Erheblichkeit von Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen
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Der Beschluss des OVG Greifswald betrifft die Frage, ob erhebliche mittelbare Beeinträchtigungen eines europäischen Vogelschutzgebietes durch ein geplantes, bis auf 115 m an die Schutzgebietsgrenze und an geschützte Lebensraumelemente heranreichendes 8,1 ha großes Ferienhausgebiet nach § 1a Abs. 4 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 1 BNatSchG bereits aufgrund einer FFH-Vorprüfung offensichtlich ausgeschlossen sind.
Maßstab für die Erheblichkeit von Gebietsbeeinträchtigungen sind die für das Gebiet maßgeblichen Erhaltungsziele, also die Festlegungen zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der in einem oder mehreren Gebieten vorkommenden Lebensräume und Arten nach den Anhängen I und II der EU-Vogelschutzrichtlinie (VRL). Es stellt sich also die Frage, ob sicher ist, dass ein günstiger Erhaltungszustand trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben wird.
Zwar wird das genannte Vogelschutzgebiet vom Bebauungsplan nicht unmittelbar in Anspruch genommen, jedoch sind mittelbare erhebliche Beeinträchtigungen bei summarischer Betrachtung nicht „offensichtlich“ ausgeschlossen. Soweit die Prognose der FFH-Vorprüfung darauf verweist, das vorhandene Röhricht mit maximal ca. 80 m Breite eine Sichtbarriere an der Grenze des FFH-Gebietes darstelle, so dass vom Land her keine freie Sicht auf den Bodden gegeben sei und der Wirkfaktor einer optischen Störung durch die menschliche Silhouette zwischen Baugebiet und Flachwasserzone des Boddens nicht zur Wirkung komme, ist nach Ansicht des Gerichts eine Beeinträchtigung nicht von vornherein auszuschließen. Offen ist die Frage, ob und inwieweit optische Störungen (vollständig) „neutralisiert“ werden oder ob etwa „Reststörungen“ verbleiben, was möglicherweise auch jahreszeitlich differenziert zu betrachten sein könnte. Die FFH-Vorprüfung geht aufgrund des Mindestabstandes von 115 m davon aus, dass voraussichtlich keine optischen Beeinträchtigungen zu erwarten seien, die maßgebliche Bestandteile des SPA erheblich beeinträchtigten. Auch hier wird auf eine „gedeckte Sicht im bodennahen Bereich“ abgestellt, eventuell störende Wirkungen im An- und Abflug werden nicht angesprochen. Unterbewertet bleibt in diesem Zusammenhang nach Ansicht des Senats auch das quantitative Ausmaß der (maximalen) zusätzlichen Belastung durch Anwesenheit und Verhalten der zusätzlichen Feriengäste. Denn bei einer Ferienanlage mit (geplant) maximal 296 zusätzlichen Menschen, von denen ein Teil seine Freizeitaktivitäten aus dem Plangebiet hinaus in die Natur in Richtung Bodden verlegen wird, dürfte alles dafür sprechen, dass von diesen erhebliche Wirkungen ausgehen. Zumindest aber dürften solche Beeinträchtigungen für das Brackwasserröhricht als etwa für die Zielart Rohrweihe geschütztes Lebensraumelement nicht offensichtlich und von vornherein auszuschließen sein.
In der FFH-Vorprüfung und in deren Prognose wird darauf abgestellt, dass durch die Kartierung lediglich ein Brutplatz der Zielart Rohrweihe, und dieser außerhalb des 500 m Untersuchungsraumes, festgestellt worden sei. Auch ansonsten seien nur sehr geringe Individuenzahlen rastender Entenvögel festgestellt worden, die hinsichtlich der im Vergleich zu der 2007 vorgenommenen Bewertung weit hinter den Erwartungen zurückblieben. Die Vorprüfung und mit ihr auch die Entscheidung der Antragsgegnerin, von einer Verträglichkeitsprüfung abzusehen, verkennt den Gebietsschutzcharakter des Europäischen Vogelschutzgebietes „D und E“ nach dem die Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) umsetzenden § 3 Natura 2000-LVO M-V. Zu Recht hat der Antragsteller darauf hingewiesen, dass danach als maßgebliche Bestandteile (deren Erhaltung oder Wiederherstellung Erhaltungsziel des jeweiligen Vogelschutzgebietes ist) sowohl die Vogelarten als auch die hierfür erforderlichen Lebensraumelemente gebietsbezogen festgesetzt werden. Es kommt also gerade nicht darauf an, ob aktuell dort Brutplätze vorhanden oder rastende Vögel anzutreffen sind. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass – vorbehaltlich der Feststellungen einer FFH-Prüfung – ein Hineinrücken möglicher Störungsquellen in die Fluchtdistanzen der Zielarten zu einer letztlich vollständigen und dauerhaften Entwertung deren geschützter Lebensraumelemente und damit des Vogelschutzgebietes führen könnte, zumal die Vorprüfung eine (nachvollziehbare) Prognose etwa zu Brut- und Rastverhalten der Zielarten in den kommenden Jahren nicht trifft.
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