Weder effektiv noch effizient – was ist los mit der Planerprofession?
Effektiv oder effizient? Effektiv meint wirksam, wirkungsvoll, lohnend bzw. nutzbringend – oder auch wirklich, sich tatsächlich feststellen lassend. Effizient dagegen heißt wirksam und wirtschaftlich, bezieht also den ökonomischen Aspekt ein.
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Unwichtige Haarspalterei? Keineswegs, denn bei dem Schutz von Schutzgütern und Landschaftsfunktionen spielt immer auch der Preis eine Rolle. Die berühmte Population des Kammmolchs, einer Straßenplanung im Wege, lässt sich effektiv, also wirksam, durch einen millionenschweren Tunnelbau erhalten. Effizienter indes scheint, diese Erhaltung durch Neuschaffung eines Lebensraumes und anschließende Umsiedlung der Population erzielen.
Das wäre nach europäischem Rechtsverständnis eine sogenannte CEF-Maßnahme: Seit dem Caretta-caretta-Urteil des Europäischen Gerichtshofs 2002 in Bezug auf die Unechte Karettschildkröte galten Vorkommen von Fortpflanzungs- und Ruhestätten der nach FFH- und Vogelschutz-Richtlinie geschützten Arten zunehmend als kaum überwindbares Planungshindernis. Um diese Restriktion zu mildern, lässt die Europäische Kommission funktionserhaltende Maßnahmen zu, die den Fortbestand der ökologischen Funktionalität einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte sichern. Seit 2007 ist diese Idee auch in das Bundesnaturschutzgesetz integriert.
Offensichtlich niemand hat bis dato untersucht, ob diese Maßnahmen effektiv sind. Dabei postuliert die Kommission einen hohen fachlichen Anspruch: Der Erfolg von CEF-Maßnahmen müsse mit „großer Sicherheit“ eintreten. Nun liegt mit dem ersten Hauptbeitrag dieses Heftes eine solche erste Bilanz vor – mit erschütterndem Ergebnis: Deutlich weniger als die Hälfte aller 402 in nordrhein-westfälischen Straßenbau-Planungen vorgesehener CEF-Maßnahmen sind wahrscheinlich oder sicher geeignet, ihre Funktion zu erfüllen! Auf einer fünfstufigen Skala liegt der Median der Bewertungen durch Artexperten bei der mittleren Stufe 3: Die CEF-Maßnahmentypen funktionieren vielleicht – vielleicht aber auch nicht. „Große Sicherheit“ ist das nicht.
„Europäischer Artenschutz im Blindflug“ betiteln Michael Gerhard, Matthias Fabian, Thomas Hövelmann und Simon Kaubisch ihre fundierte Analyse treffend. Einmal mehr zeigt sich, dass das Schwert des Naturschutzes ein stumpfes ist – vielleicht mehr ein Knüppel als eine schneidige Waffe. Das ist in diesem Fall besonders erschreckend, weil es hier einmal nicht an vermeintlich mächtigeren Dritten liegt, sondern allein an den Planenden im Naturschutz selbst. Ihre Arbeit ist somit weder effektiv noch effizient.
Dieser Befund erhärtet die gewiss nicht neue Forderung, die Planung weit mehr zu fundieren: durch bessere Vernetzung von Wissenschaft und Planung, durch qualifizierte Aus- und Fortbildung, durch Qualitätskontrollen für Planung und Umsetzung. Wer übernimmt dafür Verantwortung? Nicht mal ein Silberstreif ist am Horizont zu sehen ...
In einem Punkt können solcherart Effizienz-Diskussion auch gefährlich sein, denn sie verengen den Blick: Es geht selten nur um die einzelne Art. Sondern diese fungiert als Stellvertreter für typische Lebensgemeinschaften (Biozönosen), deren Mitglieder eine Schnittmenge gemeinsamer Habitat- oder Ressourcenansprüche vereint. Oder für Arten, die bestimmte Raumansprüche besitzen, etwa – um beim Kammmolch zu bleiben – für einen räumlichen Verbund von Gehölzhabitaten, strukturreichem Offenland und Stillgewässern. Dieser gesamtlandschaftliche Schutzansatz tritt in der Planungspraxis von FFH-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP), spezieller artenschutzrechtlicher Prüfung (saP), CEF-Maßnahmen und wie sie alle heißen leider leicht in den Hintergrund. Das ist falsch, selbst wenn man nur die Arten schützen wollte. Denn auch sie benötigen die Landschaft mit ihren größerräumigen Qualitäten und Vernetzungen als Lebensraum, mit intakten weiteren Ressourcen wie Böden, Wasser, Klima und Luft.
Anders ausgedrückt: Effizient – wirksam und wirtschaftlich – kann der Artenschutz nur bei Berücksichtigung eines umfassenden Schutz der Landschaftsqualitäten werden. Und da stimmt die CEF-Bilanz erst recht missmutig: Wenn für die einzelne Art der Schutz schon nicht funktioniert, wie sieht es dann erst für ganze Landschaften mit ihren Ökosystem(funktion)en aus?
Schwermut indes ist kein guter Berater. Formulieren wir es positiv: Es gibt auch gute Beispiele wirksamer CEF-Maßnahmen (und ebenso anderer Disziplinen der Landschaftsplanung in weiterem Sinne). Jetzt sind Ideen gefragt, wie sie besser Schule machen können. Wir freuen uns über Zuschriften!
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