Zur Klagebefugnis von Umweltschutzorganisationen in umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren
Die Aarhus-Konvention (AK) beruht auf folgenden drei Säulen:
– Zugang zu Informationen
– Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren
– Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten
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Gerade der Zugang zu Gerichten brachte Verbänden eine weitergehende Möglichkeit, ihre berechtigten Interessen vor Gericht durchzusetzen. Dies scheiterte bislang meist an einer mangelnden gerichtlichen Beteiligungsfähigkeit der Verbände. Die AK hat die Rechte von Verbänden gestärkt; diese können jetzt behördliche Entscheidungen der zuständigen Behörden vor einem Gericht im Klagewege anfechten. Hierzu zählt auch die vorliegende Protect-Entscheidung des EuGH.
Gegenstand des Verfahrens war die wasserrechtliche Bewilligung einer Beschneiungsanlage in einem bedeutsamen Vogelschutzgebiet. Die naturschutzrechtliche Projektbewilligung erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit, hiergegen klagte eine österreichische Naturschutzorganisation (NGO). Eine avifaunistische Erhebung ergab, dass als Folge der technischen Beschneiung sämtliche lärm- und störungsempfindlichen Vogelarten des Vogelschutzgebiets im weiten Umkreis um die Beschneiungsanlage nicht mehr oder nur noch in sehr geringer Dichte nachweisbar waren.
Mangels Umsetzung der dritten Säule der AK in Österreich (die gleiche Rechtslage besteht auch in Deutschland und in der Europäischen Union) und mangels nationaler Regelungen fehlt die Rechtsgrundlage für eine Verfahrensbeteiligung von NGOs. Die Einwendungen der NGO wurden vom Verwaltungsgericht folglich für unzulässig erklärt und fachliche Gutachten wurden von Amts wegen nicht geprüft.Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gewandt; dadurch will das Gericht unter anderem klären lassen, ob NGOs nach Art. 9 Abs. 3 AK Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben.
Im vorliegenden Verfahren entschied der EuGH, dass Art. 9 Abs. 3 AK i. V. m. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen ist, dass ein Bescheid, mit dem ein möglicherweise gegen die Verpflichtung aus Art. 4 der WRRL (Verhinderung einer Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper) verstoßendes Vorhaben gebilligt wird, von einer nach den Voraussetzungen des nationalen Rechts gegründeten und tätigen Umweltorganisation vor einem Gericht angefochten werden können muss.
Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass Art. 4 der WRRL zur Verwirklichung des Hauptziels dadurch beiträgt, dass mit den nach der Richtlinie ergriffenen Maßnahmen das Ziel verfolgt wird, die Umwelt zu schützen, insbesondere die aquatische Umwelt der Union zu erhalten und zu verbessern. Unvereinbar sei es mit der einer Richtlinie durch Art. 288 AEUV zuerkannten verbindlichen Wirkung, grundsätzlich auszuschließen, dass sich betroffene Personen auf die durch eine Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufen können. Die praktische Wirksamkeit der WRRL und deren Ziel des Umweltschutzes verlangen, dass Einzelne oder gegebenenfalls eine Umweltorganisation sich vor Gericht auf sie berufen und die nationalen Gerichte sie als Bestandteil des Unionsrechts berücksichtigen können. Damit soll gerichtlich überprüft werden können, ob die nationale Behörde, die ein Vorhaben genehmigt hat, das Auswirkungen auf den Zustand der Gewässer haben kann, ihre Verpflichtungen aus Art. 4 der Richtlinie, insbesondere die Verpflichtung, eine Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper zu verhindern, beachtet hat und somit innerhalb des den zuständigen nationalen Behörden in dieser Bestimmung eingeräumten Gestaltungsspielraums geblieben ist.Ansonsten hätte das in Art. 9 Abs. 3 AK vorgesehene Recht, einen Rechtsbehelf einzulegen, keine praktische Wirksamkeit. Wäre es zulässig, wenn nach innerstaatlichem Recht bestimmte Kategorien der „Mitglieder der Öffentlichkeit“, erst recht der „betroffenen Öffentlichkeit“ wie Umweltorganisationen, die die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 5 AK erfüllen, der Zugang zu den Gerichten gänzlich verwehrt würde, würde die Rechtsschutzmöglichkeit nach Art. 9 Abs. 3 AK leerlaufen.
Daraus folgt: Umweltorganisationen darf nach innerstaatlichem Recht insbesondere nicht die Möglichkeit genommen werden, die Beachtung der aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen, zumal solche Rechtsvorschriften in den meisten Fällen auf das allgemeine Interesse und nicht auf den alleinigen Schutz der Rechtsgüter Einzelner gerichtet sind und Aufgabe besagter Umweltorganisationen der Schutz des Allgemeininteresses ist.
Das Urteil darf nicht davon ablenken, dass es die Aufgabe des Staates und seiner Behörden ist und bleibt, in Bewilligungsverfahren vollständig, sorgsam und objektiv zu ermitteln, einwandfreie Verfahren durchzuführen und für die uneingeschränkte Anwendung geltenden Rechts – vom völkerrechtlich bindenden Übereinkommen über die biologische Vielfalt bis hin zum zwingend anzuwendenden Unionsrecht wie Vogelschutz-, FFH-oder Wasserrahmenrichtlinie – zu sorgen und die normierten Ziele aus den Übereinkommen und Richtlinien zu erreichen.
Autoren
Ass. jur.Jochen Schumacher und Dipl.-Biol.Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.
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