Veränderung des Gebietscharakters eines LandschaftsschutzgebietsOVG Berlin, Urteil vom 25.01.2018 – OVG 11 B 1.17
Für eine Aufforstung in einem Landschaftsschutzgebiet besteht kein Rechtsanspruch auf Genehmigung, selbst wenn in der näheren Umgebung natürlich vorkommende Baumarten der Bruch- und Auenwälder gepflanzt werden. Das hat das OVG Berlin entschieden, weil dieses nach Auffassung des Gerichts eine Veränderung des Gebietscharakters zur Folge hätte.
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Dabei lässt sich die Veränderung des Gebietscharakters (§ 26 Abs. 2 BNatSchG) wie folgt beschreiben: Der „Charakter“ eines Gebietes bezieht sich nur auf solche Merkmale, die das Landschaftsbild betreffen. Und innerhalb dieser Merkmale nicht auf alle vorhandenen Erscheinungsformen, sondern nur auf diejenige Typik der Landschaft, die nach dem der Unterschutzstellung zugrundeliegenden Wertmaßstab schutzwürdig ist. Eine „Veränderung“ liegt vor, wenn die geschützte Typik des Gebietes nachteilig beeinflusst wird, nicht hingegen dann, wenn die Umgestaltung den Charakter der Landschaft positiv unterstreicht oder aber nur solche Landschaftsbestandteile betrifft, die nicht charakterprägend sind. Für die Ermittlung des „Charakters“ ist grundsätzlich auf das gesamte Landschaftsschutzgebiet abzustellen. Setzt sich dieses aus mehreren Teilgebieten unterschiedlicher Prägung zusammen, so ist der Charakter des jeweiligen Teilgebiets maßgeblich. Andernfalls liefe der Schutzzweck der Gebietscharaktererhaltung in Ermangelung hinreichender Gemeinsamkeiten leer.
Ob das Vorhaben diesen Charakter „verändert“, ergibt sich nicht aus einer quantitativen, sondern aus einer qualitativen Betrachtung, deren Bezugspunkt das Landschaftsbild in der konkreten Umgebung des Vorhabens ist. Bereits dann, wenn sich das Vorhaben nachteilig auf ein charakteristisches Landschaftselement oder das Zusammenspiel charakteristischer Elemente des Landschaftsensembles in seiner Umgebung auswirkt, verändert es – dort – den Gebietscharakter. Eine Gebietscharakterveränderung ist mithin nicht erst dann gegeben, wenn das Vorhaben den Gesamtwert des Gebietes in Mitleidenschaft zieht, das Wesen der Landschaft antastet oder die Eignung des geschützten Gebiets für den Landschaftsschutz insgesamt berührt. Eine solche quantitative Betrachtung hätte nämlich zur Folge, dass das Eingreifen des Gebietscharakterschutzes weniger durch die Reichweite der Auswirkungen des Vorhabens als vielmehr durch die Gesamtgröße des Landschaftsschutzgebietes determiniert wird. Je größer das Gebiet ist, desto massiver müsste der Eingriff sein, um dessen Gesamtcharakter in Mitleidenschaft zu ziehen. Eine solche Relativierung der Schutzeffektivität würde der Intention der Unterschutzstellung widersprechen.
Die Eigenart der Landschaft wird durch die beantragte Aufforstung deutlich beeinträchtigt und läuft daher auch dem Schutzzweck der LSG-VO erheblich zuwider. Mit der Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes ist der sich aus dem Wechselgefüge aller Landschaftselemente ergebende optisch wahrnehmbare Zusammenhang einzelner Landschaftserscheinungen angesprochen. In Rede steht das Erscheinungsbild der Landschaft, nicht einzelner seiner Teile, wobei allerdings bestimmte Teilelemente durchaus einen das Bild der Gesamtlandschaft prägenden Einfluss nehmen können. Es sind alle tatsächlich vorhandenen Elemente des Landschaftsbildes von Bedeutung, die dieses unter den Aspekten Vielfalt, Eigenart oder Schönheit mitprägen. Das Schutzgut des Landschaftsbildes wird maßgeblich durch die mit dem Auge wahrnehmbaren Zusammenhänge von einzelnen Landschaftselementen bestimmt.
Die „Vielfalt“ einer Landschaft zeigt sich im Vorhandensein einer Vielzahl verschiedener Erscheinungen und Strukturen und anhand der vorkommenden Arten, Bewuchsformen, Lebensgemeinschaften und Biotoptypen. Die „Eigenart“ bemisst sich danach, ob die Natur und Landschaft im Vergleich zu anderen Gebieten Besonderheiten aufweist, die es als eigentümlich ausgeprägt erscheinen lassen. Die „Schönheit“ einer Landschaft bestimmt sich weder nach wissenschaftlichen Kriterien noch nach der Sicht des Amtswalters, sondern nach dem Schönheitsempfinden eines für den Natur- und Landschaftsschutz aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters.
Beeinträchtigt wird das Landschaftsbild dann, wenn seine Veränderung von einem für Vielfalt, Schönheit und Eigenart der natürlich gewachsenen Landschaft aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter als nachteilig empfunden wird; die Veränderung muss außerdem erheblich und nachhaltig bzw. dauerhaft sein. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer „Verunstaltung“ des Landschaftsbildes i. S. d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB, die unabhängig von der landschaftsrechtlichen Schutzausweisung verboten ist. Eine „Verunstaltung“ wird erst dann erreicht, wenn ein Vorhaben von einem für ästhetische Eindrücke offenen Durchschnittsbetrachter als belastend, grob unangemessen oder unlusterregend empfunden wird. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit bereits bestehende Vorbelastungen in der Nähe des Vorhabens die Schutzwürdigkeit der Umgebung herabsetzen. Dass die Beeinträchtigung durch das Vorhaben „erheblich“ sein muss, trägt dem Übermaßverbot Rechnung, indem geringfügige Verschlechterungen außer Betracht bleiben.
Autoren
Ass. jur.Jochen Schumacher und Dipl.-Biol.Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.
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