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Diskussion

Der Steigerwald als Zankapfel

Die Politik tritt in der jahrelangen Diskussion um die alten Buchenwälder im nordbayerischen Steigerwald auf die Bremse: kein Nationalpark, Aufhebung des Status als Geschützter Landschaftsbestandteil, aber Anmeldung als UNESCO-Weltnaturerbe. Passt das „Machtwort“ aus München zu den fachlichen Realitäten?

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Geschützter Landschaftsbestandteil, Nationalpark und/oder UNESCO-Weltnaturerbe?

Von Eckhard Jedicke

Fachlich gesehen zählt der über Jahrzehnte nach Richt­linien des naturgemäßen Waldbaus bewirtschaftete, an wertvollen Strukturen und besonders Alt- und Totholz reiche Steigerwald ohne Frage zu den bundesweit wertvollsten großflächigen Buchenwaldgebieten. Das Waldgebiet bei Ebrach im Landkreis Bamberg in Oberfranken erfüllt zweifelsfrei die Kriterien für die Ausweisung eines Nationalparks, wie Stöcker et al. im vorliegenden Heft dezidiert nachweisen. Und doch ist die rechtliche Sicherung für den Prozessschutz ein Zankapfel der Politik.

Nun hat Ministerpräsident Horst Seehofer eines seiner häufigen „Machtworte“ gesprochen. Nach einem Gespräch mit Umweltministerin Ulrike Scharf, Agrar- und Forstminister Helmut Brunner und den drei Landräten der Region, Johann Kalb (Bamberg), Flo­rian Töpper (Schweinfurt) und Wilhelm Schneider (Haßberge), teilte er drei Übereinkünfte mit:

Einen Nationalpark im Steigerwald werde es nicht geben.

Der durch den vormaligen Landrat Dr. Günther Denzler (CSU) im April 2014 ausgewiesene Geschützte Landschaftsbestandteil „Der Hohe Buchene Wald“ mit einer Fläche von 775ha werde Ende Februar 2015 aufgehoben.

Dennoch wolle die Staatsregierung die Anerkennung als Weltnaturerbe beantragen. Bis Ende Januar 2015 sollten die beiden Fachminister hierfür ein Schutzkonzept vorlegen, mit dem sich der Freistaat um den begehrten Titel bewerben wolle.

Mit der Ausweisung als ­Geschütztem Landschaftsbestandteil (GLB) nutzte der damalige Landrat als Untere Naturschutzbehörde den §29 BNatSchG und sicherte eine Teil­fläche des 17000ha großen Staatsforstbetriebs Eb­rach: Die 775ha Fläche arrondieren zwei seit rund 50 Jahren in Kernzonen nicht mehr bewirtschaftete, ökologisch äußerst wertvolle Naturwaldreservate (Waldhaus-Erlensumpf und Brunnstube-Holzkreuz) zu einem Waldschutzgebiet mit einer zusammenhängenden Fläche von 928 ha Größe. Zuvor war der Versuch gescheitert, ein großes Buchenwald-Reservat nach dem Bayerischen Naturschutzgesetz auszuweisen – die zuständige Höhere Naturschutzbehörde der Bezirksregierung Oberfranken unterstützte das Vorhaben nicht.

Denzler war es ein Anliegen, ein Kernstück der wertvollen Buchenwälder im nördlichen Steigerwald unter Schutz zu stellen, um die Möglichkeit für die spätere Nachmeldung an die UNESCO als Weltnaturerbestätte offen zu halten. Denzler bemühte sich seit 2007 um die Errichtung eines ca. 10000 ha großen Nationalparks. Damit hatte er bis dato aber keinen Erfolg. Der GLB als rechtliches Hintertürchen, weil durch den Landrat verfügbar, wurde zum politischen Konfliktfall. Nach dem Wechsel des Wahlbeamten hat sich sein Nachfolger offensichtlich der Parteiräson gebeugt. Einmal mehr hatte sich zuvor der Bund der Steuerzahler mit naturschutzfachlichem Unwissen geoutet: Die Ausweisung müsse rückgängig gemacht werden, da ansonsten Hunderttausende Euro an Steuergeld verschwendet würden, war sich der bayerische BdSt-Präsident Rolf von Hohenthau mit dem Vorsitzenden der Landtagsfraktion der in Bayern traditionell starken Freien Wähler, Hubert Aiwanger, einig. Von Hohenthau wertete die GLB-Ausweisung als „klaren Angriff auf das private Eigentum“ und warnte: „Wehret den Anfängen. Eigentum ist keine Spielwiese für Ideologen.“

„Seehofer beendet Nationalpark-Pläne“ titelte am 18. November die Süddeutsche Zeitung einen Bericht zu den oben genannten drei Beschlussinhalten, um im Text sogleich nachzuschieben: „Doch Seehofers Strategie dürfte nicht aufgehen.“ Sofort meldete sich der Bund Naturschutz in Bayern (BN) zu Wort, der seit Jahren für den Nationalpark eintritt: „Wenn die Ankündigungen tatsächlich umgesetzt werden, ist das ein großer Rückschritt“, sagte BN-Chef Hubert Weiger dem Bericht zufolge, „da bleibt nicht mehr viel übrig, mit dem man sich für ein Welterbe bewerben könnte.“

Denn das ist der Knackpunkt: Ohne eine rechtliche Sicherung als Prozessschutz-, sprich Nullnutzungs-Gebiet, wird sich die UNESCO kaum zu einer Aufnahme in die Welterbe-Liste bewegen lassen. Das unterstrich unter anderen auch der SPD-Umweltpolitiker Florian von der Brunn: „Es gibt kein Weltnaturerbe ohne Schutzgebiet“, stellte der Münchner Abgeordnete fest und fügte hinzu: „Die Taktiererei von Seehofer geht nicht auf: Auf der einen Seite präsentiert die Staatsregierung publikumswirksam die Weltnaturerbe-Bewerbung, auf der anderen will sie das Schutzgebiet ‚Hoher Buchener Wald‘ kassieren. Dies ist ein Schlag ins Gesicht der Menschen in der Region, die mehrheitlich ein Weltnaturerbe und einen Nationalpark haben wollen.“ Ende Mai 2014 erst hatte das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid im Auftrag von BN und WWF Deutschland repräsentativ 1000 Personen im Steigerwald und dessen Vorland telefonisch befragt und 61 % Zustimmung zu einer Nationalpark-Ausweisung belegt.

Und ebenso im Dunkeln bleibt die Machbarkeit der Ankündigung Seehofers, bis Ende Januar 2015 sollten Umweltministerin und Forstminister ein Schutzkonzept für die einzigartigen Buchenwälder in der Region vorlegen, mit dem sich der Freistaat um den Welterbe-Titel bewerbe wolle. Vielleicht kann ihnen der Beitrag von Stöcker et al. in dem vorliegenden Heft dabei eine fachlich neutrale Hilfe sein. Dennoch sei daran erinnert, dass die Erarbeitung der Bewerbungsunterlagen für die 2011 erfolgte Erweiterung der Welterbestätte „Buchenurwälder der Karpaten“ um die „Alten Buchenwälder Deutschlands“ (mit Flächen in den Schutzgebieten Nationalpark Jasmund, Serrahn im Müritz-Nationalpark, Grumsin im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, Nationalpark Hainich und Nationalpark Kellerwald-Edersee) nicht Monate, sondern Jahre Arbeit bedeutet hat.

Der Bund Naturschutz will die Aufhebung des Schutzgebiets „Der Hohe Buchene Wald“ auf keinen Fall akzeptieren. „Wir würden alle verfügbaren Rechtsmittel ausschöpfen, um eine Aufhebung des GLB zu verhindern“, erklärte BN-Landesvorsitzender Hubert Weiger. Auch ein Weltkulturerbestatus sei zudem für den Schutz von Wäldern nicht geeignet, weil er keinen Schutz der natürlichen Abläufe im Wald gewährleiste. Einen Nationalpark Steigerwald halte der BN nach wie vor für die beste Lösung; er werde sich weiterhin mit großer Energie dafür einsetzen und die vielen Nationalparkbefürworter vor Ort tatkräftig unterstützen.

Ähnlich äußerte sich der neue Vorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), Dr. Norbert Schäffer: Er unterstütze den Vorschlag, den Steigerwald als Weltnaturerbe zu melden. „Gleichwohl muss Bayern aber zunächst die Voraussetzungen auf nationaler Ebene schaffen, um so seiner Verantwortung zum Schutz der europäischen Buchenwälder gerecht zu werden – und dazu gehört eine Schutzgebietsausweisung nach hochwertigen Kriterien.“ Verwundert zeigte sich der LBV-Chef deshalb über die Aussage aus München, dass Voraussetzung für die Bestrebungen, Teile des Steigerwalds zum UNESCO-Weltnaturerbe zu machen, der Verzicht auf einen Nationalpark im Steigerwald war.

Statt sich naturschutzfachlichen Argumenten zu öffnen und die Ausweisung eines Nationalparks zu bejahen, der – wie durch die Arbeiten von Prof. Dr. Hubert Job in vielen deutschen Großschutzgebieten nachwiesen – auch beachtliche regionalökonomische Effekte bringen kann, versucht sich der Freistaat mit Ablenkungsmanövern: Im September 2014 eröffnete er im unterfränkischen Handthal (Landkreis Schweinfurth) das „Steigerwald-Zentrum – Nachhaltigkeit erleben“: „Nachhaltiges Handeln soll so erleb- und begreifbar gemacht werden“, heißt es auf der Website der Bayerischen Forstverwaltung. Bei Ebrach entsteht ab 2015 ein Baumwipfelpfad.

„Befrieden“, wie es das erklärte Ziel Seehofers war, kann er den völlig verhärteten Streit mit seinen aktuellen Entscheidungen kaum. Denn die Kernfrage lässt er unbeantwortet: Wie will er die UNESCO-Anforderung eines großflächigen, nutzungsfreien Schutzgebiets erfüllen? Kein Nationalpark, kein GLB – von diesen Positionen kommt Seehofer so schnell nicht herunter, will er das Gesicht wahren. Da bliebe nur ein per Verordnung nutzungsfrei gehaltenes Groß-Naturschutzgebiet oder aber ein Biosphärenreservat mit entsprechend großen ungenutzten Kern­zonen. Vielleicht wäre Letz­teres die Kompromisslösung: Der gerade erst erfolgreich erweiterte bayerische Teil des Biosphärenreservats Rhön als Positivbeispiel ist ja nicht weit. Prozessschutz ließe sich so mit einer modellhaften nachhaltigen Entwicklung des Umfeldes verknüpfen. Dort passten dann auch das Steigerwald-Zentrum und der Baumwipfelpfad als Orte der Umweltbildung und der Bildung zur nachhaltigen Entwicklung gut hinein.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Eckhard Jedicke, Jahnstraße 22, D-34454 Bad Arolsen, E-Mail info@jedicke.de, Internet http://www.jedicke.de.

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