Fitness Check nimmt Fahrt auf
Wie bereits im letzten Heft erwähnt, nimmt der „Fitness Check“ von Vogelschutz- und Fauna-Flora-Habitat- (FFH-) Richtlinie in diesem Frühjahr Fahrt auf. Der „Fitness Check“ wurde bereits im Rahmen des REFIT-Prozesses von der alten EU-Kommission beschlossen [„Regulatory Fitness and Performance“, siehe Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (12): 354f.]. Der REFIT-Prozess umfasst alle Rechtsbereiche und soll dazu dienen, dem Vorwurf des „Bürokratiemonsters Brüssel“ zu begegnen.
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In diesem Rahmen wurden seit 2006 viele Richtlinien überprüft und knapp 300 Gesetzesvorschläge zurückgezogen, darunter sicher etliche entbehrliche, aber auch aus Umweltsicht wichtige Initiativen wie die Richtlinie zum besseren Zugang zu Gerichten sowie die Bodenschutz-Rahmenrichtlinie, nachdem sie auch von Deutschland im Ministerrat jahrelang blockiert worden war. Ein „Fitness Check”, wie ihn auch die Wasserrahmenrichtlinie bereits durchlaufen hat, ist daher zunächst ein durchaus üblicher Vorgang.
Im vorliegenden Fall gewann er aber nicht nur durch das politische Umfeld der neuen Juncker-Kommission, sondern vor allem durch den Arbeitsauftrag an den neuen Umweltkommissar an Brisanz, nicht nur einen „Review“ der Richtlinien durchzuführen, sondern explizit auch das „Potenzial einer Zusammenlegung und Entwicklung zu einem modernen Stück Gesetzgebung“ zu prüfen [Naturschutz und Landschaftsplanung 46 (10): 294].
Nach Darstellung der EU-Kommission dient der Fitness Check dem Zweck, festzustellen, inwieweit die Richtlinien die dort verankerten Ziele erreicht haben. Aufgrund eines im Februar 2014 beschlossenen Mandats sollen die Effektivität, die – auch finanzielle – Effizienz, die Kohärenz mit anderen Rechtsvorschriften, die Relevanz bzw. Notwendigkeit sowie der Mehrwert für EU-weit geltende Rechtsgrundlagen überprüft werden. Zu diesem Zweck hat die Kommission zunächst Ende Januar einen ausführlichen Fragebogen an die Mitgliedstaaten verschickt, den diese bis Anfang März ausfüllen sollen. Parallel dazu werden von externen Beratungsfirmen („Consultants“) Literaturauswertungen betrieben, und auch die Mitgliedstaaten können zur Beantwortung der fünf Fragen relevante Publikationen einreichen. Da der Konsultationsprozess auf Englisch durchgeführt wird und die Mitarbeiter der Consultants, soweit bekannt, kein Deutsch sprechen, besteht hier das Risiko, dass relevante deutschsprachige Literatur nicht ausgewertet wird.
Anfang Februar erhielten auch die in Brüssel akkreditierten, EU-weit agierenden Dachverbände der Industrie, Land- und Waldbesitzerverbände, Umweltverbände und andere gesellschaftliche Gruppen („stakeholder“) den Fragebogen. Mitte Februar soll sich eine Fragebogenaktion an nationale Organisationen anschließen, zu der diese sogenannte „national focal points“ benennen mussten. Zudem sollen im März noch mehrere Treffen mit verschiedenen Interessengruppen durchgeführt werden. Die Ergebnisse der Befragung von Mitgliedstaaten, Literaturauswertung und Befragung der Verbände sollen dann in einen Fragebogen für eine öffentliche Online-Konsultation einfließen, die nach jetzigem Planungsstand von April bis Juni insgesamt zwölf Wochen dauern wird.
Der logistische und Arbeitsaufwand ist also für alle Beteiligten hoch und die Organisation und Durchführung des Fitness Check scheint zunächst an der Sache orientiert zu sein. Dennoch sehen nicht nur die Umweltverbände einige Risiken. Zunächst ist, wie dargestellt, der politische Auftrag an den neuen Umweltkommissar Karmenu Vella weitergehend als die Ziele und Inhalte des Fitness Check. Eine „Öffnung“ der Richtlinien oder gar eine Zusammenlegung zu einem „modernen Stück Gesetzgebung“, was immer man sich darunter vorstellen mag, würde die nach über zwanzigjähriger Umsetzung der Richtlinien gefestigte Rechts- und Planungssicherheit für Jahre zunichtemachen, also genau das Gegenteil des von der Juncker-Kommission intendierten Wachstums bewirken. Zudem stellen die beiden Naturschutzrichtlinien die zentralen Pfeiler für den Natur- und Artenschutz in der EU und damit zum Erreichen der von den Staats- und Regierungschefs im März 2010 beschlossenen und in der EU-Biodiversitätsstrategie vom Mai 2011 [Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (6): 162) operationalisierten Ziele für 2020 dar. Eine eventuelle Schwächung der Richtlinien stünde daher den vereinbarten Zielen entgegen und würde auch die mit dem 7. Umweltaktionsprogramm von Europäischem Parlament und Mitgliedstaaten erst vor zwei Jahren, Ende 2013, gefassten Beschlüsse zur besseren Umsetzung des geltenden Umweltrechtes missachten [Naturschutz und Landschaftsplanung 46 (1): 2f.].
Erste Ergebnisse der Konsultationen zum Fitness Check sollen bereits auf der diesjährigen „Green Week“ Anfang Juni in Brüssel vorgestellt werden. Das Thema wird sich aber noch über die luxemburgische Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte erstrecken, die niederländische Ratspräsidentschaft in der ersten Jahreshälfte 2016 will es zu einem ihrer Schwerpunkte machen. Es beruhigt daher nicht, dass das niederländische Wirtschaftsministerium im Dezember 2014 eine Art Parallelprozess unter dem Namen „Nature Outlook“ gestartet hat, der nach Insiderangaben auf eine Änderung der Richtlinien und ihrer Anhänge abzielt. Auch die Forderung von deutschen Europaabgeordneten, den Wolf aus dem Anhang der geschützten Arten der FFH-Richtlinie zu streichen, ist ein deutliches Warnsignal. Allen an unseren hohen und weltweit geschätzten Standards im Natur- und Artenschutz Interessierten sei daher empfohlen, den Prozess im Auge zu behalten und sich ab April an der Online-Konsultation zu beteiligen!
Genauere Informationen zum Fitness Check der Naturschutzrichtlinien auf der Website der Europäischen Kommission:
http://ec.europa.eu/environment/nature/legislation/fitness_check/index_en.htm
Für die deutschen Naturschutzverbände wurde in Abstimmung mit dem Deutschen Naturschutzring (DNR) als Dachverband und WWF Deutschland der NABU, namentlich Konstantin Kreiser, zum „national focal point“ für den Fitness Check ernannt. Auf der NABU-Website finden sich weitergehende Informationen und Stellungnahmen der Verbände zum Fitness Check:
http://www.nabu.de/themen/naturschutz/eunaturschutz/17633.html
Claus Mayr, NABU, Direktor Europapolitik, Brüssel, Claus.Mayr@NABU.de
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