Falsch verstandene Tierliebe
- Veröffentlicht am
Eine Dame in grüner Montur – Madame Naturfreundin – platzt eines Tages in eine Besprechung zwischen Projektleiter, Bauleiter (Herr Platzhirsch aus einem früheren Projekt), Umweltbehörde und mir, als wir gerade eine Baustelle begehen und das Vorgehen absprechen. Die Dame fängt mit der Behörde zu diskutieren an: Es geht um irgendein Straßenprojekt, das hier überhaupt nicht von Belang ist. Die Dame und der Herr von der Behörde bitten Madame Naturfreundin immer wieder höflich, sich in den nächsten Tagen auf dem Amt zu melden. Dann könne man ihr Raum und Zeit geben, ihr Anliegen anzuhören. Jetzt sei man mit einem anderen Projekt beschäftigt. Ich bin ziemlich genervt, denn auch mein Zeitplan ist an dem Tag eng gesteckt und die Anfahrt war für fast alle Beteiligten weit. Aber Madame Naturfreundin scheint nicht zu merken, dass sie fehl am Platz ist. Sie bedient mit ihrer grünen Ausstattung und ihrer Argumentation sämtliche Klischees.
Da platzt Herrn Platzhirsch der Kragen. Er wird ziemlich laut und wendet sich an Madame Naturfreundin: „Hören Sie, Ihre Liebe zum Getier in allen Ehren – wir haben hier aber eine Baustelle zu besprechen, und wie Sie sehen, ist der Naturschutz mit involviert. Bitte gehen Sie jetzt, wir haben zu arbeiten und alle unsere Zeit nicht gestohlen.“ Die Dame klappt ihren Mund auf. Dann wieder zu. Sie dreht sich um und geht. Ein Aufatmen geht durch die Runde. Keiner der anderen Beteiligten hätte sich das getraut, nun ist man aber froh, dass die Besprechung endlich weitergehen kann.
Nicht immer geht es so friedlich aus. Ursache dafür ist, dass offensichtlich in der breiten Gesellschaft verschiedene naturschutzfachliche Vorgehensweisen nicht bekannt sind. Das daraus entstehende Konfliktpotenzial ist enorm.
Beispiel gefällig? Am Nachmittag nach meinem Erlebnis mit Madame Naturfreundin telefoniere ich mit einem Kollegen, der an dem Tag Zauneidechsen abfangen war. „Das ist ja noch gar nichts!“, meint er auf meinen Bericht und legt los. „Die abzusammelnde Fläche soll in zwei Tagen für den Baubetrieb freigegeben werden. Ich hatte heute einen sehr erfolgreichen Tag und sämtliche Terrarien mit Tieren gefüllt, sicherlich zwölf Jungtiere und fünf erwachsene. Zum Abschluss wollte ich ein letztes Mal an eine Stelle schauen, die etwas weiter hinten liegt. Ich war davon überzeugt, mein Abfangerfolg ist so gut, dass ich die Fläche freigeben kann. Die Terrarien habe ich in den Schatten gelegt, und wollte sie anschließend auf die Ersatzhabitate bringen. Als ich zurückkomme, stehen da zwei Frauen mit Hunden und lassen sämtliche Zauneidechsen frei! Ich dachte, ich sehe nicht recht. Aber damit nicht genug, sie beschimpfen mich als Tierquäler und drohen die Polizei zu holen. Die eine hat sogar ihr Pfefferspray ausgepackt, als ich ihr die Meinung sagen wollte! Die Baustelle kann ich nun natürlich nicht freigeben, die ganze Arbeit für den ... Ein Tierquäler! Ich! “
Nach einigen tröstenden Worten lege ich auf. Schlimmer geht immer. Was die beiden Grazien in Wirklichkeit mit ihrer Unwissenheit angerichtet haben, wird ihnen nicht bewusst sein. Stattdessen wird hier der wirkliche Tierretter zum Täter degradiert.
Barrierefreiheit Menü
Hier können Sie Ihre Einstellungen anpassen:
Schriftgröße
Kontrast
100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot
Als Abonnent:in von Naturschutz und Landschaftsplanung erhalten Sie pro Kalenderjahr 100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot im Grünen Stellenmarkt.
mehr erfahrenNoch kein Abo? Jetzt abonnieren und Rabatt für 2025 sichern.
zum Naturschutz und Landschaftsplanung-Abo
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.