Berichte zu Erfolgen und Defiziten
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Kooperativer Naturschutz
Ein wichtiges Instrument hierfür ist der kooperative Naturschutz, der sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland entwickelt hat. Zentrale Säulen sind dabei die Honorierung der ökologischen Leistungen der Landnutzer meist über den Vertragsnaturschutz sowie die regionale Kooperation von Landnutzern, Naturschützern und Kommunen bei konkreten Naturschutzprojekten – meist strukturell verknüpft über Landschaftspflegeverbände, Biologische Stationen oder ähnliche Organisationen.
Konkrete Beispiele aus dem Vertragsnaturschutz zeigen im vorliegenden Heft auf, welche Möglichkeiten – und auch Grenzen – diese Instrumente bisher bieten. Naturschützer, Landwirte und Waldbesitzer können guten Gewissens und auf Basis zahlreicher Untersuchungen belegen, dass die bisher eher bescheidenen Mittel in diesen Bereichen sehr gut im Sinne der Artenvielfalt eingesetzt werden. Die im Bereich der EU-Agrarpolitik neu ins Blickfeld gerückte Forderung nach klarer Zielorientierung und auch entsprechender Evaluierung hat der Naturschutz bei seinen Maßnahmen bereits umgesetzt. Insbesondere auf Wiesen und Weiden funktioniert der Vertragsnaturschutz, viele Arten konnten damit bisher gesichert werden. Das zeigen die Beispiele in diesem Heft aus Thüringen und Bayern, die stellvertretend für die Aktivitäten in den anderen Bundesländern stehen.
Und dennoch, auch hier gibt es Defizite. Bisher ist die Flächenwirksamkeit der Programme noch bescheiden und insbesondere Ackerflächen werden noch unzureichend integriert. Doch auch da gibt es Hoffnung am Horizont: Das praktische Beispiel aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld macht Mut. Dort ist es tatsächlich gelungen, die vorhandene beeindruckende Vielfalt an hochbedrohten Ackerwildkräutern über den Vertragsnaturschutz zu sichern und nebenbei bereits als ausgestorben angenommene Arten wieder zu entdecken. Es geht also doch!
Meine Erfahrungen zeigen, dass immer mehr Landwirte gerade auf Grenzertragsstandorten engagiert in Sachen Naturschutz mit dabei sind. Eine rein am Weltmarkt orientierte Landwirtschaft bietet ihnen keine Perspektive. Deshalb entwickeln sie eigene Maschinen für die Bewirtschaftung nasser oder steiler Flächen, bringen sich mit eigenen Ideen und hohem Sachverstand konstruktiv in die Pflege der Flächen ein, schaffen sich geeignete Tierrassen an und werden im wahrsten Sinne zu Landschaftspflegern. Viel ist gewonnen, wenn diese Landwirte mit Begeisterung und Stolz „ihre“ bunten Blumenwiesen präsentieren. Gerade für diese Bauern übernehmen wir Naturschützer Verantwortung, dass sie mit ihrem Engagement in Sachen Naturschutz eine klare und langfristige Perspektive bekommen.
Zukunftsthema Vetragsnaturschutz im Wald
Ein im bundesweiten Vergleich noch sehr, sehr zartes Pflänzchen ist der Vertragsnaturschutz im Wald – ein Thema, das über die Umsetzung von Natura 2000 in Deutschland mit dem dort vorhandenen hohen Waldanteil in den nächsten Jahren massiv an Bedeutung gewinnen wird. Hier zeigt das Beispiel in Bayern auf, wie schwierig es anfänglich war, auch im Wald ökologische Leistungen zu honorieren. Fallstricke liegen hier insbesondere bei den EU-Vorgaben im Förder- und Beihilferecht, die selbst die gutwilligsten Naturschützer, Förster und Waldbesitzer beinahe zur Verzweiflung bringen können. Und doch zeigt das Beispiel: Auch hier geht es doch!
Die Instrumente – ob im Offenland oder Wald – sind also da, die Akteure motiviert. Aber leider fehlt das Geld. Sowohl deutschland- als auch europaweit klafft eine riesige Finanzierungslücke im Naturschutz. Die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA) schätzt den Bedarf für die Umsetzung von Natura 2000 in Deutschland auf 1,4 Mrd. Euro. Zur Verfügung stehen dem gesamten Naturschutz (also nicht allein für Natura 2000) nach Schätzungen des BMU nur etwa 542 Mio. Euro. Auf EU-Ebene ist die Lücke sogar noch deutlich größer, wie Konstantin Kreiser in diesem Heft vermutet. Das gesteigerte Problembewusstsein in der Bevölkerung muss also erst noch dazu führen, dass die Finanzausstattung des Naturschutzes für die Honorierung der ökologischen Leistungen der Landnutzer endlich erheblich verbessert wird.
Wandel in der EU-Agrarpolitik nötig
Umso wichtiger ist deshalb der Blick in die EU-Agrarpolitik, da in Brüssel ganz aktuell die Vorgaben für die neue Förderphase ab 2021 verhandelt werden. In diesem Heft stellt Konstantin Kreiser die Position des NABU zur Diskussion, stellvertretend für die Naturschutzverbände. Mehr als enttäuschend ist, dass der Vorschlag der EU-Kommission vorsieht, die EU-Mittel der zweiten Säule, die u.a. die Fördermaßnahmen des Naturschutzes enthält, um 15 % und damit weit überproportional zu den anderen Fördertöpfen zu kürzen. Dies ist in Zeiten des Insektensterbens und des zunehmenden Engagements vieler Bauern in Sachen Naturschutz ein Tiefschlag und muss in den noch anstehenden Verhandlungen dringend korrigiert werden. Wenn die zweite Säule und damit die wichtigste Quelle für Naturschutzförderungen gekürzt wird, lässt dies für die unbedingt erforderlichen zusätzlichen Mittel für den kooperativen Naturschutz nichts Gutes vermuten.
Ein weiteres Problem, auf das in diesem Heft eingegangen wird, sind die für eine erfolgreiche Naturschutzförderung oft hinderlichen Vorgaben der EU, die sich an Kriterien zur landwirtschaftlichen Produktion orientieren und deshalb den Fördervollzug auf extensiv genutzten Offenland- und vor allem Waldflächen unnötig verkomplizieren. Auch hier besteht im Hinblick auf die Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU dringender Handlungsbedarf. Hoffentlich nutzt die Ankündigung der Kommission, die Entbürokratisierung anzugehen, auch den Schäfern, Mutterkuhhaltern und Almbauern, die die kaum vermittelbaren EU-Vorgaben in Bezug auf die förderfähigen Flächen bisher oftmals zur Verzweiflung gebracht haben. Hoffen wir z.B. gemeinsam mit den betroffenen Bauern, dass extensiv beweidete Flächen zukünftig ohne unverständliche Hürden die EU-Agrarmittel bekommen können.
Anreize müssen selbstverständlich werden
Und noch ein dickes Brett muss durchbohrt werden: Bisher dürfen Landnutzer bei der Beteiligung am Vertragsnaturschutz auf Grund der EU-Vorgaben keinen Gewinn erwirtschaften. Eine entsprechende Anreizkomponente, die bei jeder anderen Dienstleistung selbstverständlich ist, wird damit naturschutzaffinen Landwirten und Waldbesitzern verwehrt. Wollen wir Landnutzung und Naturschutz wirklich zusammenbringen, so muss es eine Selbstverständlichkeit werden, dass diejenigen, die sich für die Pflege artenreicher Lebensräume engagieren, damit auch Geld verdienen dürfen.
Zeit wird es also, dass basierend auf der zunehmend besseren Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Landnutzern in vielen Regionen eine konzertierte Aktion entsteht, die auf allen Ebenen sich für eine bessere Honorierung der Naturschutzleistungen engagiert. Möge dieses Heft einen kleinen Beitrag dazu leisten.
Literatur
Hallmann, C.A., Sorg, M., Jongejans, E., Siepel, H., Hofland, N., Schwan, H., Stenmans, W., Müller, A., Sumser, H., Hörren, T., Goulson, D, de Kron, H. (2017): More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. PLoS ONE 12, (10): e0185809. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0185809.
Gast-Herausgeber
Wolfram Güthler , Leiter des Referats Naturschutzförderung und Landschaftspflege des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz in München
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