrensschritte gemäß FFH-Richtlinie richtig durchzuführen. Der Methodikleitfaden stellt keine ausführliche wissenschaftliche Auseinandersetzung über die Auslegung der Bestimmungen dar. Dennoch ist die Publikation eindeutig zu begrüßen, denn sie stellt eine umfangreiche Arbeitshilfe für die Praxis dar und geht auch auf die aktuelle Herausforderung der Verfahrensbeschleunigung ein.

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 1 Wacholderheide im Fauna-Flora-Habitat-Gebiet „Dörnberg, Immelburg und Helfenstein“
1 Wacholderheide im Fauna-Flora-Habitat-Gebiet „Dörnberg, Immelburg und Helfenstein“ Julia Schenkenberger
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Der Aufbau des Leitfadens orientiert sich an dem schrittweisen Verfahren, das bei der Zulassung eines Planes oder Projektes nach Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL durchzuführen ist. Dabei ist das Dokument explizit darauf ausgerichtet, Praktiker wie Behörden, Projektträger und andere Interessenträger bei der korrekten Anwendung der Richtlinie zu unterstützen. Daher wird zunächst die der eigentlichen Verträglichkeitsprüfung vorgeschaltete Vorprüfung (sog. Screening) eingehend erläutert. Die Vorprüfung soll die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung ermitteln und aufzeigen, welche Auswirkungen der Plan oder das Projekt in all seinen Phasen auf das Gebiet und seine Schutzgüter haben könnte. Grundlage jeder möglichen Beeinträchtigung sind die gebietsspezifischen Erhaltungsziele. Die Kommission weist – für den Methodikleitfaden ansonsten untypisch – mit Nachdruck darauf hin, dass die Mitgliedstaaten spezifische Erhaltungsziele für alle Natura-2000-Gebiete festlegen müssen. Hintergrund ist, dass nicht alle Mitgliedstaaten ihrer Pflicht bisher ausreichend nachgekommen sind. Neben dem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland (Nr. 2014/2262) mündete ein paralleles Verfahren gegen Griechenland jüngst in einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH, Urt. v. 17.12. 2020, C-849/19).

Der Methodikleitfaden beschreibt die einzelnen Schritte der behördlichen Prüfung anwenderorientiert und veranschaulicht die Prüfschritte durch Beispiele, Tabellen und Schemata. Die Darstellung verdeutlicht, dass eine frühzeitige, detaillierte Vorprüfung, die das Vorhaben und die möglichen Auswirkungen ausführlich ermittelt, zur Verfahrensbeschleunigung beiträgt. Denn die Vorprüfung kann als Grundlage für die Informationssammlung in der Verträglichkeitsprüfung bereits wichtige Indikatoren liefern. Die Europäische Kommission hält daran fest, dass vollständige, aktuelle Daten in der Verträglichkeitsprüfung zu ermitteln sind, sodass etwa bei Großprojekten eine Felderhebung über den gesamten Vegetationsprozess nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein soll. Detaillierte Kartierungen seien nicht zu umgehen, eine Beschleunigung des Verfahrens sei über laufende Datenerhebungen unabhängig von Plänen und Projekten zu erreichen.

Auch zur Ermittlung und Bewertung der Beeinträchtigungen des Gebietes durch ein Projekt liefert der Leitfaden eindrückliche Schaubilder und Checklisten, an denen sich die Behörden orientieren sollen. Gleichzeitig adressiert die Kommission typische Fehlerquellen. So betont sie etwa mehrfach, dass nicht nur der derzeitige Zustand des Gebietes als Maßstab herangezogen werden darf, sondern auch die Auswirkungen eines Projektes oder Plans auf das Erreichen der Erhaltungsziele im Gebiet. Wenn diese eine positive Entwicklung vorsehen, beeinträchtigt ein Projekt, dass diese Entwicklung aufhält, das Gebiet als solches. Im Einklang mit der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 24.6.2021, C-559/ 19) zeigt der Leitfaden auf, dass die Verträglichkeitsprüfung mit vollständigen, präzisen und endgültigen Feststellungen schließen muss und ein Projekt oder ein Plan nur zugelassen werden darf, wenn auf Grund der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse alle Zweifel an einer Beeinträchtigung der gebietsspezifischen Erhaltungsziele ausgeräumt sind.

Eine abweichende Entscheidung ist nur über eine Ausnahme nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL möglich. Der Leitfaden beschreibt die drei Voraussetzungen der Ausnahme: die Alternativenprüfung, die zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses und die Kohärenzsicherungsmaßnahmen. Auch bei der Alternativenprüfung ist eine Verfahrensbeschleunigung durch frühzeitige Planung zu erreichen, sodass Alternativen bereits im Planungsprozess erörtert werden können. Die Europäische Kommission hält an den Anforderungen an die Alternativenprüfung fest und betont, dass stets die Alternative zu wählen sei, die die wenigsten Schäden an den Schutzgütern verursacht, auch wenn diese auf nationaler Ebene bereits ausgeschlossen wurde. Eine nationale Bedarfsplanung kann demnach nach Auffassung der Kommission die Alternativenprüfung nicht einschränken. Die Kommission zeigt durch Tabellen und Beispiele auf, wie die Alternativen und ihre Auswirkungen nach Qualität und Quantität zu beurteilen sind. Auch für die Abwägung der zwingenden Gründe des öffentlichen Interesses führt sie Praxisbeispiele an, die die Kommission in früheren Verfahren akzeptiert hat. Der Leitfaden erläutert zudem ausführlich, welchen Kriterien die Kohärenzsicherungsmaßnahmen genügen müssen. Ausgleichsmaßnahmen müssen beispielsweise das Verhältnis der beeinträchtigten Arten und Lebensraumtypen deutlich über einem 1:1-Verhältnis abbilden und eine vergleichbare ökologische Funktionalität aufweisen. Örtlich sollten sie möglichst nah am Ort der Beeinträchtigung erfolgen; eine zeitliche Verzögerung von Ausgleichsmaßnahmen erfordert einen weiteren Ausgleich. Die Kommission liefert zur Überwachung des Projektes und den Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen Checklisten und empfiehlt ein adaptives Management. Zum Abschluss des Leitfadens geht die Kommission schließlich auf sonstige Umweltprüfungen ein, denen ein Vorhaben möglicherweise zu unterziehen ist. Sie betont nochmals die strategische Planung.

Die Europäische Kommission hat mit dem Methodikleitfaden einen Leitfaden veröffentlicht, der anwenderorientiert und praxisnah die entscheidenden Prüfschritte und Methoden des Zulassungsverfahrens nach Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL aufzeigt. Der Leitfaden zeigt darüber hinaus auf, wie nach Meinung der Kommission nach zügige Zulassungsverfahren möglich sind, ohne die Vorgaben des Unionsrechts zu beschneiden.

Literatur

Europäische Kommission, 2021, Prüfung von Plänen und Projekten in Bezug auf Natura-2000-Gebiete – Methodikleitlinien zu Artikel 6 Absätze 3 und 4 der FFH-Richtlinie 92/43/EWG , COM (2021) 6913 final, Brüssel.

Autor

Layla Mihatsch ist Juristin und hat ein Schwerpunktsbereichsstudium des deutschen und europäischen Umwelt- und Planungsrechts absolviert. Derzeit arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für öffentliches Recht der Universität Bonn.

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