EU-Konsultation zu Renaturierungszielen erfolgreich beendet
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Am Ostermontag lief die Frist zur Teilnahme an der öffentlichen Konsultation zu EU-Renaturierungszielen aus. Wie berichtet hatten Brüsseler Umweltverbänden rund um BirdLife Europe zur leichteren Teilnahme die Initiative „Restore Nature“ gestartet. Diese erreichte das selbst gesteckte Ziel, mindestens 100.000 Bürgerinnen und Bürger hinter sich zu versammeln: insgesamt nahmen mittels der Kampagne 104.188 Europäerinnen und Europäer an der Befragung der EU-Kommission teil. Hiervon kamen auch dank NABU-Unterstützung allein 35.387 Stimmen aus Deutschland.
Aus meiner Sicht ist die starke Beteiligung aus Deutschland ein Zeichen, dass das Thema „Renaturierung“ die Menschen umtreibt. Dies kann als Appell an die Politik verstanden werden, das Thema ambitionierter zu behandeln. Auf Bundesebene bräuchte es hierfür, gerade auch wenn man Lehren aus der unbefriedigenden Natura-2000-Umsetzung zieht, eine stärkere Steuerung und Koordinierung, am besten durch verbindliche Vorgaben. Um das Thema großflächig anzugehen, sollte außerdem über finanzielle Förderung des Bundes nachgedacht werden, zum Beispiel über eine erweiterte Gemeinschaftsaufgabe. Darüber hinaus sind aber auch jetzt schon Initiativen der Bundesländer und einzelner privater Akteure zu begrüßen.
Wie geht es nun auf EU-Ebene weiter? Als Nächstes wird die Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission intern einen ersten Gesetzesentwurf erarbeiten. Neben der Konsultation bindet die EU-Kommission Interessensvertreter hierbei auch in diversen Workshops ein. Dieser Vorschlag wird von einer Gesetzesfolgenabschätzung begleitet. Im Frühsommer erfolgt dann die Beteiligung weiterer Dienststellen der EU-Kommission. Nach dem Sommer dürfte der Vorschlag den entsprechenden Gremien zugeleitet werden, die im Rahmen der „Besseren Rechtsetzungs-Agenda“ geschaffen wurden. Vor der Veröffentlichung des Entwurfs muss dieser sodann vom Kollegium der Kommissarinnen und Kommissare gebilligt werden. Hiernach, voraussichtlich gegen Ende des Jahres, wird der Vorschlag dann dem Europäischen Parlament und Rat zugeleitet, und das reguläre Gesetzgebungsverfahren beginnt. Im Europäischen Parlament befasst sich zunächst der federführende Ausschuss und dann das Plenum mit dem Vorhaben, im Rat behandelt der Umweltausschuss das Dossier. Nach der Positionierung findet – anstelle der zweiten Lesung – das Trilogverfahren statt, in dem die drei EU-Institutionen einen finalen Kompromiss suchen. Sodann wird der Gesetzestext veröffentlicht.
Handelt es sich um eine Richtlinie, muss diese von den Mitgliedstaaten noch umgesetzt werden; eine EU-Verordnung gilt unmittelbar, kann und sollte aber natürlich durch nationales Recht aufgegriffen und weiter auskonkretisiert werden. Hier kommt nun die neue Bundesregierung ins Spiel, denn EU-Recht richtet sich formal an den Bund, der die Umsetzung sicherstellen muss. Erstaunlicherweise findet sich in den bisher gesichteten Wahlprogrammen beziehungsweise Entwürfen wenig zum Thema Renaturierung, so dass hier sicher noch Überzeugungsarbeit zu leisten ist.
Konsultation zur EU-Waldstrategie und Pestizid-Reduktion
Zwei andere Konsultationen sind kürzlich ebenfalls ausgelaufen. Am 12. April endete die Konsultation zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden. Dies hat folgenden Hintergrund: Die EU-Kommission hat unter anderem in der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 versprochen, den Pestizideinsatz um 50 % zu reduzieren. Die Details sollen in der zu novellierenden Richtlinie zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden festgelegt werden. Schon jetzt ist enormer Widerstand von der Pestizid-Industrie absehbar. Der NABU hat an dieser Konsultation teilgenommen. Musterantworten gab es auch von den Expertinnen und Experten des Pestizid-Aktions-Netzwerks PAN Europe (Download unter Webcode NuL4061 ).
Am 19. April endete außerdem die Konsultation zur EU-Waldstrategie. In der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 ist angekündigt, dass aufbauend auf den Schutzzielen eine Waldstrategie veröffentlicht wird. Diese dürfte zwar kaum verbindliche Ziele enthalten. Sie wird dennoch für wichtig erachtet, da sie den EU-Mitgliedstaaten eine gemeinsame Linie vorgeben könnte. Wichtig ist dabei, dass es eben nicht nur um die wirtschaftliche Nutzung der Wälder, sondern vor allem auch um deren Schutz geht. Daneben könnte außerdem das Thema Aufforstung beziehungsweise Baumpflanzungen adressiert werden, da in der EU-Biodiversitätsstrategie ein entsprechendes Ziel verankert ist. Baumpflanzungen hält der NABU vor allem im urbanen Raum für sinnvoll. In jedem Fall ist auf die Auswahl der Arten zu achten und darauf, dass keine wertvollen Lebensräume (zum Beispiel artenreiches Grünland) zerstört werden. Mit Unterstützung des bayerischen LBV hat der NABU auch an dieser Konsultation teilgenommen. Musterantworten gab es ferner vom Experten-Team der EU-NGO FERN ( NuL4061 ).
Nachhaltige Finanzen und EU-Taxonomie: Es droht Greenwashing und Scheitern!
Einleitend verneinte ich öffentlichen „Knatsch“ in Umweltangelegenheiten. Ein Thema hat es aber in sich: Just in diesen Monaten scheint sich zu entscheiden, ob effektive EU-Vorgaben für nachhaltige Finanzen zu scheitern drohen. Worum geht es? Gerade auch die EU-Mitgliedstaaten hatten die EU-Kommission darin unterstützt, einheitliche Kriterien für grüne Geldanlagen zu schaffen, um durch entsprechende Anreize die Wirtschaft in die Klimaschutzbemühungen einzubeziehen. Die hierfür vorgesehene Taxonomie-Grundverordnung ist bereits verabschiedet. Nun geht es darum, in „Delegierten Rechtsakten“ Details für einzelne Tätigkeiten festzulegen. Die EU-Kommission ist kurz davor, den Delegierten Rechtsakt zum Thema „Klima“ zu veröffentlichen. Hiernach müsste dieser in dem dafür vorgesehenen Procedere noch Europaparlament und Rat passieren.
Doch die Anfang April bekannt gewordenen Leaks des Delegierten Rechtsakts sorgen für Empörung. Offenbar auf Betreiben diverser Mitgliedstaaten und Lobbygruppen sollen nun viele schädliche Tätigkeiten doch grün angestrichen werden. Deutschland setzte sich offenbar dafür ein, dass fossiles Gas nicht als schädlich eingestuft wird, Frankreich protegierte seine Atomkraft. Die Agrarlobby versucht, alle von der GAP geförderten Tätigkeiten (die ja bekanntlich größtenteils wenig an Umweltzielen orientiert sind) als im Einklang mit der Verordnung einzustufen, die Forstlobby wehrt sich gegen Kritik am Abholzen von Wäldern.
Neun Mitgliedern der Kommissionsplattform zu nachhaltigen Finanzen platzte jetzt der Kragen. In einem Brief drohen Verbraucher- und Umweltschützer – unter anderem BirdLife Europe und WWF –, aus der Plattform auszusteigen (Pressemitteilung dazu unter NuL4061 ). Auch der NABU sieht in dem Thema grundsätzlich ein gewisses Potenzial, aber eben nur, wenn auch klare Kriterien geschaffen werden. Ansonsten kann man sich den Aufwand sparen.
Rechtsschutz gegen EU-Entscheidungen: Blockaden bei Aarhus-Verordnung
Die Aarhus-Konvention ist vielen ein Begriff. Sie regelt den Zugang zu Umweltinformationen sowie die Partizipation und den Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten. Wie bei vielen anderen Abkommen können der Konvention sowohl Staaten als auch die EU selbst beitreten. In Deutschland wurde die Säule des Rechtsschutzes (aus NABU-Sicht unvollständig) durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz umgesetzt. Bei der Aarhus-Verordnung geht es nun um die Umsetzung der Rechtsschutz-Vorgaben durch die EU für sich selbst.
Schon seit längerem hatte das „Compliance Committee“ der Aarhus-Konvention (ACCC) festgestellt, dass die EU selbst die Aarhus-Konvention verletzt. Nach langem politischem Tauziehen legte die EU-Kommission im Oktober 2020 daher einen Vorschlag vor, um die Aarhus-Verordnung zu ändern. Umweltverbände begrüßten zwar, dass die EU-Kommission endlich gesetzgeberisch Abhilfe schaffen wolle, bemängelten aber, dass die Änderungen nicht ausreichten.
Noch unter deutscher Ratspräsidentschaft hatte sich der Umweltrat mit dem Dossier befasst. Am 17. Dezember 2020 beschloss er eine sogenannte „Allgemeine Ausrichtung“. In dieser legte er die Position des Rates für die Trilog-Verhandlungen zur Änderung der Aarhus-Verordnung fest. Insgesamt erfolgten auch im Rat keine wesentlichen Änderungen des Kommissionsvorschlags. Die Entscheidung des anderen Ko-Gesetzgebers der EU steht noch aus. Früher war das Europäische Parlament bei derartigen Positionierungen zwar in der Regel schneller als der Rat. Aber meinem Eindruck nach führen sowohl die virtuelle Organisation der Fraktionen und Ausschüsse als auch die offenbar noch nicht ganz eingespielte Neuzusammensetzung dazu, dass es in vielen Dossiers derzeit zeitlich etwas knirscht. Gleichwohl sind erste Linien absehbar, und auch diese verheißen leider keinen Ambitionsschub. Dies liegt vor allem am zuständigen Berichterstatter. Ausgerechnet ein sich wenig für Umweltschutz einsetzender deutscher CSU-Abgeordneter ist hier federführend. Im Zweifel dürfte außerdem Inkrementalismus und fehlender Änderungswillen seitens der EU-Kommission eine große Hürde sein. Bleibt zu hoffen, dass die Schattenberichterstattenden der progressiveren Fraktionen, gestützt auf das ACCC, hier noch für Änderungen sorgen. Eine Einigung ist spätestens bis zum nächsten Treffen der Vertragsstaaten der Aarhus-Konvention im Oktober erforderlich.
Autor
Der Rechtsanwalt und Umweltrechtsexperte Raphael Weyland arbeitet seit 2015 für den NABU in Brüssel, unter anderem zum Thema EU-Naturschutzrecht.
Dr. Raphael Weyland, NABU, Büroleiter Brüssel
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