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Bericht aus Brüssel

Alles Gute für ein naturschutzreiches 2021

Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich zunächst ein „Bonne Année“ aus Brüssel: Alles Gute für 2021, für Sie und für den Naturschutz! Nun ist dieses einst als Superjahr der Biodiversität gestartete 2020 also vorbei, und wegen der Corona-Krise kam alles anders als geplant. Zum Glück haben sich bisher die Umweltschutz-Gegnerinnen und Naturschutz-Verächter noch nicht durchsetzen können – hoffen wir, dass auch mögliche Konjunktur-Einbrüche im Jahr 2021 hieran nichts ändern. Dafür bekam das Thema Biodiversität mit der Verknüpfung zur Pandemie einen neuen Fokus.
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 Renaturierung – hier das wiedervernässte Pfrunger-Burgweiler Ried – zählt zu den Schwerpunkten der EU-Naturschutzarbeit 2021.
Renaturierung – hier das wiedervernässte Pfrunger-Burgweiler Ried – zählt zu den Schwerpunkten der EU-Naturschutzarbeit 2021. Julia Schenkenberger
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In der ersten Brüssel-Kolumne des Jahres erwartet Sie unter anderem ein kurzer Ausblick auf größere (EU-) Naturschutzthemen in 2021. Diese haben meiner Meinung nach das Potenzial, auch 2021 über die erfolgreichen Projekte im Jahr 2020 hinaus zum Superjahr für die Biodiversität zu machen. Daran können übrigens auch Sie mitwirken: In Deutschland stehen verschiedene Landtagswahlen und sodann im September die Bundestagswahl an. Bringen Sie Ihre Ideen in den Parteien und der Öffentlichkeit ein und helfen Sie bitte mit, dass Natur- und Klimaschutz zum wichtigsten Wahlkampfthema wird!

Jahresausblick 1: EU-Renaturierungsgesetz

Renaturierung ist einer der Schwerpunkte der neuen EU-Naturschutzarbeit, und obendrauf eines der wenigen Felder, in denen seit Jahren neue EU-Gesetzgebung ansteht. Die EU-Biodiversitätsstrategie kündigt – wie von mir berichtet – verbindliche Natur-Wiederherstellungs- beziehungsweise Renaturierungsziele an. 2021 soll es damit zumindest hier auf EU-Ebene konkreter werden. Verbindlich impliziert dabei entweder eine EU-Verordnung, die auch in Deutschland unmittelbar gelten würde, oder aber eine Richtlinie, die einer Umsetzung durch die Bundesregierung bedürfte. Die EU-Kommission hatte Ende vergangenen Jahres in diesem Zusammenhang eine öffentliche Konsultation zum näheren Fahrplan eines solchen Rechtsakts eröffnet, aus der sich weitere Details ergeben (Originalmeldung unter NuL4061 ).

Zunächst soll eine Gesetzesfolgenabschätzung erarbeitet werden. Der Gesetzesvorschlag selbst ist für das vierte Quartal 2021 geplant. Für den NABU habe ich an der Konsultation teilgenommen und unter anderem betont, dass die EU-Kommission ein schlankes Gesetz vorlegen solle, dass sich auf die Renaturierung konzentriert; für weniger zielführend erachten Umweltverbände ein breites Gesetz mit unspezifischen Vorgaben, beispielsweise zum Kartieren von Ökosystemleistungen. Hingewiesen habe ich auch auf Vorteile einer EU-Verordnung im Vergleich zur Richtlinie. Vor dem Hintergrund, dass das Gesetzgebungsverfahren und die Transposition in den Mitgliedstaaten Zeit kostet und für die Renaturierung selbst der Zeithorizont bis 2030 gilt, sollte das Verfahren außerdem beschleunigt werden. Genauere Details zu dem möglichen Gesetzeszweck, den genaueren Renaturierungszielen, Kriterien für die Definition und dem Steuerungsrahmen finden Sie in einem Positionspapier verschiedener EU-Umweltverbände ( NuL4061 ).

Das Thema Renaturierung sollte und wird damit auch Deutschland in dem Superwahljahr verstärkt beschäftigen müssen, sowohl auf Bundes- als auch Landesebene. Verbindliche EU-Vorgaben müssen in Deutschland runtergebrochen und umgesetzt werden, zum Beispiel durch ein nationales Renaturierungsgesetz, am besten verknüpft mit einem Renaturierungsplan mit regionaler Aufschlüsselung und entsprechenden Fonds zur Mittelbereitstellung. Das gilt übrigens auch für die anderen Vorgaben der EU-Biodiversitätsstrategie, aus Naturschutzsicht insbesondere die Vorgaben zu 10 % biodiversitätsreichen Landschaftselementen in der Agrarlandschaft und zur Ausweitung des Schutzgebietsnetzes nebst der Einführung einer Kategorie zum strengen Schutz beziehungsweise einer allgemeinen Qualitätsoffensive. Die EU-Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass diese Ziele nicht wie bei den vorausgegangenen Biodiversitätsstrategien leerlaufen. Die EU-Kommission hat sich übrigens für 2024 vorbehalten, diese Ziele verbindlich auszugestalten, wenn die Mitgliedstaaten nicht vorankommen bei der Umsetzung.

Jahresausblick 2: Globale Biodiversitätsstrategie?

Anders als die EU-Biodiversitätsstrategie fiel die Verabschiedung des geplanten Biodiversitätsabkommens auf globaler Ebene im Jahr 2020 der Corona-Krise zum Opfer. Aber: aufgeschoben ist ja nicht unbedingt aufgehoben. Nach derzeitigem Planungsstand soll das unterstützende Forum SBSTTA im ersten Quartal 2021 tagen, die Arbeitsgruppe OEWG ist offiziell (noch) für das zweite Quartal angekündigt (CBD-Kalender unter Webcode NuL4061 ). Die CBD-Konferenz COP15 selbst ist zwar auch noch fürs zweite Quartal angekündigt, aber nach hiesigen Einschätzungen ist das eher unrealistisch, sodass die große Konferenz hoffentlich überhaupt bis Ende 2021 stattfinden kann. Herausforderung hier ist vor allem, dass Verhandlungen mit derart vielen Akteuren nicht allein digital organisiert werden können.

Inhaltlich fordert der NABU gemeinsam mit internationalen Umweltverbänden wie BirdLife unter anderem, einen besonderen Fokus auf die auch schon von der EU-Ebene bekannten Themen Renaturierung, den Treiber Landwirtschaft und Mobilisierung von Naturschutzfinanzierung zu werfen. Diese Themen in den Verhandlungen ambitioniert vorantreiben soll vor allem auch die EU als wichtige Akteursgruppe innerhalb der CBD. Deswegen hatte sich BirdLife Ende 2020 mit einem entsprechenden Forderungspapier an die EU-Kommission sowie die deutsche EU-Ratspräsidentschaft gewandt (Download unter NuL4061 ). Im Bereich Mobilisierung von Naturschutzfinanzierung ist eine konkrete NABU-Forderung an die Bundesregierung in diesem Kontext beispielsweise, sich stärker auf globaler Ebene für ein ambitioniertes Rahmenabkommen für die Biodiversität einzusetzen und ihren Beitrag zum internationalen Biodiversitätsschutz von bisher 500 Mio. € auf 1,5 Mrd. € zu erhöhen. Auch wenn das Thema kein originäres EU-Thema ist: Ich werde versuchen, Sie auch in Zukunft über die Entwicklung bezüglich der CBD-Konferenz COP15 auf dem Laufenden zu halten.

Jahresausblick 3: Abschluss GAP-Verhandlung

Über den Stand der Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) im Jahr 2020 hatte ich regelmäßig berichtet. Aktuelle Informationen und Bewertungen finden sie im NABU-Blog unter der Rubrik „GAP-Ticker“ (Link unter NuL4061 ).

Hier nur ein kurzer Ausblick, was uns 2021 bezüglich der EU-Agrarförderpolitik erwartet: Die ersten sogenannten „Trilog“-Treffen der Ko-Gesetzgeber und EU-Kommission haben Ende 2020 stattgefunden. Ziel dieser Treffen ist es, auf Grundlage der verabschiedeten Positionen von Kommission, Rat und Parlament eine Einigung über einen gemeinsamen Rechtsakt zu erzielen. Derzeit wird erwartet, dass die Trilogverhandlungen bis Ostern 2021 abgeschlossen sind.

Inhaltlich sind vor allem Rats- und Parlamentsposition nahe am bestehenden GAP- Text, teils werten wir diese sogar noch als Rückschritt. Auch der Text der EU-Kommission stellt keine grundlegende Neuerung dar. Allerdings stammt dieser auch noch von der Vorgänger-Kommission. Selbst wenn die EU-Kommission klargestellt hatte, dass sie diesen Text (zunächst) nicht zurückzieht, betonte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans mehrfach, dass die jetzige Umweltambition der verschiedenen Akteure nicht ausreiche. Die große Frage ist dementsprechend, ob die EU-Kommission es noch vermag, konkrete Verbesserungen einzufordern und rote Linien aufzuzeigen. Was hierfür erforderlich wäre, haben verschiedene Akteure aufgezeigt. Eine umfassende Liste findet sich beispielsweise in einer Veröffentlichung von Wissenschaftlern rund um Guy Peer, zu finden unter NuL4061 .

Gleichzeitig schreitet die Planung zur Umsetzung in Deutschland voran. Jenseits der konkreten Programmierung (der früheren klassischen 2. Säule-Maßnahmen) steht zunächst vor allem die nationale Strategieplanung an. Anfang Dezember 2020 beteiligten sich verschiedene Umwelt- und Naturschutzverbände mit einer Stellungnahme am „Scoping“ für die strategische Umweltprüfung des GAP-Strategieplans und forderten unter anderem Transparenz und eine umfassende Alternativenprüfung.

Rückblick: Verbot von Bleischrot in Feuchtgebieten

Zu guter Letzt noch ein kurzer Rückblick auf das Thema bleihaltige Jagdmunition, über das ich auch schon mehrfach berichtet hatte. Nachdem ein entsprechender Einspruch im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments abgelehnt worden war, mobilisierte die Jagdlobby Ende November 2020 für die (virtuelle) Plenarsitzung erneut. Nacheinander wurde über zwei ähnliche Anträge abgestimmt, die darauf abzielten, den Kommissionsvorschlag zu blockieren. Gerade der Antrag der rechtskonservativen ECR-Gruppe, der von zahlreichen Abgeordneten der konservativen EVP-Gruppe unterstützt wurde, fand einige Unterstützung, aber letztlich keine Mehrheit. Dementsprechend kann die EU-Kommission Anfang 2021 die REACH-Verordnung entsprechend anpassen, sodass zumindest für Feuchtgebiete die Mitgliedstaaten an die Umsetzung des Verbots gehen können. Hierfür haben sie zwei Jahre Zeit, müssen diese aber nicht ausschöpfen. Wichtig ist nun, dass die Mitgliedstaaten die Feuchtgebiete klarstellen, die Jägerschaft darüber informieren und sodann das Verbot auch kontrollieren und durchsetzen. Parallel fängt bereits jetzt der längerdauernde Prozess eines Komplettverbots an. Dieses ist nicht nur vorteilhaft für den Gesundheits- und Naturschutz, sondern hat selbstredend auch Vorteile beim Vollzug.

Autor

Der Rechtsanwalt und Umweltrechtsexperte Raphael Weyland arbeitet seit 2015 für den NABU in Brüssel, unter anderem zum Thema EU-Naturschutzrecht.

Dr. Raphael Weyland, NABU, Büroleiter Brüssel

Raphael.Weyland@NABU.de

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