Anforderungen an die Verwendung gebietseigener Gehölze
Abstracts
Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist durch die Convention on Biological Diversity (CBD) von Rio de Janeiro 1992 in den Fokus gerückt. Bei Pflanzmaßnahmen in der freien Natur soll deshalb die genetische Vielfalt innerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes berücksichtigt werden. Die innerartliche Differenzierung bedingt die Ausweisung von Vorkommensgebieten, damit einer möglichen Florenverfälschung, einer Verdrängung bodenständiger Genotypen und einer Einengung des Genpools vorgebeugt wird. Um eine Gefährdung der Flora zu verhindern, ist die Ausbringung gebietsfremder Sippen gemäß § 40 Abs.4 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geregelt. Dies gilt auch für gebietsfremde Herkünfte einheimischer Arten.
Für die Erreichung des Ziels, die biologische Vielfalt zu erhaltern, sind in diesem Zusammenhang nachfolgende Rahmenbedingungen erforderlich: die Ausweisung von Erntebeständen, eine herkunftsgesicherte Produktion und eine lückenlose Zertifizierung.
Requirements for the Use of Shrubs and Trees from Seeds of Regional Origin – Consideration of the genetic diversity in practice
The conservation of biological diversity has been put into focus due to the Convention on Biological Diversity (CBD) in Rio de Janeiro in 1992. This also means that planting activities in the open landscape should consider the genetic diversity within the natural range. The intraspecific differentiation requires the designation of regions of provenance. Thus, a possible adulteration of flora, a displacement of native genotypes and a narrowing of the gene pool can be prevented. In order to avoid a threat of the natural flora the introduction of alien species has been regulated according to § 40 para. 4 of the Federal Nature Conservation Act. This also applies to non-resident provenances of native species.
In order to conserve the biological diversity, following conditions are required: the designation of stands for the yield, a production which identifies the origin of the seed sources, and finally a comprehensive certification.
- Veröffentlicht am
1 Vorbetrachtungen
Gehölzpflanzungen gehören zu den häufigsten Maßnahmen des Naturschutzes. Dabei werden in der freien Natur in der Regel einheimische Gehölze gepflanzt. Allerdings entspricht die Herkunft der gepflanzten Gehölze meist nicht dem Ausbringungsort (Seitz 2006). Da heute ein wesentlicher Teil des Pflanzgutes aus Süd- und Osteuropa importiert wird, ist von einer permanenten genetischen Verfälschung auszugehen (Boeckh 2006).
Es stellt sich daher die Frage, wie die beiden Hauptziele, Vermeidung von Risiken für Natur und Landschaft (durch die Verwendung gebietsfremder Gehölze) und Sicherung einer ökonomisch tragfähigen Produktion von Gehölzen, erreicht werden können (Kowarik & Seitz 2003). Diese Frage impliziert, ob mittels der Verwendung gebietseigener Gehölze dem Schutz vor Florenverfälschung und dem Erhalt der biologischen Vielfalt Genüge getan werden kann.
Als gebietseigen werden Pflanzen bezeichnet, die aus Populationen einheimischer Sippen stammen, welche sich in einem bestimmten Naturraum über eine lange Zeitspanne in vielen Generationsfolgen fortgepflanzt haben und bei denen eine genetische Differenzierung gegenüber Populationen der gleichen Art aus anderen Naturräumen anzunehmen ist (Kowarik & Seitz 2003).
Die Ausbringung gebietsfremder Herkünfte in der freien Natur hat erhebliche Konsequenzen für die genetische Vielfalt der indigenen Flora. So tragen z.B. gebietsfremde Genotypen durch Gentransfer erheblich zur Nivellierung des Genpools der einheimischen Pflanzen bei (Seitz 2006). Demzufolge können etablierte gebietsfremde Arten nach ihrer beabsichtigten oder unbeabsichtigten Einbringung zur Veränderungen der Funktionsabläufe in Ökosystemen führen oder ursprüngliche Lebensgemeinschaften beeinträchtigen (Schlacke 2012). Auch ökonomische Defizite lassen sich feststellen: Gebietsfremde Herkünfte sind schlechter an die jeweiligen Umweltbedingungen angepasst und zeigen schlechtere Anwachs- und Etablierungserfolge (Vollrath 2006).
2 Geltungsbereich und Verwendung
Der Genehmigungsvorbehalt gilt nur für das Ausbringen von Gehölzen außerhalb ihrer Vorkommensgebiete in der freien Natur. Ob eine Fläche der freien Natur oder dem besiedelten Bereich zuzuordnen ist, kommt auf den tatsächlichen Zustand und nicht auf die rechtliche Zuordnung einer Fläche (bauplanungsrechtliche Einordnung der Fläche zum Außenbereich gemäß § 35 Baugesetzbuch) an.
Im Sinne von § 40 Abs.4 (1) BNatSchG umfasst der Begriff der freien Natur sämtliche Flächen außerhalb des besiedelten Bereiches, unabhängig von deren Naturnähe. Darunter fallen Verkehrswege mit deren Randflächen (z.B. Straßenböschungen, Straßenbegleitgrün) außerhalb geschlossener Ortschaften sowie Pflanzungen in der Feldflur oder am Waldrand. Hier greift das Genehmigungserfordernis. Gleiches gilt für Gewässersysteme und Gehölzpflanzungen im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen (vgl. Frenz et al. 2009, Schumacher & Werk 2010).
In Parks, Grünanlagen, Hausgärten, Alleen oder auf Friedhöfen, Sportanlagen, Kinderspielplätzen und Deponien greifen die gesetzlichen Bestimmungen nicht, da der Begriff der freien Natur nicht adäquat anwendbar ist und die gestaltgebenden Faktoren für die Wahl der Gehölze oder standörtliche Sonderbedingungen im Siedlungsbereich oder darüber hinaus ausschlaggebend werden. In diesen Fällen ist auch die Pflanzung von gebietsfremden Arten zweckmäßig. Die Pflanzenverwendung erfolgt in diesen stark gestalterisch geprägten Bereichen vordringlich nach individuellen, ästhetischen, nutzungsbedingten oder auch gartendenkmalpflegerischen Zielen, die eine Freistellung rechtfertigen (vgl. Kowarik & Seitz 2003, Schumacher & Werk 2010). Aber auch hier kann natürlich gebietseigenes Pflanzgut zur Anwendung kommen, sofern eine standörtliche Eignung gegeben ist und sie den ästhetisch-gestalterischen Erfordernissen genügen.
3 Einteilung in Vorkommensgebiete
Der Begriff Vorkommensgebiet umfasst die genetische Herkunft dort vorhandener Bestände einer Art, welche ähnliche phänotypische oder genetische Merkmale aufweisen. Das Verbreitungsgebiet (Areal) einer Pflanze wird in seiner Größe und Form durch die Klima- und Bodenverhältnisse, die Topographie und die Verbreitungsgeschichte der Art bestimmt (BfN o.J.: Floraweb). Bekräftigt wird dies mit Hilfe der Abstammungsanalyse. Die genetische Variabilität, beispielsweise für die regionalsippenreiche Gehölzgattung Rosa, kann aufgezeigt und für die geografische Einteilung genutzt werden. So konnte für die flächendeckend verbreitete Hunds-Rose (Rosa canina) in Brandenburg eine geringe genetische Differenzierung nachgewiesen werden. Brandenburgische Herkünfte der Hunds-Rose konnten jedoch zu weiter entfernten deutschen sowie europäischen Provenienzen (Süd-Bayern, Türkei, Ungarn, Spanien, etc.) eindeutig genetisch unterschieden werden (Seitz et al. 2005). Auf Grundlage dieser Untersuchungen lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass ein enger räumlicher Zusammenhang zwischen dem Ort der Saatgutgewinnung und der Ausbringung bestehen sollte (Schmidt & Krause 1997).
Im Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) ist die Empfehlung ausgesprochen worden, als Basis für die Produktion und Ausbringung eine Einteilung in sechs Vorkommensgebiete zu Grunde zu legen (Barsch et al. 2012;vgl. Abb.1). Diese Einteilung gilt auch für Gehölze, die dem Forstvermehrungsgesetz (FoVG) unterstehen, wenn deren Herkunftsgebiete stärker untergliedert sind und diese außerhalb der Forstwirtschaft in der freien Natur gepflanzt werden sollen (Barsch et al. 2012).
Durch die Berücksichtigung der Herkunft des Vermehrungsgutes soll einer möglichen Florenverfremdung, einer Verdrängung bodenständiger Genotypen und einer Einengung des Genpools vorgebeugt werden (Schmidt & Krause 1997). Folglich sollten Gehölzarten entsprechend ihrer genetischen Diversität eingeteilt werden. Diese Einordnung erfordert allerdings wissenschaftlich fundierte Untersuchungen der genetischen Diversität, um die Differenzierung aufzuzeigen und eine Einteilung der Gehölzarten in die entsprechenden Gruppen abzuleiten (Eimert et al. 2012). Mit den artenschutzrechtlichen Bestimmungen im BNatSchG wird zwar beabsichtigt, eine regional-genetische Zusammensetzung der Artebene zu erhalten, jedoch wird der genetischen Differenzierung, die stark von der Biologie der betreffenden Arten abhängig ist, aufgrund dieser fehlenden wissenschaftlichen Untersuchungen noch nicht Genüge geleistet (Eimert et al. 2012).
4 Naturschutzrechtliche Verpflichtungen
Für die Vermeidung der Beeinträchtigungen durch gebietsfremde Herkünfte lassen sich aus internationalem sowie nationalem Recht Begründungen ableiten. Den Schutz der biologischen Vielfalt haben die Gesetzgeber der verschiedenen Rechtsebenen aufgegriffen und gesetzlich zum Ziel erklärt (Kowarik & Seitz 2003).
Die „Übereinkunft zur Erhaltung der biologischen Vielfalt (Convention on Biological Diverstity – CBD)“ wurde bei der UN-Konferenz 1992 in Rio de Janeiro als völkerrechtlich bindender Vertrag verabschiedet. Im Europarecht soll die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) die Vorgaben der CBD umsetzen und die betreffenden Verpflichtungen an die Mitgliedsstaaten weitergeben (Frenz et al. 2009). Diese Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft (EG-Richtlinien) gelten grundsätzlich nicht unmittelbar, sondern bedürfen der nationalen Umsetzung durch das BNatSchG sowie naturschutzrechtliche Vorschriften der Länder (LANA 2010).
Die Umsetzungsverantwortung der Bestimmungen des Art. 22 Buchst. a und b der FFH-RL sowie die Vorschrift des Art. 8 Buchst. h der CBD werden mit § 40 BNatSchG wahrgenommen. Ziel ist es, die Gefahren einer Florenverfälschung bereits durch die Ausbringung von gebietseigenem Saat- und Pflanzgut abzuwehren (Schlacke 2012).
Neu eingeführt wurde mit § 40 Abs.4 Nr.4 BNatSchG, dass die Ausbringung von Gehölzen und Saatgut gebietsfremder Herkünfte in der freien Natur von dem Erfordernis einer Genehmigung zunächst ausgenommen ist. Die Genehmigungspflicht gilt grundsätzlich erst ab dem 01. März 2020 uneingeschränkt. Jedoch verpflichtet die Regelung bereits jetzt dazu, vorzugsweise gebietseigene Gehölze innerhalb des Vorkommensgebietes auszubringen, sofern das notwendige Pflanzmaterial zur Auswahl steht. In § 40 Abs.4 Satz 2 wird festgeschrieben, dass genetisches Material aus einem bestimmten Vorkommensgebiet, welches in anderen Regionen künstlich vermehrt wurde, in der jeweiligen Ursprungsregion nicht gebietsfremd ist und damit dort ohne weiteres ausgebracht werden kann. Maßgeblich ist demzufolge nicht der Ort der Anzucht, sondern die Herkunft des Saatgutmateriales (Lütkes & Ewer 2011).
Die Produzenten von Wildpflanzenmaterial (meist Baumschulen) benötigen entsprechendes Saatgut, dessen Entnahme einer Genehmigung durch die zuständige Naturschutzbehörde bedarf (LANA 2010). Der § 39 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG regelt diese Genehmigung. Das gewerbsmäßige Entnehmen sowie Be- oder Verarbeiten aller wild lebenden Pflanzen ist unter Vorbehalt gestellt.
Ab dem genannten Zeitpunkt 2020 hat die zuständige Behörde eine ausdrückliche Genehmigung auszusprechen, wenn in der freien Natur gebietsfremde Gehölze gepflanzt werden sollen. Somit nimmt die Vorschrift des § 40 Abs. 4 vor allem die Naturschutz- und Genehmigungsbehörden in die Pflicht. Diese müssen dann in der Lage sein, auf der Basis wissenschaftlich abgesicherter Erkenntnisse erforderliche Ausbringungsgenehmigungen zu erteilen oder zu versagen (Frenz & Müggenborg 2011). Den Baumschulen soll durch die Übergangsfrist gemäß § 40 Abs. 4 Nr. 4 BNatSchG die züchterische und wirtschaftliche Umstellung an den Schutz der innerartlichen Vielfalt erleichtert werden (Lütkes & Ewer 2011). Der Genehmigungsvorbehalt gilt nur für das Ausbringen von Gehölzen außerhalb ihrer Vorkommensgebiete in der freien Natur. Laut § 40 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG sind unter dem Begriff der freien Natur sämtliche Flächen außerhalb des besiedelten Bereiches unabhängig von deren Naturnähe zu verstehen (Schumacher & Werk 2010).
5 Zertifizierung
Für die Naturschutzbehörden, ausschreibenden Stellen, Baumschulen sowie Garten- und Landschaftsbaubetriebe sind verlässliche Herkunftsnachweise des Saatgutes und des Pflanzmateriales von entscheidender Bedeutung (AG Gebietseigene Gehölze 2013). Ein strenger Nachweis der gebietseigenen Herkunft von Saat- oder Pflanzgut ist nur mittels genetischer Methoden möglich (Müller & Kirmer 2009).
Letztlich ist in erster Linie eine lückenlose Verfolgung der Produktion entscheidend und damit eine Zertifizierung begründet. Ein unabhängiges Zertifikat ermöglicht es den Lieferanten, nachweislich regionales Wildpflanzgut anzubieten. Der Herkunftsnachweis sollte unter anderem die Dokumentation der Sammlung des Ausgangssaatguts, die Anbauflächenkontrolle und eine Stichprobenkontrolle des Saat- und Pflanzgutes umfassen (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin 2013). Für die Kontrolle der Produktion gibt es zwei Möglichkeiten: der Plausibilitatsnachweis [mittels ID-Nr., Zertifikat, gekennzeichneter Bestände und exakter Protokollierung aller Abläufe (Ernteprotokolle, Lieferscheine, etc.)] oder der genetische Fingerabdruck (Ruckstellprobe) (Selders 2011). Ein Plausibilitätsnachweis und eine lückenlose Nachkontrolle der Anzucht und Produktion sind bei der Ausbringung auf der Baustelle zwingend erforderlich. Rückstellproben können dies für Zweifelsfälle und zum Controlling deutlich absichern, jedoch ist die Administration hierzu mit sehr großem Aufwand verbunden.
Es existieren bereits in Bayern, Brandenburg und Baden-Württemberg praktikable Zertifizierungsverfahren, um die herkunftsgesicherte Verwendung gebietseigenen Pflanz- und Saatgutes umzusetzen. Die AG Gebietseigene Gehölze formulierte im Oktober letzten Jahres Mindeststandards für die Zertifizierung herkunftsgesicherter Gehölze. Dies führte dazu, dass alle vorhandenen Zertifizierungssysteme modifiziert und angepasst werden müssen (Karl Schlegel Baumschulen o.J.).
6 Kritik, Defizite und Wissenslücken
Kritisch ist die prinzipielle Gebietsabgrenzung in sechs Vorkommensgebiete zu betrachten, da die genetische Varianz der einzelnen Arten nicht berücksichtigt wird. Die genetische Differenzierung einer Art ist natürlicherweise stärker oder geringer ausgeprägt. Demzufolge wird vorgeschlagen, Gehölzarten entsprechend ihrer genetischen Diversität einzuteilen: in Arten ohne Untergliederung in Herkunftsgebiete, in Arten mit Untergliederung in wenige Herkunftsgebiete und in Arten mit regional zu begrenzenden Herkunftsgebieten (Schmidt & Krause 1997). Diese Einordnung bedingt wissenschaftlich fundierte Untersuchungen der genetischen Diversität, um Differenzierungen aufzuzeigen und eine Einteilung in die entsprechenden Gruppen abzuleiten (Eimert et al. 2012). Bislang sind die populationsgenetischen Informationen oft beschränkt (Kowarik & Seitz 2003).
Im Bereich der Forstwirtschaft regelt und definiert die Forstvermehrungsgut-Herkunftsgebietsverordnung (FoVHgV) Herkunftsgebiete der forstwirtschaftlich genutzten Baumarten. Hier werden die Herkunftsgebiete artspezifisch und teils kleinräumiger ausgewiesen (Barsch 2010).
Wie unsere Gehölzarten auf aktuelle und zukünftige Umweltveränderungen (z.B. anhaltende Trockenperioden und Starkregenereignisse) reagieren und wie groß die Anpassungsfähigkeit ist, muss standortbezogen sowie artspezifisch beantworten werden (BdB 2008). Grundsätzlich stellt eine hohe genetische Vielfalt die Voraussetzung für die Anpassungsfähigkeit und nachhaltige Etablierung von Populationen dar (Kowarik & Seitz 2003, Schumacher & Werk 2010). Große Populationen gebietseigener Gehölze verfügen über einen umfangreichen Genpool und variieren entsprechend ihrer Anpassungspotenziale dynamisch auf die Veränderung von Verbreitungsarealen (Seitz et al. 2007). Es treten somit umweltbedingte Selektionsvorgänge als natürlicher Motor für die Anpassung, beispielsweise an die Klimaerwärmung, in Erscheinung. Für Gehölze ist der bestimmende Faktor die Wasserverfügbarkeit, die sowohl von Temperatur, Niederschlägen als auch Bodeneigenschaften abhängig ist. Die Unempfindlichkeit der jungen Triebe gegenüber Spätfrösten könnte in Zukunft einen weiteren bestimmenden Faktor darstellen (BdB 2008).
Die Abwägung bei der Pflanzenauswahl zwischen der ausschließlichen Erhaltung der regionalspezifischen genetischen Vielfalt (gebietsheimische Herkünfte) und einer Einbringung von gebietsfremdem genetischem Material wird unter dem Aspekt des Klimawandels neu zu bewerten und diskutieren sein (BdB 2008). Es wird empfohlen, eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation aufzulegen.
7 Empfehlungen für die Planung
Die nachfolgende Checkliste kann Planer, die Gehölzpflanzungen vorsehen, bei der Prüfung, ob gebietseigene Herkünfte zu verwenden sind, unterstützen.
1. Liegt das Planungsgebiet in der freien Natur?
Gemäß § 40 BNatSchG umfasst der Begriff der freien Natur sämtliche Flächen außerhalb des besiedelten Bereiches unabhängig von deren Naturnähe. Freie Natur meint somit vielmehr den unbesiedelten Bereich.
2. Wenn ja, sind besondere gestaltgebende oder standörtliche Erfordernisse gegeben?
Hat die Pflanzenverwendung ästhetischen, nutzungsbedingten oder gartendenkmalpflegerischen Zielen zu genügen, ist eine Freistellung gerechtfertigt.
3. Wenn nein, in welchem Vorkommensgebiet befindet sich das Planungsgebiet?
Das BMU gibt eine Einteilung in sechs Vorkommensgebiete vor. Entscheidend für die Zuordnung des Vorkommensgebietes ist die Saatgutherkunft und nicht der Anzuchtort. Es wurden bereits Artenlisten erstellt, die als Hilfestellung bei der Planung und Ausschreibung von Anpflanzungen geeigneter gebietseigener Gehölze dienen können.
4. In der Projekt-Ausschreibung ist das geforderte Vorkommensgebiet eindeutig anzugeben.
Hier ist die Beschränkung des Leistungsgegenstandes zulässig, da ein naturschutzfachlicher Grund vorliegt. Die Beschränkung ist vertretbar, da nur gebietseigene Gehölze den Genpool der heimischen Flora nicht nivellieren und damit stabil sowie anpassungsfähig an künftige Entwicklungen, wie den Klimawandel, bleiben. Die Mehrkosten für gebietseigene Gehölze amortisieren sich durch geringere Ausfallraten (weniger Nachpflanzungen), den kräftigeren Wuchs sowie kürzere Transportwege und Lagerzeiten.
5. Anfrage bei der Baumschule, ob die ausgeschriebene Ware verfügbar ist.
Alternativpositionen im Leistungsverzeichnis sollten vorrangig andere verfügbare Qualitäten oder andere regionale Herkünfte mit standörtlicher Eignung beinhalten.
Die Baumschulen haben mit einem anerkannten Zertifikat den Herkunftsnachweis zu erbringen, um eine lückenlose Rückverfolgbarkeit zu ermöglichen.
8 Ausblick
Als vordringliche Ziele für die bundesweite Anwendung gelten die Einführung einer einheitlichen Zertifizierung und die Ausweisung geeigneter Erntebestände gebietseigener Gehölze (Degenbeck 2012). Eine endgültige Ausfertigung der Bestimmungen zur Zertifizierung oder Einteilung der Vorkommensgebiete wird durch die Bundesländer erfolgen, da nach § 40 BNatSchG für den Bund keine Verordnungsermächtigung besteht (Encke 2011).
Literatur
AG Gebietseigene Gehölze (2013): Empfehlung zu Mindeststandards der Zertifizierung gebietseigener Gehölze. 15. Oktober 2013.
Barsch, F. (2010): Regiosaatgut und das neue Bundesnaturschutzgesetz – Fortschritte im Schutz der biologischen Vielfalt. Erftstadt.
–, Heym, A., Nehring, S. (2012): Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Hrsg., Bonn.
BdB (Bund deutscher Baumschulen, 2008): Klimawandel und Gehölze. Pinneberg.
BfN (Bundesamt für Naturschutz, o.J.): Floraweb. Abgerufen am 16. September 2013 von http://www.floraweb.de/pflanzenarten/ffharten.html.
Boeckh, R.v. (2006): Florenverfälschung gewaltigen Ausmaßes? NABU Rheinland-Pfalz, Mainz.
Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG (Gesetz über Naturschutz und Landespflege). In Kraft getreten am 01.03.2010.
Degenbeck, M. (2012): Gebietseigene Gehölze – aktueller Stand. Neue Landschaft (8), 49-51.
Eimert, K., Rückert, F.-E., Schröder, M.-B. (2012). Genetic diversity within and between seedstock populations of serveral German autochthonous provenances and conventionally propagated nursery material of blackhorn (Prunus spinosa L.). Plant Systematics and Evolution 298 (3), 609-618.
Encke, B.-G. (2011): Die Zertifizierer stehen schon Schlange! Abgerufen am 16. September 2013 von http://www.forstpraxis.de/gebietsheimische-gehoelze.
Frenz, W., Hellenbroich, T., Seitz, B. (2009): Anpflanzungen von Gehölzen gebietseigener Herkünfte in der freien Landschaft – rechtliche und fachliche Aspekte der Vergabepraxis. BfN-Skripten, Bonn-Bad Godesberg.
–, Müggenborg, H.-J. (2011): Bundesnaturschutzgesetz. Kommentar. Erich Schmidt, Berlin.
Karl Schlegel Baumschulen (o.J.): Gebietsheimische (autochthone) Gehölze und ihre Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt in der Landschaft. Abgerufen am 16. September 2013 von http://www.karl-schlegel.de/aktuell/autochthone_gehoelze.html.
Kowarik, I., Seitz, B. (2003). Perspektiven für die Verwendung gebietseigener („autochthoner“) Gehölze. Neobiota 2, 3-26.
LANA (Bund/Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung, (2010): Vollzugshinweise zum Artenschutzrecht.
Lütkes, S., Ewer, W. (2011): Bundesnaturschutzgesetz. Kommentar. C.H. Beck, München.
Müller, N., Kirmer, A. (2009): Verwendung autochthonen Saat- und Pflanzgutes in Thüringen – fachliche Grundlagen und Empfehlungen zum weiteren Vorgehen. Lanschaftspfl. Naturschutz Thür. 46 (2), 65-72.
Schlacke, S. (2012): GK-BNatSchG – Gemeinschaftskommentar zum Bundesnaturschutzgesetz. Carl Heymanns, Köln.
Schmidt, P., Krause, A. (1997): Zur Abgrenzung von Herkunftsgebieten bei Baumschulgehölzen für die freie Landschaft. Natur und Landschaft 72 (2), 92-95.
Schumacher, A., Werk, K. (2010): Die Ausbringung gebietsfremder Pflanzen nach § 40 Abs.4 BNatSchG. Natur und Recht 32 (12), 848-853.
Seitz, B. (2006): Zertifizierung gebietseigener Gehölze trägt zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt bei. Treffpunkt Biologische Vielfalt 6, 39-44.
–, Jürgens, A., Hoffmann, M., Kowarik, I. (2005): Abschlussbericht Produktion und Zertifizierung herkunftsgesicherter Straucharten – ein modellhafter Lösungsansatz zur Erhaltung der Biodiversität einheimischer Gehölze in Brandenburg. Berlin.
Selders, P.-J. (2011): Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen. Abgerufen am 17. Oktober 2013 von http://taspo.de/uploads/media/VDF_NRW_heimische_2011_02_15.pdf.
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin (2013): Pflanzen für Berlin – Verwendung gebietseigener Herkünfte. Berlin.
Vollrath, B. (2006): Versuchspflanzung zur Eignung autochthoner Gehölze bei Anpflanzungen. LWG Veitshöchheim.
Anschriften der Verfasser(in): Franziska Leyer (B. Eng.), Birkenweg 1, D-63303 Dreieich, E-Mail franzi.leyer@gmail.com; Prof. Klaus Werk, Hochschule Geisenheim University, Studienbereich Landschaftsarchitektur, Von Lade Straße, D-65366 Geisenheim, E-Mail klaus.werk@t-online.de.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.