Auendynamik, Biber und Weidetiere
Die Gelbbauchunke hat in Nordhessen wieder eine Zukunft: Ein Projekt der Universität Kassel hat die Lebensbedingungen dieser stark gefährdeten Amphibienart im mittleren Fuldatal verbessert und so zu einer Stabilisierung der Population beigetragen. Der Erfolg weist den Weg zu einer nachhaltigen Sanierung des Lebensraums auch für andere bedrohte Tierarten.
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Schlüsselfaktoren für den Erhalt der Gelbbauchunke
Von Claus Neubeck
Die Gelbbauchunke (Bombina variegata) lebt in kleinen Tümpeln und Pfützen, wie sie vor allem in den Auen naturnaher Flüsse und Bäche vorkommen. Sie war früher in Deutschland weit verbreitet. Weil aber immer mehr Feuchtgebiete trocken gelegt wurden und den Fließgewässern mit dem Ausbau ihre natürliche Dynamik genommen wurde, gilt sie heute als stark gefährdet; in Nordhessen ist sie vom Aussterben bedroht.
Hauptziel des Projektes „Gelbbauchunke Nordhessen“ war die Wiederbesiedlung der bereits teilweise renaturierten Aue der mittleren Fulda durch die Gelbbauchunke und die Entwicklung einer dauerhaft überlebensfähigen Population.
Leitart für Auen
In das Projekt des Fachgebiets Gewässerentwicklung/Gewässerökologie der Universität Kassel unter Leitung von Prof. Dr. Ulrich Braukmann wurden verschiedene Projektpartner einbezogen, darunter auch die lokalen Experten aus dem ehrenamtlichen Naturschutz, deren Wissen über die örtlichen Verhältnisse eine wichtige Bedingung für die positive Bilanz des Projekts war. In den vergangenen drei Jahren wurden an ausgewählten Orten in der Region die Lebensbedingungen dieser Amphibienart verbessert und dabei spezielle Aspekte ihrer Lebensraumansprüche erforscht. Mit Erfolg: Die Bestände haben sich erholt und die Art beginnt, sich wieder in der Fuldaue und den umliegenden Bachtälern auszubreiten. „Da die Gelbbauchunke als sogenannte Leitart gilt, führt das gleichzeitig dazu, dass sich auch andere Arten hier wieder heimisch fühlen“, sagt Projektkoordinator Dr.-Ing. Claus Neubeck. Denn was für die Gelbbauchunke gut ist, gefällt auch anderen bedrohten Tieren, z.B. Kreuzkröten und Libellen; Vogelarten wie der Weißstorch und die Bekassine wiederum profitieren vom vermehrten Nahrungsangebot.
Um die vorhandenen Restvorkommen der Unke zu stabilisieren, wurden im Projekt rund 150 Laichtümpel angelegt, insbesondere im Gebiet der mittleren Fulda zwischen Rotenburg und Bebra. Zudem wurde auf ausgesuchten Weideflächen an der mittleren Fulda der natürliche Wasserhaushalt wiederhergestellt, d.h. sie stehen einen Teil des Jahres unter Wasser. In den Tränken, Suhlen und Trittspuren der Rinder sammelt sich das Wasser und bietet den Unken einen natürlichen Lebensraum.
Steigerung der Population auf das Fünffache
Drei Sommer lang zählten die Wissenschaftler die Unken, die sie vorfanden. Das Ergebnis ist ermutigend. Im Jahr 2011 wurden nur 34 ausgewachsene Gelbbauchunken gefunden, 2013 waren es bereits 155 Tiere. „2014 haben wir kein intensives Monitoring mehr durchgeführt, jedoch berichtet Heinrich Wacker, unser Partner für das mittlere Fuldatal, von einer erneut deutlichen Zunahme der erwachsenen Tiere, die auf die gute Vermehrungsrate in 2012 zurückzuführen sein dürfte“, berichtet Neubeck.
Weideland und Auen
Zentrale Fragestellungen waren, wie die Tiere auf die Renaturierung ihres ursprünglichen Lebensraumes in den Auen und auf deren schonende Nutzung durch extensive Beweidung reagieren. Die Untersuchungen an der mittleren Fulda brachten wichtige Erkenntnisse, die von den parallel durchgeführten bundesweiten Recherchen und Experten-Interviews bestätigt wurden.
Die Ergebnisse fallen differenziert und komplex aus. „In den Gewässern auf Weideland und in den Flutrinnen vermehrten sich die Tiere merklich, aber nicht in größerem Umfang“, so Neubeck.
Besonders günstig ist es, wenn die Rinder nur kurz im Frühjahr auf der Weide stehen und anschließend, während der Laich- und Entwicklungsperiode der Unke, bis zum Spätsommer Weideruhe herrscht. Bei ausreichender Flächengröße hat sich aber auch eine ganzjährig extensive Beweidung mit Kombinationen von Rindern und Pferden oder Schweinen und Ziegen als vorteilhaft erwiesen. In relativ trockenen Gebieten und bei zu intensiver Weideviehhaltung hingegen kann es Probleme geben. „Das hat unter anderem einen ganz simplen Grund: Die Rinder trinken die Tümpel dann einfach aus“, so Neubeck.
Die Beobachtungen in Auen zeigten deutlich, wie weit die Verhältnisse von stabilen Vorkommen noch entfernt sind. Nur wenige Primärvorkommen in Flussauen wurden bekannt, beispielsweise in naturnahen Auwaldgebieten mit Altwassern in fortgeschrittenem Verlandungsstadium, d.h. mit temporärer Austrocknung.
Ihre hohe individuelle Lebenserwartung von bis zu über 20 Jahren, die kurze Entwicklungsdauer ihrer Kaulquappen und die schnelle Besiedlung neu entstandener Tümpel kennzeichnet die Gelbbauchunke als typischen Bewohner der ehemals dynamischen, strukturreichen und wechselnassen Auen-Landschaften. Auf günstige Vermehrungsbedingungen, wenn die Winterhochwasser neue Rinnen und Tümpel geschaffen und die Sommergewitter sie wieder gefüllt haben, kann sie mit Massenvermehrungsphasen reagieren.
Die Kombination von Auenrenaturierung mit zusätzlicher Anlage von Laichtümpeln wird als gute Grundlage zur Stabilisierung der letzten Vorkommen und Wiederausbreitung der Art betrachtet.
Von großer Bedeutung ist dabei neben dem regelmäßigen Austrocknen der Laichtümpel die Vielfalt der Klein- und Kleinstgewässertypen auf engem Raum mit unterschiedlichen Größen und Tiefen, Höhenniveaus bzw. Wasserhaltekapazität, die je nach Witterung eine unterschiedliche Bedeutung haben können. Das Weidevieh kann dabei die weitestgehend verlorene Auendynamik nicht ersetzen, wohl aber ergänzen.
Zielkongruenz mit WRRL
Unterstützung bietet die europäische Wasserrahmenrichtlinie: Auch dort ist die Wiederherstellung eines guten Zustandes der Fließgewässer gefordert, die für das langfristige Überleben der Gelbbauchunke wichtig ist.
Raumbedarf und Lebensraumansprüche der Unke sind dabei durchaus größer bzw. komplexer, als es die erfolgreiche Anlage kleiner Laichtümpel erahnen lassen. Auch die Wiederausbreitung des Bibers birgt ein hohes Potenzial für die Gelbbauchunke.
Das Projekt „Gelbbauchunke Nordhessen“ lief von Juni 2011 bis Mai 2014. Der Abschlussbericht steht in Kürze unter http://www.dbu.de zum Download bereit und enthält auch die Ergebnisse der genetischen und der Chytrid-Pilz-Untersuchungen.
Das Projekt wurde maßgeblich von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt sowie der Michael Otto Stiftung und dem Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen gefördert. Weitere Unterstützung kam von den Unteren Naturschutzbehörden der betroffenen Landkreise, dem Forstamt Rotenburg und den Regionalgruppen der Naturschutzverbände HGON, NABU und BUND.
Projektpartner waren das Institut für Biologie der Universität Kassel, das Fachgebiet Biogeographie der Universität Trier, die Hessen Forst – FENA, das Regierungspräsidium Kassel, die Stadt Rotenburg, die Naturkundliche Gesellschaft mittleres Fuldatal, die Firma GenoCanin GmbH und die Firma Helmut Beisheim GmbH & Co. KG sowie die Arbeitsgemeinschaft Amphibien- und Reptilienschutz in Hessen.
Anschrift des Verfassers: Dr.-Ing. Claus Neubeck, Universität Kassel, Fachgebiet Gewässerentwicklung/Gewässerökologie, Nordbahnhofstraße 1a, D-37213 Witzenhausen, E-Mail neubeck@uni-kassel.de, Internet http://www.uni-kassel.de/asl/gelbbauchunke.
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