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Editorial

Auch der Buchfink ist planungsrelevant

Der Buchfink – ein gefährdete Art? Keinesfalls, denn mit geschätzt 8 Mio. Brutpaaren ist er zusammen mit der Amsel die häufigste Brutvogelart in Deutschland, gefolgt von der Kohlmeise, sagt der Statusreport „Vögel in Deutschland 2013“. Und doch haben wir das Titelbild mit Blick auf den ersten Hauptbeitrag von Matt­hias Schreiber ganz bewusst ausgewählt – denn selbst der Buchfink ist planungsrelevant! Schreiber entwickelte ein numerisches Bewertungsverfahren, mit dem sich die Bedeutung von Vogelbrutgebieten beschreiben und vergleichen lässt.

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Was vielen Akteuren nicht bewusst ist: Alle europä­ischen Vogelarten sind in ­gleicher Weise besonders geschützt (§7 Abs. 2 Nr. 12f. BNatSchG). Der Bundesgesetzgeber hat diesen aus der europäischen Vogelschutzrichtlinie stammenden Anspruch mit einem dreistufigen System des Artenschutzes umgesetzt: (a) einem Mindestschutz in §39 BNatSchG für alle wild lebenden Arten; (b) dem Artenschutz für die „nur“ national besonders geschützten Arten; (c) nochmals höheren Anforderungen für europäische geschützte Arten und weitere, gemäß §54 Abs. 2 Nr. 1 noch zu bestimmende nationale Arten (besonders Verantwortungs­arten). Die beiden letzten Stufen sind primär in §§44 und 45 BNatSchG geregelt.

Alle in Europa heimischen Vogelarten unterliegen somit den in §44 Abs.1 definierten Verboten, u.a. sie zu verletzen oder zu töten sowie während der Fortpflanzungs-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten zu beschädigen oder zu zerstören. Komplizierter als vom Europarecht vorgesehen macht es der Gesetzgeber, indem er in §44 Abs. 5 Satz 2 und 3 für Vorhaben, die nach Abarbeiten der Eingriffsregelung bzw. der entsprechenden Vorschriften des BauGB zu­lässig sind, u.a. europäische Vogel­arten vom Verbot der Beschädigung oder Zerstörung ihrer Lebensstätten ausnimmt. Unter folgender Bedingung: Die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten wird im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt.

Das Freiberg-Urteil des BVerwG vom 14. Juli 2011 hat allerdings klargestellt, dass diese Ausnahme nur dann zum Tragen kommt, wenn das Vorhaben als Ganzes den Vorschriften der Eingriffsregelung genügt. Wurden Vermeidung und Kompensation unvollständig abgearbeitet, sind z.B. die Vermeidungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft, bleibt die Legalausnahme des §44 Abs. 5 unanwendbar.

Was hat das mit dem Buchfinken zu tun? Auch häufige, ungefährdete Vogelarten sind Gegenstand des Artenschutzrechts. Auch ihre Vorkommen gilt es zu beachten, wenn die Eingriffsregelung – indirekt durch das Freiberg-Urteil gestärkt – angewendet und die Verbotstatbestände des Artenschutzes nach §44 abgearbeitet werden: Wer als Planer auf der sicheren Seite sein will, ist deshalb gut beraten, nicht allein die gefährdeten Arten und die Arten der Anhänge 1 VSRL und II, IV und V FFH-RL zu erfassen und bewerten. So kann die alle Vogelarten umfassende Gebietsbewertung, wie Matthias Schreiber in seinem Vorschlag zum Avifaunistischen Flächenwert erläutert, auch wichtige Hinweise geben, um FCS-Maßnahmen (favourable conservation status) im artenschutzrechtlichen Ausnahmeverfahren zu planen, damit ein günstiger Erhaltungszustand relevanter Arten gewahrt werden kann: Artenarme und noch unbesiedelte Räume kommen hierfür am ehesten infrage, sofern die sonstigen Voraussetzungen für die Arten gegeben sind.

Das ist eine wichtige Nachricht für all diejenigen, die sich mit gutem Grund daran stören, dass vielfach nur die vermeintlich „planungsrelevanten Arten“ bearbeitet werden. Ein Plädoyer also für die Weitung des Blicks von Einzelarten auf Lebensgemeinschaften, die aus vielen (biotop­typischen) Arten zusammengesetzt sind – ergo für einen hohen Erfassungsstandard, der Voraussetzung einer fundierten Bewertung der avifaunistischen Bedeutung einer Fläche ist.

Vogelschutz- und FFH-Richtlinie werden in diesem Jahr durch die Europäische Kommission in einem „Fitness Check“ auf den Prüfstand gestellt (siehe „Aktuelles aus Brüssel“, Seite 130). Es besteht begründete Sorge, dass der Prozess zu einer Abschwächung der Standards führt, anstatt Umsetzungsdefizite zu identifizieren und abzubauen. Daher ein dringender Appell: Nutzen Sie jetzt die Möglichkeit, als EU-Bürger(in) an der Online-Konsultation mitzuwirken – siehe Brüssel-Kolumne!

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