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Editorial

Gestaltet der Wolf Ökosysteme mit? Prozessschutz mit großen Beutegreifern

Der Wolf kommt – für die einen ist er (märchenhaft) böse, anderen gilt er hoch willkommen als Bereicherung 150 Jahre nach der Ausrottung. 31 Rudel plus vier Einzelpaare leben mit Stand von Februar 2015 nach Angaben des NABU-Projektbüros Wolf in Deutschland. Sachsen führt mit zwölf Rudeln die Länderliste an, gefolgt von Brandenburg (sieben Rudel plus zwei Paare), Niedersachsen (fünf Rudel plus zwei Paare), Sachsen-Anhalt (fünf Rudel) und Mecklenburg-Vorpommern (zwei Rudel). Eine beeindruckende Ausbreitungs-Bilanz, nachdem 2000 erstmals wieder Wolfswelpen in Freiheit geboren wurden.

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In der Öffentlichkeit wird der Wolf auf meist nur zwei Aspekte reduziert: Angst vor Übergriffen auf den Menschen und Verluste für Tierhalter, vor allem Schäfer, durch Wolfsrisse. Ökologisch betrachtet ist er vor allem Top-Prädator, an der Spitze der Nahrungskette stehend. Was bedeutet diese Funktion für die Ökosysteme, welche der Wolf besiedelt?

Kommt der Wolf, wachsen junge Eichen?

Ein ausführliches Review in der vorliegenden Ausgabe bringt durchaus überraschende Ergebnisse: Obwohl seine Biomasse im Ökosystem gering ist, könnte der Wolf als Schlüsselart das Potenzial besitzen, den Bestand von Huftieren und Mesoprädatoren (kleinen Raubtieren) zu reduzieren – auf ein Level, das geringer ist, als die Kapazität des Ökosystems zuließe. Im Ergebnis sollte der Wolf indirekt maßgeblich die Verjüngungsdynamik von Wäldern und vielleicht auch weitere Prozesse in Ökosystemen beeinflussen.

Gewiss, Marco Heurich – Autor der Studie – schränkt ein, dass die Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse kritisch zu hinterfragen sei. Dennoch sieht er die Rückkehr von großen Beute­greifern als wichtigen Ansatz zur Renaturierung von Ökosystemen: Als Bestandteil des Prozessschutzes sollte es insbesondere in Groß­schutzgebieten das Ziel sein, die natürliche Arten­ausstattung an Prädatoren wiederherzustellen. Eine spannende Entwicklung – und vielleicht auch ein Schlüssel, um Wildverbiss zu reduzieren und Naturverjüngung vieler Waldbaumarten zu erleichtern?

Schäfer brauchen Unterstützung

Rechtlich gesehen ist der Wolf bestmöglich geschützt – durch Anhang IV der FFH-Richtlinie, Berner Konvention und §44 BNatSchG. Dabei dürfen die einen Schutzerfordernisse nicht auf Kosten anderer auf’s Spiel gesetzt werden: Wirtschaftliche Verluste, die insbesondere Schafhalter durch Wolfsrisse erleiden, sind unbürokratisch zu regulieren. Schadenersatz ist das eine. Mindestens ebenso wichtig ist aber, vorbeugend tätig zu werden und Aufwendungen für einen besseren Herdenschutz durch Zäune und Herdenschutzhunde zu ersetzen. Denn der Naturschutz kann seine Ziele, auch für den guten Erhaltungs­zustand mancher FFH-Lebensraumtypen, auf vielen Flächen nur durch die Arbeit der Schäfer erreichen. Und die arbeiten, wie eine amtliche Studie in Baden-Württemberg für Berufsschäfer ermittelte, ohne­hin für einen mittleren Stundenlohn von gerade mal 4,80€ – weniger als die Hälfte des gesetzlichen Mindestlohns. Da kann jede zusätzliche Belastung das wirtschaftliche Ende bedeuten – das hilft niemandem! „Kulturlandschaft braucht Schafe!“ ist auch eine Erklärung von acht bayerischen Verbänden betitelt, über die wir auf Seite 363 berichten.

80 % positive Umfragewerte

Übrigens besitzt der Wolf in der Öffentlichkeit ein sehr positives Image, wie eine repräsenta­tiven Bevölkerungsumfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa ergab, die der NABU im September bei einer internationalen Wolfs­konferenz in Wolfsburg vorstellte:

80 % der Bundesbürger finden es erfreulich, dass der Wolf wieder Bestandteil von Natur und Landschaft ist – für sie gehört der Wolf genauso wie Fuchs in Reh in unsere Landschaft.

Jeder Zweite (54 %) verbindet mit dem Wolf positive Gefühle, während bei nur 12 % der Menschen negative Empfindungen zum Tragen kommen.

78 % der Bürger sind der Überzeugung, dass Wölfe auch in Deutschland leben sollten, selbst wenn es teilweise zu Problemen kommt.

Lediglich für 11 % der Befragten stellt die Rückkehr des Wolfes eine Bedrohung dar, 85 % hingegen sehen dies nicht.

Allerdings gaben auch 30 % der Befragten an, Angst zu haben, in einem Gebiet mit Wolfs­vorkommen in den Wald zu gehen.

Auch mit den weiteren Themen bietet das vorliegende Heft Anlässe zur Diskussion: Es geht um stoffliche Belastungen durch die Landwirtschaft und einmal mehr um den Konflikt zwischen Windkraft und Artenschutz.

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