Auenwälder als Elemente im Biotopverbund
Abstracts
Im Jahr 2013 hat Deutschland den dritten Nationalen Bericht nach Art. 17 der FFH-Richtlinie erstellt. Hierin erfolgte die Bewertung des Erhaltungszustands sämtlicher in den Anhängen der Richtlinie für Deutschland geführter Arten und Lebensraumtypen.
Im Beitrag werden vertieft die für einen naturraumübergreifenden Biotopverbund wichtigen Lebensraumtypen 91E0 (Weichholzauenwälder) und 91F0 (Hartholzauenwälder) behandelt, indem die für ihre aktuelle Bewertung maßgeblichen Faktoren analysiert werden. Der Schwerpunkt liegt dabei neben Aussagen zur aktuellen Fläche und dem aktuellen Verbreitungsgebiet auf den Habitatstrukturen, dem Arteninventar sowie den Beeinträchtigungen. Es wird zudem aufgezeigt, wie die Eingangsdaten und Bewertungsergebnisse des FFH-Berichts Hinweise auf Maßnahmen zur Verbesserung des Erhaltungszustands der Auenwälder liefern können.
Alluvial forests as elements of ecological networks – network implementation in view of Natura 2000 and the 2013 German Art. 17 reporting
In 2013, Germany finalized the third national report under Article 17 of the Habitats Directive. The report contains the evaluation of the conservation status of all annex species and habitat types in Germany.
The paper gives detailed attention to the habitat types 91E0 (residual alluvial forests) and 91F0 (mixed oak-elm-ash forests of great rivers) as essential elements for a comprehensive ecological network. It analyses the major factors influencing the current evaluation results. Besides current areas and distribution ranges the study focuses on the habitat structures, the species inventory, as well as threats and pressures. Further, it illustrates how input data and assessment results of the national report can help to identify possible measures to enhance the conservation status of alluvial forests.
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1 Einleitung
Mit der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL, Richtlinie 92/43/EWG des Rates, Der Rat der Europäischen Gemeinschaften 1992; aktuelle Fassung der Anhänge Richtlinie 2013/17/EU, Der Rat der Europäischen Union 2013) haben sich die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, die biologische Vielfalt auf dem Gebiet der Europäischen Union dauerhaft zu schützen und zu erhalten. Dabei zielen die aufgrund der FFH-RL getroffenen Maßnahmen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten gemeinschaftlichen Interesses zu bewahren bzw. wiederherzustellen. Kernelement zur Umsetzung der Vorgaben der FFH-RL ist das Schutzgebietssystem „Natura 2000“. Es ist nach Art. 3 Abs. 1 der FFH-RL als ein kohärentes ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete auszuweisen und dauerhaft zu sichern (Ssymank et al. 1998). Natura 2000 besteht aus der Gesamtheit der nach der FFH-RL ausgewiesenen besonderen Schutzgebiete sowie den nach der Vogelschutz-Richtlinie (VSch-RL, Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, Der Rat der Europäischen Gemeinschaften 2009) ausgewiesenen Schutzgebieten.
In den FFH-Schutzgebieten sind die Lebensraumtypen (LRT, nach Anhang I der FFH-RL) und Arten (Anhänge II, IV und V) der Richtlinie zu schützen. In Deutschland sind dies derzeit 92 LRT sowie 195 Tier- und Pflanzenarten plus vier Artengruppen (vgl. komplette Ergebnisse des Nationalen FFH-Berichts unter http://www.bfn.de/0316_bericht2013.html ).
Die Vorgaben der FFH-RL verlangen, den Zustand der zu schützenden LRT und Arten regelmäßig zu überwachen und über die Ergebnisse dieser Überwachung zu berichten. So ist im sechsjährigen Turnus nach Art. 17 der FFH-RL ein Bericht über die Durchführung der im Rahmen der Richtlinie durchgeführten Maßnahmen einschließlich der Ergebnisse eines allgemeinen Monitorings nach Art. 11 der FFH-RL durch die EU-Mitgliedstaaten zu erstellen. Die Überwachung nach Art. 11 der FFH-RL ist als flächendeckendes Monitoring über die FFH-Schutzgebiete hinaus umzusetzen. So stellt der Erhaltungszustand (EZ) der einzelnen Schutzgüter, wie er sich auf der Ebene der deutschen Flächenanteile der biogeographischen Regionen (BGR) Europas zeigt, die Zielgröße des Monitorings in der nationalen Berichterstattung dar. Bewertungsaussagen sind daher nicht auf einzelne Vorkommen eines Schutzguts zu beziehen, ermöglichen aber dennoch eine differenzierte Analyse der Ursachen, welche zu einer bestimmten Gesamtbewertung des EZ führen. Hierfür können die Bewertungen zu den einzelnen Parametern und ihren Unterkriterien herangezogen werden, die in aggregierter Form zur Einstufung des EZ eines LRT bzw. einer Art führen (vgl. Abschnitt 3).
2 Biotopverbundansatz in der FFH-RL
Da die Anhänge der FFH-RL jeweils nur eine Auswahl der in Deutschland tatsächlich schutzbedürftigen LRT und Arten beinhalten, können die Schutzgebiete des Natura-2000-Netzwerks allein kein vollständiges Biotopverbundsystem ergeben (Riecken et al. 2004). Dennoch greift die FFH-RL die Ansätze des Biotopverbunds an verschiedenen Stellen und in expliziter Weise auf.
Zum einen beinhaltet bereits die grundlegende Definition von Natura 2000 in Art. 3 als „kohärentes europäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete“ den Gedanken der naturraumübergreifenden Verbindung wertvoller Lebensräume und Habitate. Art. 3 Abs. 3 legt den Mitgliedstaaten in diesem Kontext zudem nahe, diese ökologische Kohärenz des Netzes durch die Erhaltung und, wenn als erforderlich betrachtet, die gezielte Schaffung verbindender Landschaftselemente zu verbessern. Weiterhin widmet die FFH-RL mit Art. 10, der sich mit der Förderung der vorangehend genannten Landschaftselemente befasst, der Vernetzungsfunktion von Natura 2000 einen eigenen Abschnitt (s. Textbox 1).
Die Inhalte des Art. 10 greifen explizit die funktionale Bedeutung auf, welche räumlich verbundene Landschaftselemente mit gutem EZ für die essenziellen Ansprüche von Populationen wildlebender Arten haben. Einen Auslegungsleitfaden zu Art. 10 mit Empfehlungen zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Habitatkonnektivität hat das Institut für Europäische Umweltpolitik veröffentlicht (Kettunen et al. 2007). Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) richtete im Jahr 2005 einen internationalen Workshop zu Biotopverbund und Kohärenz nach Art. 10 der FFH-RL aus, dessen Ergebnisse inklusive einer Schlussempfehlung in Ssymank et al. (2006) publiziert wurden.
Im Folgenden sollen die Bewertungsmethoden und -ergebnisse des Nationalen FFH-Berichts 2013 zu den FFH-LRT unter spezieller Berücksichtigung der LRT 91E0* (Weichholzauenwälder, *=prioritärer LRT) und 91F0 (Hartholzauenwälder) vorgestellt werden, die mit Blick auf einen weiträumigen Biotopverbund in Deutschland von großer Bedeutung sind.
3 LRT-Bewertungsmethode und Verfahrensablauf des Nationalen FFH-Berichts 2013
Im Jahr 2013 wurde der dritte Nationale Bericht Deutschlands nach Art. 17 der FFH-RL erstellt. Dieser Bericht (Bezugszeitraum 2007 – 2012) enthielt nach jenem des Jahres 2007 (Bezugszeitraum 2001 – 2006) zum zweiten Mal eine vollständige Bewertung der EZ der LRT des Anhangs I der FFH-RL (vgl. Ellwanger et al. 2014). Die Bewertungsparameter umfassen nach dem EU-Berichtsformat das „Verbreitungsgebiet“, die „Fläche“, die „Spezifischen Strukturen und Funktionen“ sowie die „Zukunftsaussichten“ (vgl. Balzer et al. 2008, ETC/BD 2011).
Die Daten zur Bewertung des EZ stammten zum einen aus den regulären Erfassungsprogrammen der Bundesländer (Biotopkartierungen, FFH-Kartierungen etc.). Zum anderen kamen für den Bericht 2013 erstmals die Daten aus einem bundesweit einheitlichen FFH-Monitoring (vgl. Sachteleben & Behrens 2010) hinzu. Im Fall seltener Schutzgüter erfolgte die Erfassung aller bekannten Vorkommen eines LRT (Totalzensus). Bei häufigeren Schutzgütern wurde das Monitoring auf Stichprobenbasis durchgeführt.
Das Kernelement des bundesweiten FFH-Monitorings bilden einheitliche Bewertungsschemata (vgl. http://www.bfn.de/0315_ffh_richtlinie.html ), welche die Einordnung eines LRT-Vorkommens auf Grundlage der Kriterien der Habitatstrukturen, des Arteninventars sowie der Beeinträchtigungen mit jeweils verschiedenen Unterkriterien in eine Wertstufenskala („A: hervorragende“, „B: gute“ bzw. „C: mittlere bis schlechte“ Ausprägung) vorsehen (vgl. Abschnitt 4.2). Der Anteil an „C“-Einstufungen für die Vorkommen eines LRT geht dann ein in die Bewertung des LRT bzgl. des Parameters der Spezifischen Strukturen und Funktionen auf Ebene der BGR.
Die Daten aus den Ländererfassungsprogrammen, ergänzt um jene aus dem FFH-Monitoring und der Bundeswaldinventur 2012 (mit Daten zu den häufigen Wald-LRT; Letztere umfassten nicht die LRT 91E0 und 91F0), wurden an das BfN geliefert, dort aggregiert und auf notwendige Ergänzungen bzw. Korrekturen geprüft. Die endgültigen Bewertungen zu den o.g. Parametern wurden auf insgesamt fünf Konferenzen für die Anteilsgebiete Deutschlands an der atlantischen, kontinentalen und alpinen BGR, ergänzt um separate Bewertungstreffen zu den Wald-LRT und den marinen Schutzgütern, abgestimmt.
Die Einordnung des Zustands der LRT bzgl. der Parameter erfolgt nach dem EU-Berichtsformat (vgl. ETC/BD 2011) in die (Farb-)Kategorien „günstig“ (FV/grün), „ungünstig-unzureichend“ (U1/gelb), „ungünstig-schlecht“ (U2/rot) bzw. im Fall nicht ausreichender Grundlagen zur Beurteilung „unbekannt“ (XX/grau). In der Aggregation der Bewertungen bzgl. der Parameter zu jener des Gesamt-EZ der Schutzgüter ist die schlechteste der vier Bewertungen maßgeblich. Ein günstiger EZ erfordert grüne Einstufungen bzgl. aller Parameter bei maximal einer grauen Bewertung.
4 Ergebnisse des Nationalen FFH-Berichts zu den LRT 91E0 und 91F0
4.1 Weich- und Hartholzauenwälder der FFH-RL
Im Folgenden werden Methoden und Ergebnisse der EZ-Bewertungen der LRT 91E0 (Weichholzauenwälder) und 91F0 (Hartholzauenwälder) im Rahmen des Nationalen FFH-Berichts 2013 in ihren Einzelheiten vorgestellt.
Der in Anhang I der FFH-RL als prioritärer LRT geführte 91E0 ist definiert als Erlen- und Eschenwälder und Weichholzauenwälder an Fließgewässern (Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae; Abb. 1) und umfasst nach Ssymank et al. (1998) „fließgewässerbegleitende Erlen- und Eschenauwälder sowie quellige, durchsickerte Wälder in Tälern oder an Hangfüßen“. Auch Erlenwälder auf Durchströmungsmooren im Überflutungsbereich der Flüsse werden von Ssymank et al. (1998) zu diesem LRT gezählt.
LRT 91F0 ist als Eichen-Ulmen-Eschen-Auenwald am Ufer großer Flüsse charakterisiert (Abb. 2). Solche Hartholzauenwälder im Bereich natürlicher Überflutungsdynamik entlang der Flüsse werden von Ssymank et al. (1998) als „Wälder stickstoffreicher Standorte mit meist üppiger Krautschicht und gut ausgebildeter Strauchschicht, reich an Lianen“ beschrieben. Dabei bilden sich je nach dem Wasserregime im Regelfall Laubmischbestände mit wesentlichen Anteilen der Stieleiche (Quercus robur), der Esche (Fraxinus excelsior) oder der Ulmenarten (Ulmus laevis, U. minor) aus.
Die beiden genannten LRT stellen wichtige Beispiele für Elemente eines naturraumübergreifenden Biotopverbunds entlang von Fließgewässern dar. Zahlreiche Untersuchungen und Publikationen (vgl. Auenzustandsbericht BMU & BfN 2009) befassen sich mit der hohen ökologischen Wertigkeit der Auenwaldsysteme und zeigen ebenso ihre großen Flächenverluste auf – so gehen Schätzungen davon aus, dass nur noch weniger als 1 % der ursprünglichen Hartholzauenwälder in Deutschland vorhanden ist. Neben vielfältigen landschaftsökologischen Funktionen in der Regulierung der Überflutungsdynamik der Gewässer und somit des Wasserhaushalts von Landschaften dienen sie nicht zuletzt aufgrund ihrer sehr hohen Strukturdiversität und den wechselnden Überflutungsintensitäten zahlreichen Tier- und Pflanzenarten als Habitate und Wanderkorridore.
4.2 Erhaltungszustandsbewertung: Datenquellen und Kriterien
Für die Bewertung des EZ der Auenwald-LRT stammte der weitaus größte Teil der Daten aus den Biotopkartierungen der Bundesländer. Hinzu kamen Informationen aus den FFH-Kartierungen innerhalb der Natura-2000-Gebiete sowie Experteneinschätzungen. Über das FFH-Monitoring standen einheitliche Bewertungsschemata zur Ansprache des Parameters der Spezifischen Strukturen und Funktionen für beide LRT zur Verfügung. Tab. 1 zeigt das Bewertungsschema für den LRT 91F0. Es ist eingeteilt in drei Sektionen, die für die Unterparameter der Habitatstrukturen, des Arteninventars sowie der Beeinträchtigungen die zugehörigen Bewertungskriterien und ihre Ausprägungen in den drei Wertstufen enthalten. Wichtiges Kriterium der Habitatstrukturen sind die Waldentwicklungsphasen (WEP), welche die Stammdurchmesser in Brusthöhe und damit indirekt das Baumalter erfassen. Für eine hervorragende Ausprägung wird zum einen eine größere Zahl an WEP sowie gleichzeitig das Vorkommen großer Durchmesserstufen ab 50cm gefordert. Wichtige Kriterien sind weiterhin das Auftreten von Altbäumen (>150 Jahre) und solchen der Zerfallsphase in ausreichender Zahl. Die Kriterien des Unterparameters des lebensraumtypischen Arteninventars werden anhand definierter Artenlisten für Gehölze und krautige Vegetation angesprochen. Eine faunistische Bewertung fehlt bisher. Der Unterparameter der Beeinträchtigungen nimmt über seine Kriterien Bezug auf Aspekte des hydrologischen Regimes, des Vorkommens nicht standortsgerechter Vegetation sowie Schäden durch Nutzung und Wildverbiss.
4.3 Erhaltungszustandsbewertung: Ergebnisse im Nationalen FFH-Bericht 2013
Die Resultate der Bewertung des EZ der LRT 91E0 und 91F0 für die kontinentale BGR im FFH-Bericht 2013 mit Angabe der Einzelparameterbewertungen sind in Tab. 2 aufgeführt. Es ergibt sich für beide LRT ein ungünstig-schlechter EZ (U2).
Während das Verbreitungsgebiet für den LRT 91E0 aufgrund seiner flächendeckenden Vorkommen als günstig (FV) eingestuft wird, spiegelt die Bewertung ungünstig-unzureichend (U1) für den LRT 91F0 in Tab. 2 dessen nur noch lückenhafte Vorkommen in der kontinentalen BGR wider (vgl. Abb. 3, Punkte zeigen ≥1 Vorkommen des LRT im entsprechenden Messtischblatt (MTB) an, die grünen Polygone skizzieren das Verbreitungsgebiet). An Main, Neckar und Mosel fehlen die Hartholzauenwälder fast vollständig, dazu in einem weiten Teilabschnitt der Donau. Größere Lücken in der Verbreitung zeigen sich zudem z.B. entlang der Elbe in Sachsen. Die Bewertung der Fläche als U1 für beide LRT zeigt auf, dass die einzelnen Vorkommen oftmals nur geringe Ausdehnungen besitzen.
Sowohl im Fall der Weichholz- wie auch der Hartholzauenwälder resultiert die schlechte Gesamtbewertung aus der U2-Einstufung bezüglich des Parameters der Spezifischen Strukturen und Funktionen. Bei vergleichender Hinzuziehung der entsprechenden Bewertungen des FFH-Berichts 2007 wird deutlich, dass für die abgelaufene Berichtsperiode (2007 – 2012) für beide LRT Verschlechterungen bezüglich dieses Parameters zu verzeichnen sind. Sowohl für den LRT 91E0 wie auch für den LRT 91F0 war der Parameter im FFH-Bericht 2007 noch als U1 eingestuft worden. Die Zukunftsaussichten beider LRT wurden von den Ländernaturschutzexperten als U1 eingeschätzt.
In der atlantischen BGR (vgl. Tab. 3) zeigen sich für den LRT 91E0 bezüglich sämtlicher Parameter dieselben Bewertungen wie in der kontinentalen BGR. Die Situation beim LRT 91F0 stellt sich dagegen bezüglich der Fläche mit einer U2-Bewertung schlechter dar als in der kontinentalen BGR. Dies spricht für insgesamt noch kleinteiligere Einzelvorkommen. Das Verbreitungsgebiet wird wegen großer Vorkommenslücken (u.a. an Weser, Ems und Rhein) mit U1 bewertet. Da neben der Fläche auch hier die Ausprägung der Spezifischen Strukturen und Funktionen als U2 eingestuft wurde, resultierte diese Einschätzung letztlich auch für die Zukunftsaussichten des LRT. Haben sich die Bewertungen für den LRT 91F0 im Vergleich zum Vorbericht 2007 nicht verändert, kam es beim LRT 91E0 zu einer Verschlechterung der Bewertung bezüglich der Spezifischen Strukturen und Funktionen von U1 in 2007 auf U2 im aktuellen Bericht.
In der alpinen BGR kommt nur der LRT 91E0 vor, der hinsichtlich aller Einzelparameter und des Erhaltungszustands als günstig bewertet wurde.
Nachfolgend werden die Bewertungen bezüglich der Spezifischen Strukturen und Funktionen genauer beleuchtet, da deren Zustand sowohl in der kontinentalen wie auch der atlantischen BGR für beide LRT aktuell als U2 eingestuft wird.
Für beide Auenwald-LRT waren mit Blick auf diesen Parameter im FFH-Bericht 2013 die Ergebnisse des FFH-Monitorings maßgeblich. In der kontinentalen BGR wurden hierbei 63 Stichprobenflächen zum LRT 91E0 bzw. 60 Flächen zum LRT 91F0 aus dem Monitoring für die Bewertungen herangezogen. Die Bewertung der einzelnen Stichprobenflächen hinsichtlich der Unterparameter der Habitatstrukturen, des Arteninventars und der Beeinträchtigungen (vgl. Abschnitt 3 bzw. Tab. 1) und die anschließende Aggregation dieser Einzelbewertungen ergaben bei beiden LRT in der kontinentalen BGR einen Anteil von 35 % mit „C“ bewerteter Flächen. Bereits ab einem Schwellenwert von 25 % C-Anteil resultiert für den Parameter der Spezifischen Strukturen und Funktionen die Einstufung U2.
Die Bewertungsanteile der Unterparameter stellten sich für die beiden LRT durchaus unterschiedlich dar. So zeigten sich beim LRT 91E0 die größten Defizite in der Ausprägung der Habitatstrukturen (C-Anteil der Stichprobenflächen bei 54 %), was auf das häufige Fehlen mehrschichtiger Bestände mit ausreichend Alt- und Totholz sowie auf fehlende Vielfalt standortstypischer Strukturen (quellige Stellen, Tümpel, Flutmulden etc.) hinweist. Bezüglich des lebensraumtypischen Arteninventars wurden 35 % der Flächen mit C bewertet. Die Beeinträchtigungen (Entwässerungen, Gewässerverbauungen u.a. analog zu den in Tab. 1 für den LRT 91F0 genannte Beeinträchtigungen) spielten mit 27 % C-Anteil eine geringere Rolle. Ab zwei mit C bewerteten Unterparametern wird eine Stichprobenfläche insgesamt als C eingestuft. Beim LRT 91F0 zeigten sich mit jeweils 40 % C-Anteil die Beeinträchtigungen und die Defizite bei den Habitatstrukturen gleichermaßen als Ursache häufiger C-Bewertungen der Stichprobenflächen. Dagegen wurden hinsichtlich des Arteninventars nur 13 % der Flächen als C eingestuft.
Ergänzende Angaben im Rahmen der Länderkartierprogramme zeigten als schwerwiegendste Beeinträchtigungen des LRT 91F0 anthropogen bedingte Änderungen der Überflutung und des hydrologischen Regimes auf. Beim LRT 91E0 ist im FFH-Bericht zusätzlich die Veränderung von Lauf und Struktur der Fließgewässer gemeldet worden. Dieses trifft fachlich genauso auf den LRT 91F0 zu.
In der atlantischen Region lagen 63 Stichprobenflächen des FFH-Monitorings zum LRT 91E0 sowie 61 Flächen zum LRT 91F0 für die Bewertungen der Spezifischen Strukturen und Funktionen vor. Der Anteil bezüglich dieses Parameters mit C eingestufter Flächen lag beim LRT 91E0 bei 29 %, beim LRT 91F0 bei 39 %, weshalb in beiden Fällen die Spezifischen Strukturen und Funktionen als U2 bewertet wurden. Beim LRT 91E0 wurden 44 % der Stichprobenflächen mit Blick auf die Habitatstrukturen als C eingestuft. Verglichen mit der kontinentalen BGR zeigen die Stichprobenbestände des LRT 91E0 jedoch deutlich häufiger gute Ausprägungen des lebensraumtypischen Arteninventars (C-Anteil bei nur 16 %). 35 % der Flächen wiesen starke Beeinträchtigungen durch die in Tab. 1 aufgeführten Faktoren auf. Die Stichprobenflächen für den LRT 91F0 wiesen mit 49 % C-Anteil bei den Habitatstrukturen sowie 41 % bei den Beeinträchtigungen ähnliche Werte wie beim LRT 91E0 auf, allerdings zeigte sich hier das Arteninventar häufig in schlechtem Zustand (33 % C-Anteil).
Ergänzende Angaben aus den Länderkartierprogrammen wiesen als schwerwiegendste Beeinträchtigungen beider LRT die Beseitigung von Tot- und Altholz, anthropogen bedingte Änderungen der Überflutung und des hydrologischen Regimes sowie die Verminderung der Habitatvernetzung und die daraus resultierende Fragmentierung aus. Beim LRT 91E0 kommt zu diesen Beeinträchtigungen noch jene durch Baumsanierungsmaßnahmen und Fällen aus Verkehrssicherungsgründen, beim LRT 91F0 jene durch Wildschäden hinzu.
In der alpinen Region erfolgte die Bewertung der Spezifischen Strukturen und Funktionen des LRT 91E0 (günstig) aufgrund des dort derzeit fehlenden FFH-Monitorings auf Basis von Experteneinschätzungen.
5 Diskussion
Die Ergebnisse des Nationalen FFH-Berichts 2013 zeigen dringenden Handlungsbedarf zum Schutz der Weich- und Hartholzauenwald-LRT auf. Die Vorkommen dieser LRT bieten zahlreichen gefährdeten Tier- und Pflanzenarten vielfach nur Habitate schlechter Qualität und können auch die Biotopverbundfunktionen nur mangelhaft erfüllen. Hinzu kommt, dass die Auenwald-LRT bei schlechtem Zustand weitere Regulationsfunktionen im Landschaftswasserhaushalt nur eingeschränkt übernehmen können. Diese Zusammenhänge hat das BfN (2013) in seinem Eckpunktepapier zum vorsorgenden Hochwasserschutz thematisiert.
Die negative Einschätzung mit Blick auf den Biotopverbund wird insbesondere durch die Bewertungen zum Parameter „Fläche“ im FFH-Bericht 2013 gestützt. Durch die oftmals nur kleinflächigen Einzelvorkommen beider LRT entstehen große Lücken, weshalb sie Funktionen als verbindende Elemente, z.B. als Wander- und Ausbreitungskorridore für wassergebundene Tierarten wie den Fischotter (Lutra lutra) oder den Biber (Castor fiber) nicht mehr ausreichend erfüllen können. Dies gilt auch für Tiere, die zwecks Ausbreitung zwischen großen Waldgebieten entlang von Auenwaldstrukturen migrieren, was vielfach zu fehlendem genetischem Austausch zwischen ihren Populationen führt. Die Funktion der Auenwälder als Rast- und Überwinterungsgebiete, möglicherweise sogar als Leitstrukturen für den Zug verschiedener durch die FFH-RL geschützter Fledermausarten (vgl. Meschede & Heller 2000), ist stark eingeschränkt.
Neben der Fragmentierung der Vorkommen zeigt die kartographische Darstellung der Verbreitungssituation zum LRT 91F0 in Abb. 1 zudem auf, dass die Hartholzauenwälder entlang ausgedehnter Abschnitte der großen Flusssysteme gänzlich fehlen. So entfällt auf großer Fläche die Biotopverbundfunktion durch diesen LRT vollständig. Der FFH-Bericht belegt somit eindeutig den großen Bedarf, Hartholzauenwaldflächen an diesen Flüssen neu zu etablieren und verbliebene Restvorkommen durch das Schließen von Vorkommenslücken wiederzuvernetzen.
Die größten Defizite zeigt das FFH-Monitoring sowohl in der kontinentalen wie auch der atlantischen BGR bei den Habitatstrukturen auf: Für beide LRT wurden stets mehr als 40 % der Stichprobenbestände in die schlechteste Bewertungsstufe C eingruppiert; z.T. erreichten die C-Anteile über 50 %. Die Bewertungskriterien (vgl. Tab. 1) verdeutlichen, dass zum einen mehr mäandrierende Flussabschnitte und dadurch herabgesetzte Fließgeschwindigkeiten erforderlich sind, um die vermehrte Ausbildung von Flutmulden und weiteren Strukturen zu fördern. Es gilt auch, naturnähere Flussufer in Kooperation mit den Nutzern angrenzender Flächen, vielfach der Landwirtschaft, wiederherzustellen. Weiterhin ist die konsequente Umsetzung naturnaher Waldbaukonzepte zur Erhöhung des Alt- und Totholzanteils und zur Entwicklung mehrschichtiger Bestände von entscheidender Bedeutung. Die einzelnen Vorkommen sind dann miteinander zu vernetzen, um zu einem großräumigen, länderübergreifenden Biotopverbund entlang der großen Flüsse zu gelangen (vgl. Ziele der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt in BMU 2007). Konkrete Empfehlungen zur Erreichung dieses Ziels liefern Burkhardt et al. (2004).
Mit Blick auf die Beeinträchtigungen, insbesondere die Veränderungen des hydrologischen Regimes durch Entwässerung, Verrohrung und Eindeichung, sind Rückbau- und Renaturierungsmaßnahmen konsequent einzufordern. Hierbei kann die Forderung nach naturnahen Retentionsräumen entlang der größeren Flüsse (vgl. BfN 2013) gleichzeitig zum Schutz der anthropogenen Lebensgrundlagen und wichtiger Landschaftsfunktionen beitragen. Durch die enge Verknüpfung des hydrologischen Regimes mit dem Arteninventar der Auenwälder würden Fortschritte in der Wiederherstellung eines natürlichen Überflutungshaushalts auch bezüglich der Artenvielfalt sehr positive Auswirkungen haben.
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