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Artenkenntnis

Die Charakterkunde der Pflanzen

Wie soll man sie sich eigentlich merken, diese unzähligen Pflanzennamen? Auf Deutsch, Botanisch, mit Gattung, Artepitheton und allem, was dazugehört? Jürgen Feder, seines Zeichens „Extrembotaniker“, stellt in seinem neuen Buch seine ganz eigene Technik vor, sich die Namen einzuprägen: Er gibt den Pflanzen eine Geschichte, ordnet ihnen einen Charakter zu.

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Wer schon das Vergnügen hatte, Jürgen Feder persönlich kennenzulernen, wird seine Wesensart leicht in seinem neuesten Werk wiederfinden. Voller Begeisterung bei der Sache, bildhaft, mit greifbarer Spannung. Manchmal überschlagen sich die Sätze, wenn Feder von einem Gedanken zum nächsten springt, wenn er Assoziationen bildet, die im ersten Moment überraschen und dann doch irgendwie logisch erscheinen.

„Von Diven, Dränglern und Fleißigen Lieschen“ ist kein klassisches Lehrbuch. Auch kein Bestimmungswerk. Vielmehr ist es eine Hommage an die Vielfalt der Pflanzenwelt mit all ihren Besonderheiten, morphologischen Ausprägungen und ausdifferenzierten Überlebensstrategien.

Da zieht der Autor schon mal ungewöhnliche Vergleiche heran: So wird das Frühlings-Hungerblümchen (Erophila verna ) zum Napoleon der Bahngleise. Und wer sonst würde wohl auf die Idee kommen, den Sumpf-Dreizack (Triglochin palustre ) als „stets bemühten Schmachthaken“ oder „fast unsichtbare Salzstange“ zu bezeichnen? Im Gedächtnis bleiben diese außergewöhnlichen Artbeschreibungen auf jeden Fall.

Nach größeren Charaktergruppen organisiert, stellt Feder in seinen Artporträts über 170 heimische und nichtheimische Pflanzen vor. Die Kategorien reichen von „aufgeblasener Pfau“, „Aschenputtel“ bis hin zur „Diva“. Gespickt mit zahlreichen kleinen Anekdoten aus seinem Botaniker-Leben, wählt er dabei nicht diejenigen Arten aus, die besonders selten, besonders groß oder besonders „schön“ sind. Denn für Feder sind alle Pflanzen schön. Stattdessen nimmt er den Leser mit auf eine Reise querbeet durch die deutsche Flora, durch Lebensbereiche, Natur- und urbane Standorte, von der Nordseeküste bis an die Alpen. Vom seltenen Brand-Knabenkraut (Orchis ustulata ) bis zum invasiven Sachalin-Staudenknöterich (Fallopia sachalinensis ) – was ihm bei seinen zahlreichen Exkursionen eben gerade begegnet.

Er will den Leser anregen, Pflanzen aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Nicht nur nach Schema F die morphologischen Merkmale zu analysieren und dann die Bestimmungsliteratur beiseitezulegen, ohne nach rechts oder links zu blicken. Sondern eben auch ihren Charakter zu entdecken. Denn wie Feder schreibt: „Das Wesen von Pflanzen ist unergründlich, so wie wir Menschen ja eigentlich auch.“

Zugegeben, von Zeit zu Zeit muss das Buch mal beiseitegelegt werden. Bei Feders Tempo und der Sprunghaftigkeit seiner begeisterten Erzählweise wird das Lesen auch mal anstrengend. Doch durch die kurzen, oft ein- bis maximal zweiseitigen Porträts lässt sich der rote Faden mit Leichtigkeit wiederaufnehmen. Und wer weiß? Vielleicht bleibt die eine oder andere Art so im Gedächtnis haften, die vorher schnell in Vergessenheit geraten wäre. Julia Schenkenberger

Von Diven, Dränglern und Fleißigen Lieschen – Feders Charakterkunde der Pflanzen. Von Jürgen Feder. 288 Seiten. Gebunden. 12,– €. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg bei Reinbek 2019. ISBN 978-3499634000

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