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Neues aus Brüssel

Druck auf Naturschutz wächst – die neue Ratspräsidentschaft ist gefordert

Der politische Druck zur Änderung der Naturschutzrichtlinien im Zuge des „Fitness Check“ hat vor dem Ende der Online-Konsultation am 24. Juli nochmals massiv zugenommen. Deutscher Bauern- und Deutscher Jagdverband erhoben bis Mitte Juni noch vergleichsweise moderate Forderungen zur „Flexibilisierung“ der Richtlinien und zur Herausnahme einzelner Arten wie Wolf, Biber und Kormoran aus dem strengen Artenschutz. Das hat sich geändert: DBV und DJV kritisieren in einschlägigen Jagd-Portalen die EU-weite „NatureAlert“-Aktion der Naturschutzverbände scharf. Anschließend schaltete ein Bündnis von Nutzerverbänden namens „Forum Natur“ eine vergleichbare Seite frei, um mehr Stimmen für ihr Anliegen zu sammeln.

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Eine Stimme für die Lobby

In diesem Anliegen ging es allerdings nicht darum, der Natur eine Stimme zu geben, sondern unverblümt darum, „sich eine Stimme“ zu geben. Auch inhaltlich unterschieden sich die vorgegebenen Musterantworten massiv von den bisherigen Positionen, bis hin zu der Aussage, aufgrund der strengen deutschen Naturschutzgesetze seien EU-weite Regelungen überflüssig. Pikante Details am Rande waren zum einen die Tatsache, dass die Nutzer sich bei Frage 2 alle als „Experten“ bezeichnen sollten, während die Naturschutzverbände hier nur die Selbsteinschätzung vorgeschlagen hatten, die Teilnehmer seien mit den EU-Naturschutzrichtlinien „ein wenig vertraut“. Zudem hatte das Tool des „Forum Natur“ keine Zählfunktion, blieb also hinsichtlich der tatsächlichen Teilnehmerzahl intransparent.

Auch in Spanien starteten Jagdverbände ein ähnliches Tool mit dem bezeichnenden Titel „Si a la caza!“ (Ja zur Jagd). Im Gegensatz zu diesen Aktionen einiger nationaler Jagdverbände, die zudem auch längst nicht für alle Jäger sprechen (wie etwa des Ökologischen Jagdverbandes, ÖJV, in Deutschland, der sich den Forderungen des „Forum Natur“ nicht angeschlossen hat), hat sich der Dachverband der europäischen Jägervereinigungen, FACE, deutlich von diesen Forderungen distanziert und sich eindeutig gegen eine Öffnung der Naturschutzrichtlinien und ihrer Anhänge ausgesprochen.

Die EU-Kommission wird jetzt entscheiden müssen, inwieweit sie solche abweichenden und auf intransparente Art gewonnene Stimmen wie die des „Forum Natur“ bei ihrer Auswertung der Konsultation ernst nimmt und gewichtet. Die offiziell eingegangenen Antworten der Mitgliedstaaten, der „Stakeholder“ aus Industrie-, Landnutzer- und Umweltverbänden, sollen bereits Ende Juli auf der Website der Kommission zum Fitness Check veröffentlicht werden. Während der parlamentarischen Sommerpause soll die Auswertung der erhaltenen Positionen und der Online-Konsultation erfolgen und auf einer Konferenz mit Umweltkommissar Vella im Herbst in Brüssel präsentiert werden.

Umbau in Generaldirektionen

Dass der Druck auf die Richtlinien auch kommissionsintern steigen könnte, lassen die Vorschläge der EU-Kommission zur interinstitutionellen Zusammenarbeit und „besseren Rechtsetzung“ vom 19. Mai sowie die am 24. Juni veröffentlichten Umstrukturierungsmaßnahmen in den Generaldirektionen befürchten. Aus den Vorschlägen vom Mai wird sehr deutlich, dass die EU-Kommission ihre Macht und ihre Entscheidungskompetenzen gegenüber dem Rat und dem EU-Parlament massiv ausbauen will. Hier bleibt abzuwarten, wie sich insbesondere das Parlament als einzige demokratisch gewählte Institution hierzu nach der Sommerpause positioniert.

Bei den Generaldirektionen wird mit Wirkung vom 01. September der bisherige Generaldirektor der Generaldirektion Umwelt (ENV), Karl Friedrich Falkenberg, durch Daniel Calleja Crespo ersetzt. Calleja Crespo war bisher Generaldirektor der Generaldirektion Wachstum (GROW) und damit für die Entwicklung des Binnenmarkts, der Industrie sowie kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) zuständig. Zudem wurde erkennbar, dass die EU-Kommission mehr Macht und Entscheidungskompetenzen in ihrer Generaldirektion bündelt, die ab 01. September von Alexander Italianer geführt wird, wie Timmermans Niederländer und ebenso stark auf das Thema Bürokratieabbau fokussiert.

Der neuen luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft, die dieses Amt am 01. Juli von Lettland übernommen hat, kommt daher die wichtige Aufgabe zu, zum einen den Entscheidungsprozess zur interinstitutionellen Zusammenarbeit im Sinne demokratischer Entscheidungen zu moderieren. Und hinsichtlich des Fitness Checks der Naturschutzrichtlinien zumindest im Ministerrat den weiteren Verlauf möglichst faktenbasiert zu steuern – unbeeinflusst von den tendenziellen Aussagen des Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans (Naturschutz und Landschaftsplanung 47 (7): 198). Immerhin hat die Ratspräsidentschaft in ihrem Programm „Eine Union für die Bürger“ bereits angekündigt, dass sie „den Bürgern zuhören“ sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bürger besser bei den Entscheidungsprozessen berücksichtigen will.

Neben den ersten Analysen der Konsultationen zum Fitness Check wird auch die für den Herbst geplante Halbzeitüberprüfung (midterm review) der EU-Biodiversitätsstrategie ein wichtiges naturschutzpolitisches Thema der luxemburgischen Ratspräsidentschaft sein. Die luxemburgische Umweltministerin, Carole Dieschbourg, will dazu eine intensive Prüfung der Kommissionsvorschläge durchführen und voraussichtlich für den Umweltministerrat am 16. Dezember entsprechende Schlussfolgerungen vorschlagen. Das Europäische Parlament plant einen eigenen Initiativbericht zu diesem Thema; einer der Schattenberichterstatter ist der baden-württembergische CDU-Abgeordnete Norbert Lins. Weitere offizielle Umwelträte sind für den 18. September und 26. Oktober geplant.

Link zur Website der EU-Kommission zum „Fitness Check“ der Naturschutzricht­linien im Rahmen des REFIT-Programms: http://ec.europa.eu/environment/nature/legislation/fitness_check/index_en.htm

Link zur Website der luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft: http://www.eu2015lu.eu/de/la-presidence/a-propos-presidence/programme-et-priorites/index.html

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