Tabukriterien für die Festlegung von WEA-Konzentrationszonen
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Legt ein Regionalplan die Konzentration von (WEA) an bestimmten Standorten (Eignungsgebiet nach § 7 Abs. 3 ROG) als raumordnerische Ziele fest, wird damit zugleich an anderer Stelle im Plangebiet ein Ausschluss derartiger Anlagen bewirkt (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Der Festlegung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung geht eine abschließende Abwägung mit den konkurrierenden raumbedeutsamen Belangen voraus, die als Ziel der Raumordnung auf den nachfolgenden Ebenen nicht überwunden werden kann. Diese Abwägung erfolgt auf der Basis eines gesamträumlichen Planungskonzepts. Dabei werden zunächst diejenigen Bereiche ermittelt, die für die Nutzung der Windenergie ausscheiden (Tabuzonen). „Harte Tabuzonen“ sind Bereiche, in denen die Errichtung und der Betrieb von WEA aus tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen sind; sie sind einer Abwägung nicht zugänglich. In „weichen Tabuzonen“ sind die Errichtung und der Betrieb von WEA dagegen zwar möglich, es sollen jedoch keine aufgestellt werden. Da weiche Tabuzonen zu den Flächen gerechnet werden, die einer Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung zugänglich sind, muss der Plangeber seine Entscheidung für solche Zonen rechtfertigen und die Gründe für seine Wertung offenlegen. Nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen ergeben sich die potenziellen Flächen, die für Konzentrationszonen für Windenergie in Betracht kommen können.
Zu den harten Tabuzonen gehören zum Beispiel Abstände zu Siedlungen und sonstigen geschützten Nutzungen, die von WEA auf jeden Fall freizuhalten sind, um unzumutbare Beeinträchtigungen durch Lärmimmissionen, Schattenwurf und optisch bedrängende Wirkung zu verhindern. Auch militärische Sperrgebiete sind harte Tabuzonen, da das Betreten dieser Bereiche verboten ist. Bei Flughäfen zählen nicht nur die Start- und Landebahnen sowie das sonstige bebaute Flughafengelände dazu, sondern auch die Sicherheitsflächen, die sich unmittelbar an die Start- und Landeflächen anschließen. Ebenso gehören Fotovoltaikfreiflächenanlagen in diese Kategorie, da es sich um bebaute Flächen handelt. Selbst wenn dort noch ausreichend Platz für die Aufstellung einer WEA vorhanden ist, scheidet deren Errichtung wegen der hierdurch bewirkten Verschattung der Fotovoltaikanlagen aus. Auch Freiraumverbundflächen stellen harte Tabuzonen dar, sofern die Windenergienutzung die räumliche Entwicklung oder Funktion des Freiraumverbundes beeinträchtigen würde.
In Naturschutzgebieten ist die Errichtung von Windenergieanlagen aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen, sodass auch sie harte Kriterien darstellen. Gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG sind in Naturschutzgebieten nämlich alle Handlungen verboten, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können. Schutzgebietsverordnungen enthalten daher regelmäßig ein absolutes Verbot für die Errichtung baulicher Anlagen. Zwar kann gemäß § 67 Abs. 1 Satz BNatSchG auf Antrag eine Befreiung gewährt werden, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist (Nr. 1 der Regelung) oder die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist (Satz 2 der Regelung). Es ist aber ausgeschlossen, dass diese Voraussetzungen bei der Errichtung von raumbedeutsamen WEA in Naturschutzgebieten vorliegen. Da WEA nicht standortgebunden sind, müssen sie nicht notwendigerweise im Schutzgebiet errichtet werden. Angesichts ihrer Größe führen raumbedeutsame WEA auch stets zu einer Beschädigung und Veränderung des Naturschutzgebiets, die im Hinblick auf den in § 23 BNatSchG normierten umfassenden Schutz nicht mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar sind.
Bei Landschaftsschutzgebieten ist flächenbezogen zu prüfen, ob sie die harten oder weichen Tabukriterien erfüllen. Der harten Tabuzone können nur Flächen zugerechnet werden, bei denen die Erteilung von Genehmigungen oder Befreiungen objektiv ausgeschlossen ist. Für Landschaftsschutzgebiete besteht ein relatives Veränderungsverbot, da § 26 Abs. 2 BNatSchG alle Handlungen verbietet, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen. Die Schutzgebietsverordnungen enthalten für die Errichtung baulicher Anlagen in der Regel ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. In Ausnahmefällen kann die Ausweisung einer Konzentrationsfläche für die Windenergienutzung in Landschaftsschutzgebieten daher zulässig sein, wenn kein Widerspruch zum Schutzzweck anzunehmen ist, etwa in Randlagen oder in Bereichen mit Vorbelastung oder einem weniger hochwertigen Landschaftsbild.
Bei Natura-2000-Gebieten (FFH- und Vogelschutzgebiete) handelt es sich um harte Tabuzonen, wenn durch die Errichtung und den Betrieb von WEA innerhalb dieser Gebiete erhebliche Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen verursacht werden können (§ 34 Abs. 2 BNatSchG) und die gesetzlichen Ausnahmevoraussetzungen (§ 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG) nicht vorliegen. Ansonsten sind diese Gebiete als weiche Kriterien zu betrachten.
Für raumordnerische Vorranggebiete sind zumeist die weichen Tabukriterien zutreffend. Vorranggebiete gemäß § 7 Abs. 3 ROG sehen bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen vor (zum Beispiel Gewinnung und Sicherung oberflächennaher Rohstoffe). Sie schließen andere raumbedeutsame Nutzungen in diesem Gebiet aus, soweit diese mit den vorrangigen Funktionen oder Nutzungen nicht vereinbar sind. Die Windenergienutzung ist daher in Vorranggebieten nur dann ausgeschlossen, wenn keine Vereinbarkeit vorliegt.
Auch die aus Gründen des Artenschutzes festgelegten Abstandskriterien (zum Beispiel Tierökologische Abstandskriterien für die Errichtung von Windenergieanlagen in Brandenburg – TAK) stellen weiche Tabukriterien dar. Zwar dienen sie dem Schutz von Fortpflanzungs- und Ruhestätten sowie Rast- und Überwinterungsgebieten bestimmter Vogelarten und Fledermäuse und damit der Einhaltung der Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG, jedoch kann im Einzelfall eine Unterschreitung der vorgegebenen Abstände zulässig sein. Eine Verringerung der definierten Abstände kommt etwa dann in Betracht, wenn aufgrund der speziellen Lebensraumanforderungen der Art nicht der gesamte 360°-Radius des Schutzabstandes um den Brutplatz für den Schutz der Individuen benötigt wird.
Autoren
Ass. jur. Jochen Schumacher und Dipl.-Biol. Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.
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