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Was bedeutet die Europawahl für den Naturschutz?

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Beim Verfassen dieser Kolumne sind aussagekräftige Urteile darüber, was die Wahl im Einzelnen für den zukünftigen EU-Naturschutz bedeutet, noch nicht möglich. Aufseiten des Parlaments haben sich noch nicht einmal die politischen Fraktionen formiert und auch die Debatte über die künftige Präsidentin beziehungsweise den künftigen Präsidenten der EU-Kommission ist noch im vollen Gang. Gleichwohl möchte ich der Europawahl ein paar Sätze widmen.

Die Wahlbeteiligung ist im Vergleich zu den drei vorangegangenen Wahlen deutlich gestiegen und liegt EU-weit bei rund 50 Prozent. Auf EU-Ebene bleibt die christdemokratische Europäische Volkspartei mit 180 Sitzen die größte Fraktion, hat jedoch 36 Sitze verloren. Die Sozialdemokratische Fraktion bleibt mit 145 Sitzen die zweitgrößte Fraktion, muss aber mit einem Minus von 40 Sitzen den größten Verlust von allen Fraktionen hinnehmen. Die liberale ALDE-Fraktion zeigt mit 40 zusätzlichen Sitzen den größten Zuwachs auf nun insgesamt 109 Sitze, vor allem auch, weil sie sich wohl mit Präsident Macrons Initiative „La Renaissance“ zusammenschließen wird. Einen stärker als vorhergesagten Zuwachs können die europäischen Grünen feiern: Mit einer Zunahme von 17 Sitzen entsenden sie nun mindestens 69 Abgeordnete nach Brüssel. Auch die Stimmen für EU-feindliche Parteien nahmen zu, ohne dass es allerdings zu dem befürchteten Tsunami kam. Alle Ergebnisse der Europawahl finden Sie unter dem WebcodeNuL4061 .

In Deutschland liegt die Wahlbeteiligung bei über 60 Prozent und war damit so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. Die Union der CDU/CSU musste deutliche Verluste einstecken, ist aber weiterhin mit knapp 29 Prozent der Stimmen die stärkste Kraft in Deutschland und wird mit 29 Abgeordneten ins Europäische Parlament einziehen. Die Grünen erkämpften sich einen historischen Sieg und landeten als zweitstärkste Partei mit 20,5 Prozent der Stimmen bei 20 Abgeordneten. Noch deutlicher wird die Unterstützung, wenn man sich die Gruppe der Wähler nach Alter anschaut: Von den unter 30-Jährigen wählten etwa 33 Prozent die Grünen und nur 13 Prozent die CDU und auch bei allen unter 60-jährigen Wählerinnen und Wählern lagen die Grünen vor der CDU. Historisch war auch die Niederlage der SPD (15,8 Prozent), die mit 16 Abgeordneten ins Parlament einzieht. Die AfD schickt 11 Abgeordneten nach Brüssel, während die Linke und die FDP jeweils fünf Abgeordnete stellen. Die restlichen neun Plätze gingen an mehrere kleinere Parteien, darunter Die Partei, Freie Wähler, Tierschutzpartei und ÖDP.

Was bedeutet das für den Naturschutz? Die Ergebnisse in den meisten Ländern, ganz besonders aber in Deutschland, zeigen, dass Umwelt- und Naturschutz die Menschen bewegt und die Parteien daran nicht mehr vorbeikommen. „Klima- und Umweltschutz“ war in vielen Umfragen das wichtigste Thema dieser Europawahl. Gleichzeitig sind die Erfolge der EU-feindlichen Populisten insgesamt nicht ganz so hoch wie befürchtet, auch wenn gerade die Ergebnisse in Italien, Frankreich und Polen sowie in Teilen Deutschlands sehr besorgniserregend sind. Die Tatsache, dass die „rot-schwarze“ große Koalition im Europaparlament keine absolute Mehrheit mehr hat, lässt hoffen, dass nun mehr ökologische Inhalte aufgegriffen werden, zum Beispiel wenn demnächst die neue EU-Kommission gebildet und ihr Arbeitsprogramm entwickelt wird. Eine Situation wie 2014, als Jean-Claude Juncker beschloss, die Naturschutzrichtlinien aufzuweichen, und einen eigenständigen Umweltkommissar abschaffte, wird vermutlich nicht wieder eintreten. Auf der anderen Seite drohen ernsthafte Störmanöver der Populisten, sollte es ihnen gelingen, sich in einigermaßen schlagkräftigen Fraktionen zusammenzuschließen.

Die nächsten Tage und Wochen werden vom Ringen um die Spitzenposten der EU geprägt sein (allen voran um den Posten des Kommissionspräsidenten beziehungsweise der Kommissionspräsidentin), gefolgt von der Besetzung der Ausschüsse im Europäischen Parlament und im Herbst dem Einsetzen der neuen EU-Kommission. Dazu laufen die EU-Haushaltsverhandlungen und die Verhandlungen über den Brexit weiter. Wenn Sie diese Kolumne lesen, haben sich die Staats- und Regierungschefs schon zum Europäischen Rat (20./21. Juni) getroffen. Dort stehen neben Aussprachen zur Besetzung der EU-Spitzenjobs auch die „Strategische Agenda“ der EU für die neue Legislatur und der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) auf der Agenda.

Vielleicht können wir ja nach diesem Treffen schon besser erkennen, ob das Thema Biodiversität tatsächlich einen höheren Stellenwert als bisher auf EU-Ebene eingeräumt bekommt und ob an der Spitze der EU-Kommission auch eine Person stehen wird, die den Klima-, Umwelt- und Naturschutz glaubhaft vertritt. Aus NABU-Sicht muss der Umweltschutz (mit klarem Fokus auf Klima- und Naturschutz) jedenfalls eine eigenständige Priorität für die kommende Legislatur werden. Erforderlich sind auch entsprechende Änderungen der „Governance“-Struktur der EU-Kommission. Sinnvoll wären beispielsweise je ein Vize-Kommissionspräsident für Klima und für Biodiversität.

Es stehen also spannende Zeiten mit wichtigen Entscheidungen bevor. Ihnen, werte Leserschaft, möchte ich dafür danken, dass Sie sich für EU-Themen und meine Kolumne interessieren. Der NABU möchte allen Wählerinnen und Wählern danken, die bei der Europawahl ihr Kreuz für eine Partei gemacht haben, die sich für den Umwelt- und Naturschutz einsetzt.

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