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Recht und gesetz

Schutz des Uhus bei der ­Genehmigung von Freileitungen

Nach §44 Abs.1 Nr.1 BNatSchG ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Der Uhu (Bubo bubo) gehört zu den Strigiformes/Strigidae und damit nach dem Anhang I der Vogelschutzrichtlinie zu den besonders geschützten (europäischen) Vogelarten. Welche Relevanz besitzt sein Vorkommen bei der Genehmigung von Freileitungen?

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Kommentiert von Matthias M. Möller-Meinecke

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Straßenbauvorhaben setzt die Verneinung des Tötungsverbotes nicht voraus, dass ein Schaden für einzelne Exemplare einer Art gänzlich auszuschließen ist. Soll das Tötungsverbot nicht zu einem unverhältnismäßigen Planungsrisiko werden, so ist nur zu fordern, dass sich das Risiko des Erfolgseintritts gerade durch das genehmigte Vorhaben in signifikanter Weise erhöht (BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 – 9 A 3.06 –, BVerwGE 130, 299, 366). Dabei sind Maßnahmen, mittels derer solche Kollisionen vermieden werden, in die Betrachtung einzubeziehen. Der Tatbestand ist nicht erfüllt, wenn das Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemplaren in einem Risikobereich verbleibt, der mit einem Verkehrsweg im Naturraum immer verbunden ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 09. Juli 2008 – 9 A 14.07 –, BVerwGE 131, 274, und vom 12. August 2009 – 9 A 64.07 –, BVerwGE 134, 308). Umstände, die für die Beurteilung der Signifikanz eine Rolle spielen, sind insbesondere artspezifische Verhaltensweisen, häufige Frequentierung des durchschnittenen Raumes und die Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen. Für die fachliche Beurteilung ist der Planfeststellungsbehörde eine Einschätzungsprärogative eingeräumt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2011 ­– 9 A 12.10 –, BVerwGE 140, 149).

Diese am Beispiel des Straßenneubaus entwickelten Maßstäbe sind nach der obergerichtlichen Rechtsprechung „auch bei anderen artenschutzrechtlich relevanten Vorhaben wie einem Flughafenneubau oder der Errichtung einer Windkraftanlage anzulegen und gelten auch für den hier in Rede stehenden Neubau einer Hochspannungsfreileitung“ (OVG Schleswig, Urteil vom 01. Juli 2011 – 1 KS 20/10 –, NuR 2012, 424; Bay. VGH, Urteil vom 20. November 2012 – 22 A 10.40041 –, ZUR 2013, 303). Denn auch bei einem Freileitungsneubau können Kollisionen von Vögeln oder anderen fliegenden Tierarten mit den Leiterseilen oder den Trägermasten nie gänzlich ausgeschlossen werden. Auch bei dem linienförmigen Infrastrukturvorhaben eines Freileitungsneubaus sei es daher ausreichend, wenn jedenfalls aufgrund der vorgesehenen Vermeidungsmaßnahmen kein signifikant erhöhtes Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemplaren verursacht wird, mithin unter der Gefahrenschwelle in einem Risikobereich bleibt, der mit einem Vorhaben im Naturraum immer verbunden ist. Dieses wäre vergleichbar dem ebenfalls stets gegebenen Risiko, dass einzelne Exemplare einer Art im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens einem Tötungsrisiko ausgesetzt sind.

In einer vom Oberverwaltungsgericht Münster (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Juni 2013 – 11 D8/10.AK –, juris) entschiedenen Klage gegen eine 380-kV-Hochspannungsleitung wird das Tötungsrisiko für den Uhu infolge einer Kollision mit den Leitungsseilen angesichts angeordneter vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen mit einer Bewertung der vom Kläger angeführten Fachliteratur diskutiert. Stumberger (2004) gehe zwar von der Prämisse aus, dass Hochspannungsfreileitungen ein wichtiger Mortalitätsfaktor wegen der Kollisionsgefahr für Vögel seien. Im Folgenden werden aber nur Forschungsergebnisse über das Flugverhalten von (Zug-)Vögeln im Bereich von drei Flussüberquerungen an den Flüssen Drau und Mur in Slowenien referiert, ohne auf ein Mortalitätsrisiko konkret einzugehen. Sossinka & Ballasus (1997) würden ebenfalls nur Todesfälle u.a. durch Kollisionen erwähnen und den hiervon besonders betroffenen Weißstorch hervorheben, würden ihre Angaben indes nicht quantifizieren; insbesondere seien Rückschlüsse auf die in diesem Fall in Rede stehende Problematik nicht möglich. Lösekrug (1997) hebe insbesondere die Konzentration von Unfällen bei Stromleitungen hervor, welche die Zugwege der Vögel kreuzen, ohne dass die weiteren Angaben Schlussfolgerungen für den vorliegenden Fall und insbesondere für ein dem Uhu speziell drohendes Risiko zuließen.

Der speziell für eine „Gefährdungen (des Uhus) durch Stromleitungen“ angeführte Aufsatz von Langgemach (1997) referiere zwar für eine Naturschutzstation über vier Totfunde von Uhus innerhalb von sechs Jahren, von denen mindestens drei Opfer eines Stromschlages geworden seien. Er weise aber auch darauf hin, dass die Gefahr eines Stromschlags fast ausschließlich an – hier nicht in Rede stehenden – Mittelspannungsleitungen bestünde. Die Gefahr eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos gerade durch Hochspannungsfreileitungen lasse sich daraus nicht ab­leiten.

Das OVG Münster ak­zeptierte in dem Fall vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen durch Anreicherungsmaßnahmen zur Schaffung ganzjährig nutzbarer Habitate für Beutetiere im Nahbereich dieses Brutplatzes, weil diese die Jagdbedingungen für den Uhu verbessern würden. Dies schließe einen Verstoß gegen das Tötungsverbot aus, weil die ökologische Funktion der betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räum­lichen Zusammenhang im Sinne des §44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG erhalten blieben. Diese Bewertung hat das Gericht nicht im Detail überprüft, weil der Behörde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zustehe und ihre Entscheidung einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliege (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Juli 2008 – 9 A 14.07 –, BVerwGE 131, 274, 296f.).

Für die Wirksamkeit dieser vorgezogenen Artenschutzmaßnahmen spreche, dass nach übereinstimmendem Erfahrungswissen artenschutzrechtlicher Experten u.a. der Entwicklung und Pflege von Extensivgrünland, der Strukturierung ausgeräumter Offenlandschaften und der Entwicklung von Extensivacker und Brachen eine hohe Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen zukomme (vgl. MKULNV NRW 2012). Da das Beutespektrum des Uhus vorwiegend Kleinnager, Igel, Kaninchen und Vögel bis zur Taubengröße umfasse (vgl. Dalbeck 2005; Artenprotokoll Uhu Bubo bubo ID 63 zu MKULNV NRW 2012), werde die Durchführung der vor­erwähnten Ausgleichsmaßnahmen in einem Umkreis von 2,5 km um den Horst der betroffenen Paare empfohlen.

Literatur

Dalbeck, L. (2005) Nahrung als limitierender Faktor für den Uhu Bubo bubo (L.) in der Eifel? Ornithologischer Anzeiger 44 (2/3), 99-112.

Langgemach, T. (1997): Stromschlag oder Leitungsanflug? Erfahrungen mit Großvogelopfern in Brandenburg. Vogel und Umwelt 9, Sonderheft: Vögel und Freileitungen, 167-176.

Lösekrug, R.G. (1997): Vogelverluste durch Stromleitungen – Erfahrungen aus Mitteleuropa und dem Mittelmeerraum. Vogel und Umwelt 9, Sonderheft: Vögel und Freileitungen, 157-166.

MKULNV NRW (2012): Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ für die Berück­sichtigung artenschutzrechtlich erforderlicher Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen. Forschungsprojekt des MKULNV Nordrhein-Westfalen, Schlussbericht, Entwurf, Stand: 20. August 2012.

Sossinka, R., Ballasus, H. (1997): Verhaltensökologische Betrachtungen von Effekten der Indu­strielandschaft auf freilebende Vögel unter besonderer Berücksichtigung von Freileitungen. Vogel und Umwelt 9, Sonderheft: Vögel und Freileitungen, 19-27.

Stumberger, B. (2004): Gefährdung von Vögeln durch Leitungsanflug an Flüssen. Ökologie der Vögel 26, 286-294.

Anschrift des Kommentators: Rechtsanwalt Matthias M. Möller-Meinecke, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Fürstenbergerstraße 168 F, D-60323 Frankfurt-Westend, E-Mail kanzlei@moeller-meinecke.de, Internet http://www.moeller-meinecke.de.

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