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Editorial

Die Fichte als „Baum des Jahres“ – gelingt eine ideologiefreie Diskussion?

An der Fichte scheiden sich die Geister: Für die einen der „Brotbaum“, welcher die wirtschaft­lichen Erträge der Forstwirtschaft sichert, für andere Symbol einer verfehlten und einseitig gewinnorientierten Forstwirtschaft, die eine Baumart außerhalb ihrer wenigen natürlichen Vorkommen in Deutschland weit verbreitet hat. Für das Jahr 2017 hat das gleichnamige Kuratorium die Fichte als „Baum des Jahres“ ausgerufen – eine gute Gelegenheit für kontroverse Diskussionen um eine Baumart, die heute gemäß Bundeswaldinventur rechnerisch 2,76 Mio. ha Holzbodenfläche in Deutschland einnimmt – gut 25 %. Regional aber spielt sie gerade in den Mittelgebirgen eine wesentlich stärkere Rolle.

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Klimaschutz als Totschlagargument

Das Kuratorium „Baum des Jahres“ erntet Beifall für seine Wahl bei der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW): Ihr Präsident Philipp zu Guttenberg unterstrich, dass die Fichte für eine nachhaltige Forstwirtschaft „ein wichtiger Baum“ sei; sie verkörpere Ökonomie und Ökologie in einem, da sie wertvolles Holz für den Bau von Häusern und Möbeln liefere. Gleichzeitig trage sie zum Klimaschutz bei, weil der Kohlenstoff im Fichtenholz langfristig gebunden werde.

Wieder einmal verbiegen die Waldbesitzer „die Ökologie“ als wertneutrale Wissenschaft so zu einem vermeintlichen Qualitätsmerkmal. Falsch – gemeint ist eine positive Umweltwirkung oder Ökosystemleistung. Aber das ist hier nur eine ganz sektorale Sicht. CO2-Bindung können andere Baumarten mindestens genauso gut, manche sogar besser. Für eine ehrliche Bilanz wäre zu analysieren, wie die verschiedenen Hölzer eingesetzt werden. Und da findet Fichtenholz sehr weite Verwendung – einerseits als Bau- und Konstruktionsholz (eher lang­lebig), andererseits im Verpackungsbereich, für Betonschalbretter sowie zur Papier- und Zellstoffherstellung (eher kurzlebig). Entsprechend unterschiedlich stark ist ihr Beitrag zum Klimaschutz.

Klima- und Naturschutz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden – schon einmal war das Thema eines Editorials (Heft 3/2014, Seite 65). Dafür ist Naturschutz zu sehr auch Opfer des Klimawandels. Gesellschaftliche Leistungen der Forstwirtschaft (übrigens auch durch langlebige ungenutzte Wälder – zu beachten sind auch die Prozesse im Boden!) ­dürfen nicht einäugig auf die Verwendung des Rohstoffs Holz verkürzt werden. Und so ist festzuhalten, dass groß­flächiger Anbau der Fichte auf Standorten, wo sie nicht autochthon ist, das Landschaftsbild zum Negativen verändert, zur Versauerung von Böden und Gewässern beiträgt, zahlreichen waldtypischen Arten und Biozönosen keinen ­Lebensraum bietet. Vor diesem Hintergrund erscheint das Argument „Die Fichte verkörpert Ökonomie und Ökologie in einem“ schlicht unsachlich.

Diskussion ja – aber ehrlich

Zu Guttenberg betont, dass die Vor- und Nachteile der Fichte offen diskutiert werden müssten, damit sie in der Waldbewirtschaftung richtig eingesetzt werde könne. In den vergangenen Jahren werde die Debatte um das Für und Wider von Baumarten immer ideologischer geführt. „Im Waldbau brauchen wir wieder eine ideologiefreie Debatte um Baumarten“, erklärt der oberste Waldbesitzer und führt gleich auch „klimaresistente“ Baumarten wie die Douglasie oder die Roteiche mit ins Feld. Er verschweigt dabei, dass gerade die Fichte eben nicht robust gegenüber dem Klimawandel ist, sondern ihre Wuchsbedingungen in Deutschland deutlich schlechter werden. Ideologiefreie Diskussion geht anders.

Wildkatzen und Windkraft

Von einer ganz anderen Seite bewertet der erste Hauptbeitrag die Fichte: Dort, wo Fichtenbestände durch Sturmereignisse auf größerer Fläche geworfen werden und sich der Wald nach Kyrill durch Sukzession regenerieren kann, entstehen gut geeignete Lebensräume für die Wildkatze – ein Grund, warum sich die Art im Rothaargebirge wieder ausbreiten konnte. Ein Befund, über den sich Projektierer von Windenergieanlagen nicht unbedingt freuen werden: Die Arbeit zeigt einmal mehr, dass die derzeit vielerorts laufende und noch immer nicht ausreichend überregional und fachlich fundiert gesteuerte Ausweisung von Windpark-Standorten in Wäldern fatal ist. Unser (Halb-)Wissen zu der Problematik der Windkraft im Wald sollte genügen, um auf die Bremse zu treten: durch Priorisierung des Windkraft-Ausbaus in der Agrarlandschaft (mit einer fachlich begründeten räumlichen Konzentration – nicht als Schrotschuss über die Landschaft verteilt) – und durch rigide Beschränkung allenfalls auf großflächig naturferne und zugleich junge Waldbestände. Da kommt die Fichte wieder ins Spiel.

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