Schon wieder kurz vor geballtem Jahresende
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Update zur EU-Landwirtschaftspolitik
Keine Sorge, Details zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erspare ich Ihnen an dieser Stelle. Diese ist ja leider vom EU-Rahmen her in „trockenen Tüchern“, ohne dass es zum längst überfälligen Systemwechsel kommt. Formal muss das im Juni von den Ko-Gesetzgebern vereinbarte Trilog-Ergebnis zwar noch vom Europaparlament bestätigt werden, was vermutlich in der Woche vom 22. November erfolgen soll. Auch werden Umweltverbände die Abgeordneten erneut dazu aufrufen, das ambitionslose Ergebnis abzulehnen. Selbst wenn diesem Aufruf grüne und einige progressivere Kräfte folgen, ist aber eine konservative Mehrheit absehbar, welche die GAP-Pfründe nun in trockene Tücher bringen möchte. Die Hoffnung auf Nachsteuerung innerhalb des gesetzten „Zwei-Säulen“-Rahmens mit Ökoregelungen und Konditionalitäten ruht somit ab jetzt allein auf dem deutschen Gesetzgeber. Wird eine neue Bundesregierung beim nationalen Strategieplan nachbessern (und wird die EU-Kommission dies einfordern)? Werden die Bundesländer die Zahlungen der zweiten Säule so programmieren, dass den Landwirten echte Ökoleistungen effektiv honoriert werden? Falls Sie hier dranbleiben möchten (und noch nicht dabei sind): Abonnieren Sie doch gerne unseren NABU-Blog (der aus obigem Grund justament von „GAP-Ticker“ umbenannt wurde in „NABU-Agrar-Blog“, Webcode NuL4061).
In den letzten Wochen rückte parallel die vom Europäischen Green Deal bekannte „Farm-to-Fork-Strategie “ in den Blick. Diese enthält bekanntlich Ankündigungen zu Ökolandbau-Zielen, Pestizidreduktion & Co., und ist als Kommissionsmitteilung eigentlich nicht zustimmungspflichtig. Trotzdem ist es Usus, dass sowohl Rat als auch Parlament sich hierzu (mit unverbindlichen Stellungnahmen) äußern und der Kommissionsmitteilung dadurch stärkere Legitimation verleihen. In ersten Aussprachen im Agrarausschuss des Parlaments kritisierte der industrienahe europäische Bauernverband die Strategie stark. Eine von der EU-Kommission beauftragte Modellierung wurde verkürzt interpretiert, das Ende der Ernährungssicherheit in Europa an die Wand gemalt, anstatt auf die ökonomischen Chancen für Landwirte und Gewinne für den Umweltschutz zu verweisen (siehe NABU-GAP-Ticker vom 28. September unter NuL4061). Den Agrarausschuss passierte der insgesamt aus Umweltschutzsicht passable Bericht zur Farm-to-Fork-Strategie inzwischen, die Plenarabstimmung war für die Woche des 18. Oktobers vorgesehen. Ob das Plenum aufgrund des massiven Lobbyings der Agrarindustrie noch weitere Abstriche am Bericht beschließt, bleibt abzuwarten.
Entwicklungen beim Artenschutz
Große Sprünge gibt es von der EU-Ebene nicht zu melden bezüglich des Artenschutzes. Noch im Herbst soll zunächst der aktualisierteLeitfaden zum Artenschutz (Art. 12 und 16 FFH-Richtlinie) veröffentlicht werden. Sie erinnern sich: Genau wie mit dem äußerst brauchbaren Habitatschutz-Leitfaden zu Art. 6 FFH-Richtlinie, der im November 2018 aktualisiert wurde ( NuL4061 ), liegt von der EU-Kommission auch ein Artenschutz-Leitfaden vor. Die letzte Version stammt von 2007, im Rahmen des Fitness Checks wurde eine Aktualisierung versprochen. Diese verzögerte sich aber unter anderem, weil die EU-Kommission auf verschiedene EuGH-Urteile (z.B. zum Wolf) warten wollte. Nun steht der Leitfaden auch in deutscher Sprache zur Verfügung: NuL4061 .
Ebenfalls mit gewisser Verzögerung auf der Zielgeraden ist nun die von BirdLife Europe und HeidelbergCement angestoßene Arbeit zumArtenschutz im Gesteinsabbau -Sektor. Diese soll ebenfalls als Leitfaden dienen, um mittels fachlicher Kriterien eine leichtere Ausnahmen-Abarbeitung zu ermöglichen. Insgesamt hoffen beide Kooperationspartner auf ein win-win für die Unternehmen und die Natur. Das mit einem Vorwort von der EU-Kommission versehene Dokument finden Sie vermutlich ab Ende Oktober auf den öffentlichen Kanälen von BirdLife Europe und HeidelbergCement.
Und zu guter Letzt: Das Thema Artenschutz wird leider vermutlich auch bei den Koalitionsverhandlungen unter dem StichwortPlanungsbeschleunigung eine Rolle spielen, und hierbei den schwarzen Peter zugeschoben bekommen für alle bisherigen Verzögerungen, die vor allem politisch zu verantworten sind. Klar sollte sein, dass Deutschland sich nicht gegen vereinbartes EU-Recht stellt. Ein grundsätzliches Abweichen vom Individuenbezug bei den artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen wird also nicht machbar sein. Über die von der deutschen Rechtsprechung eingeführte Signifikanzschwelle indes ist eh auch auf Tatbestandsebene schon der Populationsbezug inbegriffen. Mehr Klarheit durch Konkretisierungen und Leitfäden lässt sich sicherlich bezüglich einer Ausnahme-Abarbeitung schaffen. Einhergehen sollte das Ganze mit aktiven Artenschutzprogrammen für besonders gefährdete und auch von der Planung betroffene Arten. Echte Beschleunigungswirkung hat – wie viele von Ihnen bestimmt bestätigen können – außerdem ein verändertes Gutachterwesen sowie bessere personelle Ausstattung von Behörden. Nicht schuld am bisherigen Abwürgen der Energiewende durch mangelnde Ausbaupfade und Fehlanreize zu Gunsten der Fossilen sind im Übrigen auch die Umweltverbände. Regelmäßige Auswertungen zeigen, dass diese verantwortlich mit ihren Beteiligungsrechten umgehen und für die nötige Fehlerkorrektur sorgen. Partizipation und Rechtsschutz sind außerdem aus demokratietheoretischen Gründen zwingend. Eine Unterscheidung zwischen „guten“ und „schlechten“ Vorhaben kann es diesbezüglich nicht geben!
Geballtes Jahresende
Nun aber zum im obigen Titel angesprochenen geballten Jahresende: In der August-Ausgabe meiner Brüssel-Kolumne ( NuL4061 ) berichtete ich unter anderem vom„Fit for 55“-Paket . Die dort vorgelegten Anpassungen an EU-Rechtsakten – etwa die Anpassung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie – und auch unverbindliche Mitteilungen wie die EU-Waldstrategie liegen nun beim Europaparlament und den dafür zuständigen Rats-Formationen. Im Parlament sind die zuständigen Ausschüsse bestimmt, nun geht es darum, die Berichterstatter der Fraktionen festzulegen. Im Rat versucht die noch bis Ende Dezember amtierende slowenische Ratspräsidentschaft, einige der Dossiers durch entsprechende Positionierungen voranzubringen, bevor der Staffelstab der Ratspräsidentschaft an Frankreich übergeben wird (wo im ersten Halbjahr 2022 auch die französische Präsidentschaftswahl ansteht). Hier ist allein mit den bisher vorgelegten Initiativen des Europäischen Green Deals also eine Menge Arbeit auf dem Tisch.
Dazu kommen gen Ende des Jahresweitere Gesetzesvorschläge im Umweltbereich. Nach derzeitiger Arbeitsplanung der EU-Kommission soll am 17. November unter anderem die Boden(schutz)strategie vorgestellt werden, außerdem der Vorschlag zur Risikominimierung der Entwaldung beziehungsweise Waldzerstörung durch in den EU-Markt importierte Produkte (entwaldungsfreie Lieferketten). Am 14. Dezember soll dann sozusagen Teil 2 des „Fit for 55“-Pakets folgen im Energie- und Klimabereich. Außerdem die zuletzt auf den 22. Dezember terminierte EU-Renaturierungsgesetzgebung sowie eine Überarbeitung desUmweltstrafrecht s. Ob das Datum für die Renaturierungsziele gehalten wird, kann ich noch nicht abschätzen. Ambitioniert scheint es mir auf jeden Fall, denn nach meinem Kenntnisstand hat die EU-Kommission nach der negativen Stellungnahme durch das entsprechende „Better-Regulation“-Gremium den eigentlichen Gesetzestext noch nicht wirklich fertiggestellt. Auch dieser wird sodann noch intern diskutiert werden müssen. Nach einem letzten Workshop hierzu hatte sich unter anderem BirdLife Europe nochmals an die EU-Kommission gewandt und appelliert, einfach messbare Ziele vorzuschlagen und hierbei auf die „Zusätzlichkeit“ zu achten, um nicht bloß sowieso bestehende Verpflichtungen aus der FFH-Richtlinie zu doppeln. Leider sieht es wohl nicht danach aus, dass der von uns erarbeitete Vorschlag für ein simples 15%-Flächenziel mit Fokus auf Vernetzung und klimaschutzrelevante Ökosysteme aufgegriffen wird.
Autor
Der Umweltrechtsexperte Raphael Weyland arbeitet seit 2015 für den NABU in Brüssel, unter anderem zum Thema EU-Naturschutzrecht.
Dr. Raphael Weyland, NABU, Büroleiter Brüssel
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