O' schaurig ist's... – Moore und Moorböden brauchen besseren Schutz
Den Ersten sien Dod, den Tweeten sien Not, den Dritten sien Brot. Diese in Preußen geprägte Redensart spielt die Mühseligkeit wider, mit welcher die Menschen versuchten, Moore urbar zu machen: Erst in der dritten Generation war es möglich, ehemalige Moore als Acker zu nutzen. Und doch war das stete Mühen erfolgreich: Intakte, torfakkumulierende Hochmoore sind in Deutschland auf ein Hundertstel ihrer ehemaligen Ausdehnung zurückgedrängt worden, auf eine Fläche mit 140 km² Größe. Und noch immer wird in Deutschland Torf abgebaut, nach Finnland und Irland stehen wir an dritter Stelle der Torflieferanten in der Europäischen Union. Im Jahr 2011 wurden noch insgesamt 5,3 Mio. m³ Torf aus deutschen Lagerstätten gewonnen – das ist ein gedachter Würfel mit 174 m Kantenlänge. In der Europäischen Union wird jährlich ca. 63 Mio.m³ Torf gestochen – ein solcher Würfel hätte eine Kantenlänge von fast 400 m.
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Diese tiefgreifende Landschaftsveränderung, so wissen wir heute, hat gravierende Folgen für die Biodiversität, den Landschaftswasserhaushalt, den Bodenschutz und das Klima. Fokussieren wir auf den letztgenannten Aspekt: Moore spielen eine Schlüsselrolle im globalen Kohlenstoff-Haushalt, und zwar nicht allein intakte Hoch- und Niedermoore, sondern auch Moorböden, die aus mehr oder weniger degradierten Mooren hervorgingen. Und je nach Lage in der Landschaft, Hydrologie und anthropogener Überprägung unterscheiden sich Moorböden hinsichtlich der Menge gespeicherten Kohlenstoffs und potenzieller C-Freisetzung.
Das alles hat sich mittlerweile herumgesprochen. Dennoch fehlte bislang ein einfaches Instrument, mit dem sich in der Planungs- und Vollzugspraxis begründete Entscheidungen treffen lassen: Wie bedeutsam ist ein Moorboden für die C-Speicherung, wie notwendig sind Nutzungseinschränkungen und Maßnahmen zu Schutz und Regeneration? Diana Möller, Christian Heller und Jutta Zeitz stellen im ersten Hauptbeitrag ein Verfahren vor, mit dem sich gebietsspezifische Daten gewinnen und für die Praxis nutzen lassen. Immerhin speichert 12800 km² deutsche Moorbodenfläche mehr als 1,4 Mrd. t CO2, bezogen nur auf die obersten 2m des Moorkörpers. Und bis zu 5 % der nationalen Gesamtemissionen rühren von Emissionen aus den Moorböden Deutschlands.
Da hilft das Abwiegeln der Torfindustrie wenig: Sie beklagt das Sterben einer Jahrhunderte alten Tradition und einer wichtigen Wertschöpfungskette, die Unverzichtbarkeit des Torfs als Substratausgangsstoff im Erwerbsgartenbau (besonders zur Produktion von Jungpflanzen im Gemüse- und Salatanbau). Und verweist auf die anschließende Wiedervernässung nach erfolgtem Torfabbau – ohne auf die Höhe des Negativsaldos und die Schwierigkeit der (Hoch-)Moorregeneration bei den heutigen Stickstoffeinträgen und klimatischen Bedingungen hinzuweisen.
Nebenbei zeigt sich hier auch die Vernetzung sektoraler Zielsetzungen: Ausgangsstoffe für Torfersatz wie Grüngutkompost und Holzfasern, so stellt die Torfindustrie in Niedersachsen in einem Statement fest, könnten nicht mehr zu marktkonformen Preisen erworben werden. Grund: der durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz geförderten Einsatz in Biogasanlagen und die thermische Verwertung. Daher sei der Einsatz alternativer Stoffe rückläufig, es hätten sich in den vergangenen Jahren bereits Versorgungsengpässe ergeben. Ein Problem mehr, das das EEG geschaffen hat – Klimaschutz hier impliziert indirekt Klimaschäden dort. Das EEG liefert nicht nur diesbezüglich ein Paradebeispiel für eine kurzsichtige, die Wechselwirkungen und Vernetzungen in ökologischen Systemen missachtende Politik.
Die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen handelt richtig, wenn sie die erst 2012 durch die Vorgängerregierung im Landesraumordnungsprogramm erfolgte Ausweisung von 21364ha neuer Vorranggebiete für die Torfgewinnung rückgängig macht; weitere 17000 ha bereits genehmigter Torfabbau, teilweise bis zum Jahr 2060, sollen davon unberührt bleiben. Das allein aber genügt nicht: Es bedarf verstärkter Forschung nach Torf-Ersatzstoffen, ganz besonders des Einsatzes von Hydrokohle aus Hydrothermaler Carbonisierung (HTC). Es kann doch nicht sein, dass der Salat nur im Torf wächst!
Hinzu muss aktiver Moor(boden)schutz kommen: Gerade in Niedersachsen, wo 12 % der gesamten Treibhausgasemission aus der Zerstörung von Mooren aufgrund von Torfabbau oder intensiver Landwirtschaft auf ehemaligen Abtorfungsflächen stammt, muss durch Wiedervernässung, Revitalisierung, Paludikulturen und klimaschonende Landwirtschaft gehandelt werden. Dazu bedarf es Geld – schade, dass dafür die neue Agrar-Förderperiode bei weitem nicht offensiv genug genutzt wird!
O schaurig ist's übers Moor zu gehen – so dichtete Annette von Droste-Hülshoff in „Der Knabe im Moor“. Heute ist's eher schaurig, wie unentschlossen der dringend nötige Ressourcenschutz umgesetzt wird. Der Moor(boden)schutz liefert ein eindrückliches Beispiel.
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