Was hat der Milchviehstall mit dem Biotopverbund zu tun?
Seit vier Monaten gibt es keine Milchquote mehr in der EU. Damit können die Milchbauen so viel Milch auf den Markt bringen, wie sie möchten. Was ändert sich dadurch?
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Möglichkeit Nr. 1: Die Bauern beschränken sich selbst – eine knapper werdende Ware auf dem Markt würde den Preis steigen lassen. Geht aber nicht, denn der Nachbar macht ja nicht mit. Möglichkeit Nr. 2: Abschaffen der Milchkühe und Umstieg auf Mutterkuhhaltung. Die ist aber auch nicht sonderlich lukrativ. Nur alte und kleine Milchbauern geben ersatzlos auf. Also bleibt allein Möglichkeit Nr. 3: Wie der Nachbar noch mehr Milch produzieren und darauf hoffen, dass der dadurch ausgelöste Preisverfall durch das Mehr an Milch ausgeglichen wird. Glücklich ist der, der die Verluste durch eine rechtzeitige Investition in eine Biogas- oder Windenergieanlage quersubventionieren kann.
Boom der Stallbauten
Dieser Prozess läuft nicht erst seit dem 01. April: Überall in den Grünland-Regionen finden sich neu gebaute Milchviehställe, größer als bisher und staatlich gefördert, umgestellt von der bis dato oft noch betriebenen Festmist-Wirtschaft auf Gülle. Die muss entsorgt werden – eine erneut gesteigerte Überdüngung der verbliebenen Landwirtschaftsflächen ist die Folge. Milchkühe auf der Weide sind zu teuer und unhygienisch. Heu wird durch Silage und Futtermittel-Importe ersetzt. Im Ergebnis schwindet die Biodiversität im Grünland weiter. Wer mit offenen Augen durch die Landschaft geht, sieht das. Und wer für den Stallbau Millionen Schulden gemacht hat, hat sich jeder Flexibilität beraubt, umzusteuern. Ein Teufelskreis, angefeuert durch die Förderpolitik, die Offizialberatung der Landwirtschaft und Gesetze des Marktes. Der Bauernverband meint, das würden Umwelt- und Bauvorschriften schon regeln – tun sie aber nicht!
Aber was hat das mit Biotopverbund zu tun, dem Thema des vorliegenden Doppelheftes? Es genügt nicht, wie es die Regel ist, Biotopverbund durch Schaffung bzw. Sicherung von Kernlebensräumen zu versuchen. Das sind die Knotenpunkte, quasi die lebenswichtigen Organe – unverzichtbar, aber bereits diese in einem erbärmlichen, nicht lebensfähigen Zustand. Das hat letztes Jahr erst der nationale Bericht zum Umsetzung der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie bewiesen (in Deutschland und Europa).
Es genügt auch nicht, Hecken, Wegraine und Fließgewässer als lineare Verbindungselemente zu entwickeln – als Venen im Körper. Nein, erst zusammen mit einer nachhaltigen = extensiven Gestaltung der Landnutzung insgesamt, dem Gesamtorganismus gleichermaßen, wird der Biotopverbund ausreichend wirksam. Anders gesagt: Nachhaltige Landnutzung darf nicht länger Lippenbekenntnis sein, sondern ist unverzichtbar!
Der Papst zum Biotopverbund
Zu häufig schon sind das Scheitern der Agrarpolitik und die Talfahrt der Biodiversität an dieser Stelle beklagt worden. Doch an dieser Diagnose führt kein Weg vorbei, will man die (Nicht-)Wirksamkeit des Biotopverbunds analysieren. Das Themenheft bietet mit elf Beiträgen ein weites Spektrum an Informationen und Denkanstößen. Die Kernaussage: Wir wissen genug, um entschlossen zu handeln – doch am Handeln mangelt es!
Mit beeindruckend klaren Worten hat sich gerade Papst Franziskus als geistliches Oberhaupt von über einer Milliarde Menschen in seiner „Umweltenzyklika“ zu Wort gemeldet (siehe Seite 295): Gefährdung der Biodiversität und die Zersplitterung von Populationen durch Eingriffe, so dass Wanderungsmöglichkeiten fehlen, sind nur zwei Aspekte, die er benennt. Besonders appelliert er, die Umwelt- und die Sozialethik immer gemeinsam zu denken. Ist die oben skizzierte Entwicklung in der Landwirtschaft sozial?
Ab jetzt in Farbe
Und noch etwas – haben Sie es bemerkt? Von diesem Heft an ist Naturschutz und Landschaftsplanung durchgängig in Farbe illustriert. Diese Neuerung ermöglicht mit geändertem Layout eine noch ansprechendere Gestaltung und eine differenziertere Information durch Grafiken und Fotos. Der etwas mehr als verdoppelte Umfang der aktuellen Ausgabe rührt daher, dass wir ein Doppelheft erstellt haben, um das Thema Biotopverbund facettenreich genug darstellen zu können.
Redaktion und Verlag wünschen eine spannende Lektüre, neue Anregungen und eine schöne Spätsommerzeit!
In eigener Sache
Das vorliegende Themenheft hat (mehr als) doppelten Umfang eines regulären Heftes. Daher entfällt das Septemberheft. Die nächste reguläre Ausgabe erscheint somit im Oktober. Wir bitten um Beachtung.
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