„Kühe brauchen Blüemliheu“
In den Agrarlandschaften erleben wir im Laufe der Jahrzehnte in einem noch immer laufenden Prozess nach dem Niedergang der Ackerwildkräuter eine mittlerweile kaum weniger verheerende Verarmung der Biodiversität im Grünland. Wer Agrobiodiversität erhalten möchte, muss sich mit dem Grünland und dessen Nutzungsweisen als zentralen Schlüssel befassen – ohne geht es nicht.
- Veröffentlicht am
Einer, der dieses über Jahrzehnte intensiv betreibt, ist Dr. Andreas Bosshard, Agrarökologe und Inhaber eines Planungs- und Forschungsbüros, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Zürich, Mitbewirtschafter eines Biohofes und Geschäftsführer von „Vision Landwirtschaft“, einer Denkfabrik unabhängiger Agrarfachleute in der Schweiz. Er hat ein Buch geschrieben, das als Band 50 der Bristol-Schriftenreihe äußerlich etwas unscheinbar daherkommt, aber inhaltlich extrem gehaltvoll ist: „Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas“. Aus deutscher Sicht ist der Begriff „Wiesland“ leider nicht so geläufig – das ist schade, denn Bosshard vereint hier ein interdisziplinäres Wissen, das auch in Deutschland für den Grünlandschutz dringend notwendig ist.
Das Buch gliedert sich in drei Hauptteile: Es schildert zunächst ökologische und futterbauliche Grundlagen. Dazu zählen die Entstehung, Ziele und Bedeutung des heutigen Naturfutterbaus, begriffliche Klärungen und Multifunktionalität, die Ökologie des Grünlands mit Wirkungen von Standort und Bewirtschaftung, Umweltfaktoren, Biodiversität, Konkurrenz und dem Wurzelraum. Ein Hauptkapitel widmet sich der Beurteilung des Pflanzenbestands und des Standorts im Hinblick auf Ertrag und Nutzungsmöglichkeiten, ein weiteres den Einflüssen der Bewirtschaftung auf Pflanzenbestand und Futter. Und das Buch liefert für die Schweiz eine Wiesentypologie.
Teil B befasst sich mit historischen Grundlagen: Wie ist das Wiesland in der Schweiz und Mitteleuropa entstanden und wie hat es sich entwickelt? Wie verlief der Niedergang der einst so typischen Fromentalwiesen, den Fettwiesen der Tallagen? Und wie haben sich Vegetation und Flora im Wiesland entwickelt mit welchen Auswirkungen auf die Fauna? Teil C setzt diese Erkenntnisse auf knapp 30 Seiten in ein Handlungskonzept um: Wie lässt sich aus gesamtbetrieblicher Sicht ein standortgemäßer, nachhaltiger und ressourcenschonender Futterbau realisieren – mit Grünland als Teil des Gesamtsystems „Milch- und Fleischproduktion“? So weit vom Naturschutz bis tief in das Herz der landwirtschaftlichen Denke und Praxis ist wohl noch kaum ein Ökologe vorgedrungen!
Diese doppelte Perspektive, aus ertragskundlich-landwirtschaftlicher wie aus ökologisch-naturschutzfachlicher Sicht, macht das Buch so einzigartig. Es steht damit symptomatisch für den einzig wirksamen Ansatz, wie Biodiversität und Ökosystemleistungen insgesamt in Agrarlandschaften zu sichern und entwickeln sind: nur gemeinsam durch ein Miteinander der nutzenden und der schützenden Akteure, nicht allein blickend auf die Einzelflächen, sondern den Gesamtbetrieb. Dafür liefert das Buch einen grandiosen Aufschlag. Für alle, die in diesem Bereich arbeiten, auch in Deutschland, kann nur gelten: kaufen, lesen, gemeinsam in der Praxis umsetzen!
Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas. Mit besonderer Berücksichtigung der Fromentalwiesen und des standortgemässen Futterbaus. Von Andreas Bosshard. Bristol-Schriftenreihe 50. 265 Seiten mit 96 farbigen Abbildungen und 11 Tabellen. Haupt Verlag, Bern. Kartoniert. 36,– €/CHF. ISBN: 978-3-258-07973-8
Barrierefreiheit Menü
Hier können Sie Ihre Einstellungen anpassen:
Schriftgröße
Kontrast
100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot
Als Abonnent:in von Naturschutz und Landschaftsplanung erhalten Sie pro Kalenderjahr 100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot im Grünen Stellenmarkt.
mehr erfahrenNoch kein Abo? Jetzt abonnieren und Rabatt für 2025 sichern.
zum Naturschutz und Landschaftsplanung-Abo
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.