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Bericht aus Brüssel

Frisch erholt ins zweite Halbjahr

In der August-Kolumne habe ich von der anstehenden Veröffentlichung der EU-Waldstrategie berichtet. Die EU-Kommission hat diese nun nach einigen Verwirrungen am 16. Juli veröffentlicht ( NuL4061 ). Leider war das Intervenieren verschiedener Landwirtschaftsministerinnen und -minister erfolgreich. Gemeinsam mit unter anderem Ungarn und Rumänien hatte sich Julia Klöckner an die EU-Kommission gewandt und mitgeteilt, dass das Aufstellen von Umweltschutzkriterien für Wälder nicht akzeptabel sei (mir ist nicht bekannt, ob dieser Brief überhaupt ressortabgestimmt wurde, obgleich er offensichtlich Belange des Umweltschutzes berührt). Daraufhin wies Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die beiden federführend zuständigen Kommissare für Umwelt und für Landwirtschaft an, den Textentwurf abzuändern.
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 Forstlich genutzter Laubwald in Rheinland-Pfalz
Forstlich genutzter Laubwald in Rheinland-Pfalz Julia Schenkenberger
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EU-Waldstrategie durch Intervention verschiedener Agrarminister abgeschwächt

Gestrichen wurde unter anderem folgender Punkt: Die finale Version der EU-Waldstrategie enthält keinen Hinweis mehr darauf, dass die EU-Kommission verbindliche Kriterien für die nachhaltige Bewirtschaftung einführt (also zum Beispiel maximale Einschlagmengen). Auch fehlt der vormals stärker betonte Passus, dass Kahlschläge umweltschädlich sind. Die maximale Einschlagmenge wollen die Mitgliedstaaten stattdessen selbst festlegen und höchstens auf freiwilliger Basis (durch ein weiteres Zertifikatsystem oder Label) auf EU-Ebene koordinieren. Dies ist ersichtlich kein effektives Vorgehen gegen biodiversitäts- und klimaschädliche Nutzungs- und Bewirtschaftungspraktiken.

Einer der guten Punkte, die weiterhin in der Strategie zu finden sind, ist der Hinweis darauf, dass alte und naturnahe Wälder geschützt werden müssen. Gemeinsam sollen in einem nächsten Schritt Definitionskriterien für diese Wälder erarbeitet werden. Sodann sind Bund und Länder gefordert, zügig in die Umsetzung zu gehen und entsprechende Flächenkulissen zu identifizieren und zu schützen. Die neue Bundesregierung sollte außerdem sicherstellen, dass die Waldschutz- und -bewirtschaftungsfragen nicht erneut im Alleingang vom Bundeslandwirtschaftsministerium entschieden werden können. Zukünftig sollte das Bundes- beziehungsweise die Landesumweltministerien zumindest gleichberechtigt mitentscheiden.

Der Schutz unserer Wälder ist gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Starkregen- und Unwetterereignisse elementar. Intakte Wälder haben als Ökosysteme für den Klimaschutz und die Biodiversität eine wichtige Bedeutung.

Wälder auch durch Reform der Erneuerbaren-Richtlinie bedroht

Ebenfalls in der August-Kolumne angekündigt hatte ich das „Fit for 55-Paket“. Dieses hat die EU-Kommission noch vor der Waldstrategie am 14. Juli veröffentlicht. Einer der sicherlich aus Umweltschutz-Sicht kritischsten Punkte wurde trotz der Kampagne verschiedener Umweltschutzverbände nicht korrigiert. Dem Entwurf der überarbeiteten Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) nach soll auch weiterhin Waldbiomasse grundsätzlich als erneuerbare Energie gelten. Dies wird aus Sicht des NABU den Hunger nach Holz anheizen, so dass der Trend weitergeht, ganze intakte Wälder für die Energiegewinnung zu verheizen. Da nur gewisse Waldtypen geschützt sind, könnten so bis zu 97% der Wälder bedroht sein, meint unser Dachverband BirdLife Europe (Pressemitteilung unter NuL4061 ). Da der Richtlinienvorschlag nun vom Europäischen Parlament und vom Rat verhandelt wird, sind theoretisch noch Nachbesserungen möglich.

Ansonsten weist das „Fit for 55-Paket“ Licht und Schatten auf. Insgesamt ist das Nachjustieren hin zu mehr Klimaschutz bei zahlreichen EU-Rechtsakten zu begrüßen. Allerdings drohen verschiedene Stolpersteine. So wird der für den Verkehrssektor neu eingeführte Emissionshandel wegen der konkreten Ausgestaltung vermutlich kaum Steuerungswirkung entfalten. Die geplante Einbeziehung der Schifffahrt könnte zu einem Boom von problematischen Biokraftstoffen oder Flüssiggas führen. Weitere Details finden Sie unter anderem im NABU-Blog zur Bundestagswahl in dem entsprechenden „Fit for 55“-Beitrag ( NuL4061 ).

„Draft One“ und IUCN Welt-Naturschutz-Kongress

Auch wenn das globale Weltbiodiversitätsabkommen kein originäres EU-Thema ist, erlaube ich mir hier ein paar entsprechende Zeilen, schließlich geht der Blick über den deutschen Tellerrand hinaus. Sie haben es ja verfolgen können, ich berichtete mehrfach kurz: Ursprünglich war die 15. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention (CBD) bereits für Oktober 2020 in Kunming geplant gewesen. Wegen der Corona-Krise wurde die Konferenz jedoch verschoben. Angekündigt ist zumindest die Eröffnung der Konferenz für Oktober 2021. Allerdings sieht ein noch nicht beschlossenes Szenario vor, die Konferenz formal eröffnet zu lassen und erst im Frühjahr 2022 das Abschlussplenum zu veranstalten, auf dem der finale Text der künftigen globalen Biodiversitätsstrategie verhandelt wird. Grund hierfür ist vor allem, dass die Vorbereitungen in den technischen Arbeitsgruppen nicht ausreichend fortgeschritten sind – einfach, weil das Verhandeln virtuell länger dauert. Aus NABU-Sicht ist die Verzögerung zwar ärgerlich, Qualität geht allerdings vor Schnelligkeit. Außerdem soll auch eine ausreichende Beteiligung der Zivilgesellschaft gewährleistet werden. Wichtig ist deswegen vor allem, dass selbst bei einer erneuten Verschiebung die Zeit für die vorbereitenden Verhandlungen sinnvoll genutzt wird.

Am 13. Juli ist nun der erste Entwurf des künftigen Abkommens („Draft One“) vom Sekretariat der CBD veröffentlicht worden ( NuL4061 ). Dieser enttäuscht aber durch fehlende Details und lässt die nötige Ambition noch vermissen. So ist das Renaturierungsziel weit von der für die EU oder auch Deutschland geforderten Zahl von 15% der Landesfläche entfernt. Bezüglich Subventionen sieht der Text nur vor, die schädlichsten zu beenden, nicht aber alle umweltschädlichen. Und hinsichtlich des Treibers Landwirtschaft fehlen konkrete Zwischenziele, zum Beispiel die Nutztierbestände abzubauen. Hier sollte die EU als wichtiger Akteur der CBD, aber auch Deutschland, Nachbesserungen einfordern. Die größte Schwäche scheint auf einen ersten Blick indes die „Steuerungs-Architektur“ zu sein. Meiner Einschätzung nach ist diese noch weit davon entfernt, ähnliche Verbindlichkeit zu schaffen wie es das Paris-Übereinkommen versucht. Hiervon wird jedoch abhängen, ob die Vertragsstaaten sich den Vorgaben verpflichtet fühlen, entsprechende Maßnahmen zu erlassen, und ihnen bei Nicht-Einhaltung Konsequenzen drohen.

Ebenfalls einen Blick über den Tellerrand werfe ich mit Hinweis auf den Welt-Naturschutz-Kongress. Dieser findet vom 3. bis 11. September auf Einladung der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) in Marseille statt. Geplant ist ein hybrides Konzept mit physischen Veranstaltungen und der Möglichkeit, sich virtuell zu beteiligen. Dieses Treffen steht zwar nicht im direkten Zusammenhang mit der CBD, ist aber als eines der weltweit größten Naturschutz-Treffen ein Stelldichein von Praxis und Politik. Entsprechend wird auch dort von den verschiedenen Akteuren über den „Draft One“ gesprochen werden.

Und nun noch zwei abschließende Hinweise: Zwar kam wie beim letzten Mal angekündigt Mitte Juli wieder ein „Infringement Package“ der EU-Kommission heraus, allerdings enthielt dieses keine Vertragsverletzungsverfahren im Bereich Naturschutz. Wir schauen daher gespannt auf Mitte September, denn dann dürfte die Kommission erneut ihre Rolle als Hüterin der Verträge ausüben. Spannend zu sehen sein wird außerdem, ob die Hochwasser-Ereignisse in Bund und Ländern auch für ein Umdenken bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie führen. Auch diesbezüglich ist ja zumindest ein Pilotverfahren gegen Deutschland anhängig. Mit der Vorgabe, den guten Zustand der Wasserkörper herzustellen und Ausnahmen bezüglich stark veränderter Wasserkörper zu prüfen, geht eigentlich das Diktat einher, den Flüssen wieder mehr Raum zu geben, Auen zu schützen, etc. Genau solche Maßnahmen also, die auch dem natürlichen Hochwasserschutz dienen. Jetzt muss die Politik sich dieser Vorgaben nur noch annehmen. Dass diese Zielsetzung noch nicht überall angekommen ist, hat beispielsweise Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer gezeigt: Entgegen der Empfehlung der Umweltministerkonferenz unterzeichnete er mit der tschechischen Republik im Juli unmittelbar nach dem Hochwasser eine Vereinbarung zur Vertiefung beziehungsweise Schiffbarkeit der Elbe, ohne ökologische Aspekte zu berücksichtigen ( NuL4061 ).

Autor

Der Umweltrechtsexperte Raphael Weyland arbeitet seit 2015 für den NABU in Brüssel, unter anderem zum Thema EU-Naturschutzrecht.

 

Dr. Raphael Weyland, NABU, Büroleiter Brüssel

Raphael.Weyland@NABU.de

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