Vom Feld-Wald-Wiesen-Biologen zum Molekularbiologen: Hat die Artenkenntnis im Gelände noch eine Zukunft?
Bibliothek des Lebens
Muss die Menschheit künftig noch Arten anhand ihrer morphologischen Merkmale identifizieren können? Es stehen Alternativen bereit: Die Technik der DNA-Sequenzierung – die Bestimmung der Nukleotidabfolge in DNA-Molekülen – und Rechenkapazitäten haben sich so rasant entwickelt, dass sich heute Arten leicht und schnell aus Umweltproben identifizieren lassen. In dem Projekt desInternational Barcode of Life (iBOL) wurden dazu bis zum Jahr 2015 DNA-Barcodes für 500 000 Arten weltweit ermittelt.
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Im Juni 2019 beginnt die zweite Phase des Projekts unter dem Namen BIOSCAN: Binnen sieben Jahren sollen Proben an weltweit 2 500 Stellen mit Kosten von rund 180 Millionen Dollar analysiert werden. Die „Bibliothek des Lebens“ soll dann mindestens 2,5 Millionen Arten umfassen – von einer geschätzten Größenordnung der globalen Artenvielfalt mit 20 Millionen Arten immerhin mehr als ein Zehntel. Das wird Ökosystemanalysen in nie bekanntem Ausmaß ermöglichen, meinen die Verantwortlichen der Allianz, an der das ProjektGerman Barcode of Life an der Zoologischen Staatssammlung in München beteiligt ist.
Dennoch: Artenkenntnis bleibt ein Schlüssel
Labor statt Natur – ist das die Zukunft der Artenkenntnis? Ja und nein – es gilt, beide Wege sinnvoll miteinander zu verknüpfen. DNA-Barcoding wird helfen, die (globale) Biodiversität schneller als bisher zu erfassen und die Dynamik des Artenspektrums durch den globalen Wandel besser und genauer zu dokumentieren. Das wird für die Ökosystemforschung, ein fundiertes Monitoring, gerade im internationalen Bereich, und damit für politisches Handeln (hoffentlich) ein fundamentaler Gewinn sein. Längerfristig könnte es anhand der wachsenden Datenbank möglich werden, auch für konkrete Planungen viele Artenerfassungen auf eine genetische Basis zu stellen – mit der Chance, weg von dem aktuellen Scheuklappendenken zu kommen: Werden heute für Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren fast nur noch die „planungsrelevanten Arten“ beachtet, so könnten die neuen Möglichkeiten hin zu Analyse und Bewertung ganzer Lebensgemeinschaften führen – das wäre ein Gewinn. Überflüssig werden damit Felderfassungen nicht werden.
Und hier setzt das Autorenteam von Ralf Schulte an und formuliert eine Antwort auf die an dieser Stelle schon mehrfach beklagte „Erosion der Artenkenner“ (Seite 210). Ein Stufenkonzept, das in der Breite der Naturbegeisterten ansetzt, soll diese zu Naturbeobachtenden, jene zu Artenkennern und diese wiederum zu Artenspezialisten qualifizieren. Es ist wie im Sport: Es braucht sowohl die Breiten- als auch die Spitzenförderung. Und, ganz wichtig: Von Kennen und Erleben von Arten geht eine essenzielle Motivation aus, sich für den Naturschutz zu engagieren. Und die resultiert beim besten Willen nicht aus der DNA-Bestimmung im Labor!
Für einen Systemwechsel in der Waldnutzung
Außerdem haben wir zwei forstliche Themen im Heft: Die Verjüngung von Rotbuchen durch das Absenken von Gerten war eine in Niederwäldern verbreitete Methode, die heute nur noch kulturhistorisch und für den Naturschutz interessant ist (Seite 218). Andreas Mölder und Volker Tiemeyer möchten dieses Kapitel der Waldgeschichte nicht vergessen lassen. Wilhelm Bode regt ein Nachdenken über die Art und Weise an, wie wir unsere Wälder bewirtschaften (Seite 226) – und fordertÖkowaldbau als Disziplin an den Hochschulen, so wie der Ökolandbau dort etabliert ist: Die herrschende Waldbewirtschaftung, geboren aus der Notwendigkeit zur großflächigen Wiederaufforstung nach Übernutzung, eliminiere das für natürliche Wälder typische Kontinuum aus Raum und Zeit. DieserBad forestry stellt er das Prinzip einersystemischen Waldwirtschaft gegenüber – ein Thema zur Diskussion!
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