Agrar-Report fordert Neuausrichtung der Politik für biologische Vielfalt
Wie ist die Situation der biologischen Vielfalt in den deutschen Agrarlandschaften? Welche Wirkung haben die Instrumente der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) – und wie können diese naturverträglicher gestaltet werden? Zu diesen Fragen hat das Bundesamt für Naturschutz (BfN) erstmals einen „Agrarreport“ vorgelegt.
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Dazu hat das Bundesamt für Naturschutz die Ergebnisse aus verschiedenen Forschungsvorhaben zur Entwicklung der Natur in der Agrarlandschaft zusammengeführt. Die Analyse belegt einmal mehr die Tatsache, dass die Situation der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft alarmierend schlecht ist und sich nach wie vor deutlich verschlechtert. Das wird gut und nachvollziehbar belegt. Besonders wichtig aber erscheinen die Schlussfolgerungen daraus: Wie wirksam sind die derzeitigen Instrumente der GAP – und vor allem: Wie kann die GAP in der laufenden Förderperiode wirksamer, wie sollte sie anschließend ab 2021 grundlegend neu und effizient gestaltet werden?
Kurzfristig – bis zum 31. Juli 2017 müssten hier z.T. EU-rechtlich relevante Änderungen beschlossen sein – sieht das BfN zehn Punkte als wesentlich an:
Ökologische Vorrangflächen (ÖVF)
1. ÖVF-Kategorien anpassen: Um einen auch in der Fläche wirksamen Mehrwert für die Biodiversität in Ackerlandschaften zu erreichen, muss eine Fokussierung auf die wirksamsten ÖVF-Typen erfolgen. Gewichtungsfaktoren müssen deutlich stärker ihren Beitrag zum Biodiversitätsschutz widerspiegeln. Ökologisch wenig wirksame Typen sollen nicht weiter anerkannt werden. Pflanzenschutzmittel sind auf allen ÖVF eindeutig zu verbieten. Auch sollten weitere ökologisch hochwertige Typen Anerkennung finden, z.B. produktionsintegrierte Maßnahmen wie Lichtäcker oder mehrjährige Blühmischungen zur Nutzung in Biogasanlagen mit angepasster Düngung.
2. Sieben statt fünf Prozent: Die Anhebung des Anteils an (wirksamen) ÖVF von 5 auf 7 % ist zentral, um deren Flächenwirksamkeit zu erhöhen bzw. dem aus zahlreichen Studien abgeleiteten Ziel nach einem Anteil naturnaher Flächen in der Agrarlandschaft von mindestens 10 % näher zu kommen.
3. ÖVF-Pflicht erweitern: Auch für Dauerkulturen und Grünland sind diese notwendig – angesichts der breiten Nutzungsintensivierung und ihrer Folgen.
4. Flexibiliseren: Um das Sanktionsrisiko für Betriebe zu minimieren und so die Akzeptanz gerade von ökologisch hochwertigen Streifen und Landschaftselementen zu erhöhen, muss die Abmessungsproblematik entschärft werden. Flexiblere Bewirtschaftungsvorschriften für Streifenelemente und Brachen sind erforderlich. Der Aufwand für Verwaltungsabläufe und Kontrollen ist zu reduzieren, Kriterien und Auflagen bei Feldrändern, Pufferstreifen und Waldrandstreifen sind zu vereinheitlichen.
5. Kombinationen ermöglichen: Die Anerkennung von gleichwertigen Maßnahmen im Rahmen von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) oder Vertragsnaturschutzprogrammen ist wünschenswert. Dies würde die Wahlmöglichkeiten der Landwirte erhöhen und die Attraktivität solcher Maßnahmen fördern. Dazu sollten auch interdisziplinäre, gesamtbetriebliche Beratungsansätze ausgebaut werden.
Erhalt von Dauergrünland
6. Umweltsensibles Grünland erweitern: Um einen besseren Schutz und ein vollständiges Umbruchverbot vor allem wertvoller Dauergrünlandbestände zu erreichen, ist die Definition von umweltsensiblem Dauergrünland deutlich auszuweiten: mindestens auf die gesamte Natura-2000-Gebietskulisse die organischen Böden und alle gefährdeten und gesetzlich geschützten Grünlandbiotoptypen sowie Grünlandflächen mit hohem Naturwert.
7. Dauergrünland neu definieren: Um die Beihilfefähigkeit auch für naturschutzfachlich wertvolles Grünland sicherzustellen und damit finanzielle Anreize für dessen Erhalt zu schaffen, ist die entsprechende Definition von Grünland zu erweitern.
8. Umbruch verbieten: Anzustreben ist ein bundesweites vollständiges Umbruchverbot von Grünland.
Mittelumschichtung
9. Mehr Geld für 2. Säule: In Anbetracht der Mittelkonkurrenzen und eklatanten Finanzierungslücke im Naturschutz ist die Erhöhung des Umschichtungssatzes von der 1. in die 2. Säule der GAP auf die EU-rechtlich möglichen 15 % dringend notwendig.
10. Die GAK besser nutzen: Die in Deutschland in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) neu eröffneten Möglichkeiten zur Finanzierung von Naturschutzmaßnahmen sind sowohl konzeptionell als auch hinsichtlich ihrer Inanspruchnahme durch die Länder umfänglich aufzugreifen.
Eckpunkte nach 2020
Für die nächste Agrar-Förderperiode kann sich der Naturschutz nach Auffassung des BfN keinesfalls mit „weiteren Schönheitskorrekturen an einem unzulänglichen und immer komplizierter werdenden System“ zufriedengeben. Es muss vielmehr eine komplette Umorientierung der Agrarpolitik stattfinden, die den Zielen des Biodiversitätsschutzes effektiv Rechnung trägt. Folgende Grundprämissen stellt das BfN in den Vordergrund:
- Zahlungen konsequent am Gemeinwohlprinzip ausrichten nach dem Grundsatz „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“: Ändern muss sich auch die Sichtweise auf die Rolle des Agrarfördersystems insgesamt. Die Agrarpolitik muss konsequent von der Aufgabe her gedacht werden, eine nachhaltige Produktion mit dem Erhalt der Biodiversität sowie diverser Ökosystemleistungen zu verknüpfen.
- Anreize für eine naturverträgliche Bewirtschaftung schaffen: Notwendig sind ein breites Set zielführender Maßnahmen sowie Förder- und Honorierungsmöglichkeiten, die nicht nur auskömmlich sind, sondern Landwirten auch hinreichende betriebliche Flexibilität eröffnen und Wahlmöglichkeiten lassen. Insgesamt müssen durch die Agrarförderung wirksame Anreizsysteme geschaffen werden.
- Den Rückgang der Biodiversität in der Agrarlandschaft auf breiter Front stoppen, Ressourcen schonen: Der Tendenz einer zunehmenden Segregation in „Schutzräume“ und in „Nutzräume“, in denen selbst Mindeststandards des Naturschutzes faktisch keine Rolle mehr spielen, ist zugunsten des im BNatSchG verankerten flächendeckenden Anspruchs auch in landwirtschaftlichen Intensivregionen zu begegnen.
Download des Agrar-Reports 2017: www.bfn.de/0405_hintergrundinfo.html.
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