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Aktuelles aus Brüssel

Kommissare wollen Umwelt­standards nicht senken – ­Umweltbericht bewertet ehrlich

Da die Pläne der EU-Kommission, in ihrem Arbeitsprogramm für 2015 zahlreiche Gesetzesinitiativen zu streichen, in den letzten Monaten für erhebliche Unruhe auch im EU-Parlament sorgten (Naturschutz und Landschaftsplanung 47 (2): 34), hat der Umweltausschuss (ENVI) in den letzten Wochen die verantwort­lichen Kommissare zu Gesprächen eingeladen. Der neue Umweltkommissar Karmenu Vella stellte sich am 24. Feb­ruar den Fragen der Abgeordneten, der für die Deregulierungsagenda, inzwischen aber auch ausdrücklich für die nachhaltige Entwicklung der Union zuständige oberste Vizepräsident der EU-Kommis­sion, Frans Timmermans, am 09. März.

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Beide Befragungen ergaben aus Sicht des Naturschutzes ermutigende Ergebnisse. Die Kommission legte inzwischen die beiden Gesetzespakete zur Luftqualität und Kreislaufwirtschaft offiziell zu den Akten und Timmermans kündigte auch im Umweltausschuss trotz starker Proteste lediglich neue, „bessere und ambitioniertere“ Vorschläge für Ende 2015 an. Beide Kommissare betonten, den Fitness Check der Naturschutzrichtlinien nicht für eine Schwächung von Umweltstandards zu nutzen. Vella unterstrich angesichts der kritischen Fragen der Mitglieder des Umweltausschusses, es ginge nur um eine Überprüfung („review“) der Richtlinien mit dem Ziel, ihre Umsetzung noch zu verbessern, ohne die in den Richtlinien verabschiedeten Ziele zu gefährden. Timmermans wurde sogar noch deutlicher: Er habe in keiner Weise die Absicht, die Standards abzusenken. Nach seiner Beobachtung seien nicht die Richtlinien das Problem, sondern die immer noch unvollständige und teilweise sehr unterschiedliche Umsetzung in den Mitgliedstaaten.

Wie wichtig es ist, dass die Kommission zu diesen Versprechen steht, und dass Parlament, Mitgliedstaaten und nicht zuletzt die Zivilgesellschaft im Rahmen der öffentlichen Konsultation ab April dies einfordern, zeigen die Ergebnisse des am 03. März von der Europäischen Umwelt­agentur (EEA) vorgelegten Berichtes über den Zustand der Umwelt in der EU (State and Outlook 2015 Report – SOER 2015). Der Bericht, der nur alle fünf Jahre vorgelegt wird, liefert eine ebenso umfassende wie ehrliche Bewertung des Zustands von Umwelt, Natur und natürlichen Lebensgrundlagen in der EU sowie Prognosen zu deren weiteren Entwicklung, basierend auf Untersuchungen der Umweltagentur, Daten des Europäischen Umweltüberwachungs- und Informationsnetzes (EIONET) und der Dienststellen der EU-Kommission.

So rechnet die Umweltagentur für den Bereich Luftqualität und Gesundheit mit immer noch 430000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr. Ein deutlicher Hinweis an Timmermans und Vella, dass die jetzt gestoppten Verbesserungen der gesetzlichen Grundlagen dringend erforderlich sind. So beeilte Timmermans sich auch in seinem Gespräch mit dem Umweltausschuss zu versichern, dass die Weiter­entwicklung des „Air Quality Package“ zügig angepackt werden solle. Projekte zur Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, ebenfalls ein umfangreiches Thema im Bericht der EEA, sollen durch die neuen Vorschläge zur Kreislaufwirtschaft unterstützt und im Rahmen des von Kommissionspräsident Juncker vorgeschlagenen „Investitionspaketes“ auch finanziell gefördert werden.

Hinsichtlich des „Natur­kapitals” (Ökosysteme, Böden, Tier- und Pflanzenarten) kommt der Bericht zu dem ernüchternden Ergebnis, dass es insbesondere durch sozioökonomische Aktivitäten wie Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Industrie, Tourismus und ungehemmten Flächenverbrauch für die städtische Entwicklung weiterhin gefährdet sei. Hinzu kämen globale Entwicklungen, wie ökonomisches Wachstum, Bevölkerungswachstum und Wandel der Konsummuster, insbesondere seit den 1990er Jahren.

Um die Ziele des 7. Umweltaktionsprogramms (7. UAP) mit dem bezeichnenden Titel „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“, die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie bis zum Jahr 2020 und die ebenfalls von den Staats- und Regierungschefs im März 2010 verabschiedete „Vision“ bis zum Jahr 2050 erreichen zu können, fordert die EEA daher verstärkte Anstrengungen in drei zentralen Bereichen: besserer Schutz des Naturkapitals, insbesondere durch konsequentere Umsetzung des EU-Umweltrechtes und der strengeren Kontrolle seiner Umsetzung, zweitens die stärkere Förderung einer ressourceneffizienten und emissionsarmen wirtschaftlichen Entwicklung sowie drittens besseren Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor gesundheitlichen Gefahren, etwa durch Luftverschmutzung und Lärm.

Für den Bereich Naturschutz zeigt der Bericht, u.a. auf Grundlage der Berichte der Mitgliedstaaten nach Artikel 17 der FFH-Richtlinie, dass etwa 77 % der Ökosysteme als geschädigt angesehen werden müssen, und dass nach den Ergebnissen des regelmäßigen Monitorings etwa 60 % der Pflanzen-, Insekten-, Amphibien-, Vogel- und Säugetierarten noch keinen „günstigen Erhaltungszustand“ (Favourable Conservation Status, FCS) erreicht haben. Dies liege an dem für viele Arten und Lebensräume immer noch unzureichenden Schutz, insbesondere bei den von Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei betroffenen Arten und Lebensräumen. Für den Fitness Check der Naturschutzrichtlinien also noch einmal ein deutlicher Appell zur besseren Umsetzung der Naturschutzrichtlinien in den Mitgliedstaaten sowie zur stärkeren Kontrolle der Umsetzung durch die EU-Kommission und die verantwortlichen Dienststellen in den Mitgliedstaaten!

Link zum vollständigen Bericht der EEA (in Englisch): http://www.eea.europa.eu/soer

Synthesebericht (in Deutsch): http://www.eea.europa.eu/soer-2015/synthesis/die-umwelt-in-euro pa-zustand

Claus Mayr, NABU, Direktor Europapolitik, Brüssel, Claus.Mayr@NABU.de

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