Alte Buchenwälder nehmen in Hessen drastisch ab
„Dem deutschen Wald geht’s gut!“ So lautete bisher jedenfalls offiziell das Urteil nach der Präsentation der dritten Bundeswaldinventur (BWI) im Herbst 2014. Schaut man genauer auf die Ergebnisse, offenbaren sich dramatische Defizite. Eine Auswertung der Fläche alter Buchenwälder am Beispiel Hessens.
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Von der Agenda zum Schutz deutscher Buchenwälder
Zwar zeigt der Laubholzanteil allgemein steigende Tendenz, jedoch werden besonders beim Zustand der Laubwaldbestände in den Bundesländern aus Naturschutzsicht zum Teil deutliche Mängel sichtbar. So sind z.B. im Bundesland Hessen die Anteile alter Buchenwälder in den Altersklassen zwischen 101 bis 160 Jahren seit 2002 um rund 8600 ha gesunken. Vor allem im hessischen Staatswald nahmen die genannten älteren Altersklassen (bis 160 Jahre) in den Buchenbeständen beträchtlich ab, nämlich um rund 6600 Hektar (Tab. 1).
Insgesamt beträgt der Anteil aller über 140-jährigen Buchenwälder in Hessen noch rund 59 100 ha, also 23 % des gesamten hessischen Buchenbestands. In der Regel findet auf diesen älteren Bestandsflächen eine schrittweise, zum Teil großflächige Räumung der erntereifen Baumbestände statt, was zu einer erheblichen, ökologisch abträglichen Verringerung der Holzvorräte auf den genannten Flächen führt. Nach Angaben des Landesbetriebs Hessen-Forst weisen nur noch etwa 10 % der über 160-jährigen Buchenwälder im Staatswald „Vollbestockung“ auf, d.h. einen annähernd geschlossenen, vorratsreichen Baumbestand.
Außerdem ist in Hessen nach Auswertung der BWI-Ergebnisse eine drastische Veränderung bei der „naturnahen“ Baumartenzusammensetzung der Waldbestände zu verzeichnen. Insgesamt werden 24 % der hessischen Waldbestände als „sehr naturnah“ eingestuft. Die „sehr naturnahen“ Bestände haben sich seit 2002 allerdings um rund 15400 ha verringert.
Da bewirtschaftete Wälder nicht mehr richtig alt werden können, sind auch dicke Bäume in den hessischen Wäldern absolute Mangelware. Die Zahl der Bäume, die einen Stammdurchmesser (in Brusthöhe) von mehr als 80 cm erreichen, umfasst lediglich einen verschwindend geringen Anteil von 0,075 %. In den hessischen Buchenwäldern liegt der Anteil bei 0,1 % des Baumbestands.
Die Erhebung der BWI ermittelte in den hessischen Wäldern rund 11 Mio. Bäume, die „ökologisch relevante Merkmale“ aufweisen, darunter 3,8 Mio. Specht- oder Höhlenbäume. Bezogen auf die gesamte hessische Waldfläche (840190 ha) wären das 13 Bäume/ha; nimmt man nur die (in der Regel größer dimensionierten) Specht- und Höhlenbäume, sind es dann lediglich 4,5 Bäume/ha – ein statistischer Wert ohne Aussagekraft, da bei der Erhebung z.B. nicht zwischen geschützten Wäldern und Wirtschaftswäldern ohne Schutzstatus unterschieden wird.
Auch beim Totholz, ein Gütezeichen für ökologische Qualität, bewegen sich die gemessenen Mengen in überschaubaren Dimensionen. Mit 25,5 m³/ha liegt der Totholzvorrat in Hessen insgesamt zwar weit über dem aktuellen Bundesdurchschnitt, bei der Baumartengruppe „Laubbäume ohne Eiche“ aber nur bei 9,5 m³/ha. In vergleichbaren, natürlichen (lange Zeit nicht genutzten) Laubholzbeständen lägen die Totholz-Anteile in der Regel bei weit über 100 m³/ha.
Die signifikante Flächenabnahme bei den älteren Buchenbeständen bis zum Alter 160 Jahre deutet auf einen massiven Abbau des „Altbuchen-Überhangs“ hin, der sich in den letzten zehn Jahren in den hessischen Wäldern und insbesondere im Staatswald spürbar vollzogen hat. Die Bestände, die in der Statistik heute als „über 160-jährig“ geführt werden, sind weitgehend geräumt und aus Naturschutzsicht nahezu entwertet.
Die aufgezeigten Ergebnisse sind nach Einschätzung der „Agenda zum Schutz deutscher Buchenwälder“ besorgniserregend, zumal gerade Hessen als Kernland der Buchenwald-Verbreitung in Deutschland gilt und für den Schutz dieser Wälder eine besondere Welterbe-Verantwortung trägt.
Die „Agenda“ forderte in einem Brief die hessische Umweltministerin Priska Hinz auf, eine umgehende Rücknahme der Nutzungen in den über 120-jährigen Buchenbeständen des Landes zu veranlassen. Zudem sei nach Ansicht der „Agenda“ eine grundlegende Verbesserung der Naturschutz-Standards in den hessischen Natura-2000-Gebieten, die Buchenwald-Lebensraumtypen beherbergen, erforderlich.
Dringend notwendig sei außerdem die Einführung eines landesweiten Wald-Verbundkonzepts, das ausreichend große Wälder als nutzungsfreie Schutzgebiete vorsieht.
Anschrift der Verfasser: Agenda zum Schutz deutscher Buchenwälder, Norbert Panek, An der Steinfurt 13, D-34497 Korbach, E-Mail norbertpanek@gmx.de.
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