Wirksamkeit von Vogelabweisern an Hochspannungsfreileitungen
Abstracts
Durch einen Vorher-Nachher-Vergleich wurde in drei unterschiedlich strukturierten Gebieten mit unterschiedlichem Arteninventar die Wirksamkeit von am Erdseil der Hochspannungsfreileitungen angebrachten Schwarz-Weiß-Vogelabweisern untersucht. Für Gänse, Möwen, Wasservögel und Kormoran kann die Reduktion des Anflugrisikos bis über 90 % belegt werden. Diese hohe Effizienz kann durch gebiets- und/oder situationsspezifische Besonderheiten – wie bevorzugte Flugrichtungen (ggf. im Gegenlicht), Flughöhen bzw. Flugverhalten im Vergleich zur Leitung sowie Parallelleitungen – wenn diese nicht im gleichen Takt verlaufen und eine unterschiedliche Höhe aufweisen – zu Abweichungen nach unten führen.
Dennoch ist die Erdseilmarkierung im Regelfall als geeignete Maßnahme zur Minimierung sowohl im artenschutzrechtlichen Sinne als auch zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen im Sinne der FFH-Richtlinie anzusehen. Dieses muss jedoch für jeden Einzelfall unter Beachtung der diskutierten Aspekte fachlich begründet dargelegt werden. Neben einer Abschätzung des avifaunistischen Gefährdungspotenzials besteht die Möglichkeit, in besonders sensiblen Gebieten oder bei besonders sensiblen und seltenen Arten die Effizienz durch Maßnahmen wie engere Abstände der Markierungen, ergänzende Signalwirkungen sowie eine Reduzierung von Flugbewegungen durch verringerte Störungen im Gebiet zu steigern.
Effectiveness of Bird Deflectors At High-Voltage Energy Lines – Case studies and implications to minimise risk of collison
Using a before-and-after comparison the study investigated the effectiveness of black and white ‘bird-deflectors’ fixed at the ground wire in three different areas with differing habitats. For geese, sea gulls, waterfowl and cormorants the results showed a reduction of the collosion risk of more than 90 %. This high efficieny might be reduced if there are specific characteristics – such as preferred headings, perhaps even back light, height of the flight or behaviour compared to the course of the line, or parallel lines.
Nevertheless the marking of the ground wire is usually regarded as suitable measure for minimisation, in terms of legal species conservation as well as for the avoidance of significant impairment referring to the Habitats Directive. However, each individual case has still to be investigated and justified specifically in terms of the aspects addressed. Beside an assessment of the avifaunistic risk there is the option to improve the efficiency of the measures in very sensitive areas or for particularly rare species, e.g. by reducing the distance of the markings, additional signals and a reduction of flights by minimising disturbance in the area.
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1 Einleitung
Hochspannungsfreileitungen (HFL) stellen eine latente Gefahrenquelle für die Vogelwelt dar, da es hier zu Kollisionen mit den Seilen kommen kann. Stromschlag spielt an HFL keine Rolle. Aufgrund der Entfernung der spannungsführenden Teile kann ein Kurzschluss im Regelfall ausgeschlossen werden.
Ursprünglich ging man aufgrund älterer Untersuchungen von Avery (1978), Grosse et al. (1980), Heijnis (1980), Hoerschelmann et al. (1988) und Scott et al. (1972) grundsätzlich von sehr starken Beeinträchtigungen für die Vogelwelt aus, da bei diesen Untersuchungen teils mehrere Hundert Anflüge im Jahr/km ermittelt wurden. Eine darauf basierende Hochrechnung von Hoerschelmann et al. (1988) für Deutschland (West) führte demnach zu einem Wert von jährlich etwa 30 Millionen Opfern.
Neuere Untersuchungen, die speziell die Verhältnisse im Binnenland untersuchten, relativierten jedoch diese Ergebnisse (Bernshausen et al. 1997, Brauneis et al. 2003, Brauneis 2009, Gutsmiedel & Troschke 1997, Havelka & Görze 1997, Lösekrug 1997, Richarz & Hormann 1997). Zwar bestätigen sie die Aussagen für Gebiete mit großen Vogelkonzentrationen, betonen aber, dass eine pauschale Übertragbarkeit auf avifaunistisch weniger bedeutsame Flächen und damit auf weite Bereiche des Binnenlandes nicht gegeben ist. Hier hängt das Vogelschlagrisiko sehr stark ab von Topographie und Witterung sowie vom unterschiedlichen Verhalten der einzelnen Vogelgruppen.
Verursacht werden die Anflüge vor allem dadurch, dass die Seile der Leitung schlecht wahrgenommen werden können (Martin 2010), zumal in der vom Menschen unbeeinflussten Natur keine damit vergleichbaren horizontalen Strukturen im freien Luftraum vorkommen, auf die sich Vögel im Laufe der Evolution rezeptiv hätten einstellen können.
Aus diesem Grund wurden in einigen Gebieten schon seit längerer Zeit Leitungen markiert, um deren Sichtbarkeit zu erhöhen, so dass die Vögel diese früher wahrnehmen und entsprechend ausweichen können (Hölzinger 1987, Koops 1997). Die Markierungen werden üblicherweise am über die Mastspitze verlaufenden Blitzschutzseil (Erdseil) angebracht, da die meisten Vögel versuchen Leitungen zu überfliegen.
In Rahmen eines Forschungsprojekts, das unter Regie der Staatlichen Vogelschutzwarten (Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg) im Versorgungsbereich der RWE Energie, heute Amprion und RWE Deutschland, durchgeführt wurde (Richarz & Uther 1998), wurden – neben einer flächigen Ermittlung besonders stark betroffener Gebiete (Bernshausen et al. 2000, 2007) – auch neue, speziell für Vögel geeignete Leitungsmarkierungen entwickelt (Baumgärtel et al. 1997, Haack 1997a; Vogelschutzfahne mit beweglichen schwarz/weißen Markierungslaschen für Erdseile und Freileitungen der Fa. RIBE, Abb. 1). Leitungen in allen konfliktreichen Gebieten im Versorgungsbereich beider Unternehmen wurden seitdem mit diesen Markierungen ausgestattet (Bernshausen et al. 2007).
Hierzu wurden spezielle Effizienzkontrollen in drei Gebieten durchgeführt (Abb. 2). Dies betrifft einerseits zwei seit längerer Zeit abgeschlossene Studien vom Unteren Niederrhein (Nordrhein-Westfalen) als europaweit bedeutsames Rastgebiet insbesondere von Gänsen (Doer et al. 2009) und vom Alfsee (Niedersachsen) als national bedeutsames Überwinterungsgebiet insbesondere von Möwen (Melter & Schreiber 2000), sowie aktuelle Untersuchungen im Bereich der Lippeaue (Nordrhein-Westfalen). Infolge des geplanten Netzausbaus im Hochspannungs- und Höchstspannungsbereich hat der Vogelschutz durch Seilmarkierungen neuerdings besondere Aktualität erlangt. Die zeitversetzt von 1999 bis 2012 durchgeführten Studien stellen in ihrer Gesamtheit die umfangreichste Untersuchung zum Vogelverhalten an HFL und zur Effizienz von Vogelschutz-Markierungen dar. Durch die folgende zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse aus bislang unveröffentlichten Gutachten für drei Untersuchungsgebiete (UG) sollen Möglichkeiten der Risikominimierung für Vögel im Bereich von Freileitungen zusammen mit der Notwendigkeit einer differenzierten Herangehensweise zur Problemlösung aufgezeigt werden.
2 Effizienzkontrollen am Unteren Niederrhein
2.1 Grundlagen und Methode
Die ersten Untersuchungen wurden im Bereich des Unteren Niederrheins durchgeführt, weil sich hier das bedeutendste nordrhein-westfälische Überwinterungsgebiet arktischer Gänse mit bis zu 240000 zeitgleich rastenden Individuen (Doer & Wille 2013) befindet, für die ein hohes Anflugrisiko bekannt ist. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden jeweils strukturell vergleichbare Abschnitte mit bzw. ohne Markierung betrachtet und miteinander verglichen, um Aussagen über die Effizienz der Erdseilmarkierungen treffen zu können.
Intensive Untersuchungen fanden im Winter 1999/2000 von Ende November bis Ende Februar in zwei Bereichen statt, dem Reeser Eyland (Rheinquerung südlich Rees) und dem Reeser Meer, da diese Bereiche von Vögeln in hoher Anzahl und regelmäßig genutzt oder auf ihren Flügen von ihren Schlafplätzen zu ihren Nahrungsgebieten gequert werden. Es erfolgten wöchentlich zwei Zählungen, wobei mit Ausnahme der Mittagszeit den ganzen Tag über beobachtet und das Flugverhalten im Umfeld der Leitung registriert wurde (Sudmann 2000).
Vergleichende Untersuchungen wurden an der 450m langen Rheinquerung bei Emmerich durchgeführt, da die beiden Masten hier eine Höhe von 100m haben, sodass die Erd- und Leiterseile zu beiden Seiten stark ansteigen (Masthöhen lediglich ca. 35m). Im über den Rhein verlaufenden Abschnitt ist das Erdseil mit Radarreflektoren versehen, die anderen Abschnitte wiesen keine Markierungen an den Seilen auf. Hier erfolgten die Beobachtungen Anfang Februar in den ersten Morgenstunden während des Abfluges von den Schlafplätzen.
Als wesentliche relevante Größen wurden erfasst:
Anflughöhe im Verhältnis zur Trasse [unter Leitungsseilen, Höhe unterstes Leitungs- bis Erdseil, über Erdseil, in größerer Höhe];
Reaktionen der Vögel auf die Trasse – teilt sich der Trupp auf? [nein, ja mit Anzahlen und ggf. Fallunterscheidung]:
– wird ein Ausweichmanöver durchgeführt? [ja, nein];
– drehen die Vögel ganz ab? (Trasse wird nicht gequert) [nein, ja mit Richtungsangabe];
– steigen die Vögel auf? [nein, leicht, kraftvoll];
Trassenquerung [unter Leitungsseilen, Höhe unterstes Leitungs- bis Erdseil, über Erdseil, in größerer Höhe, welches Spannfeld];
bei Kollisionen:
– Anzahl der Vögel;
– wo befanden sich die Vögel im Trupp? [vorne, Mitte, hinten];
– Kollision mit welchem Seil?;
– Schaden am Vogel;
Witterungsverhältnisse.
2.2 Ergebnisse
2.2.1 Flugverhalten
Abb. 3 zeigt, dass die Seile der Emmericher Rheinquerung über die von den Gänsen auf den kurzen Flügen zwischen Schlaf- und Äsungsplatz aufgenommene Flughöhe hinausragen. Lediglich 10 % aller anfliegenden Gänse befanden sich bereits auf einem Niveau oberhalb des Erdseils. 90 % mussten vor der Überquerung Höhe gewinnen, wurden also zu direkten Reaktionen auf die Freileitung gezwungen. Über 97 % der Gänse überflogen die Seile, obwohl eigentlich ein gefahrloses Unterfliegen möglich war. Die Gänse scheuen offensichtlich davor zurück, ein potenzielles Hindernis zu unterfliegen und nehmen lieber einen Umweg in Kauf. Die wenigen Gänse, die beim Unterfliegen der Freileitung beobachtet wurden, waren vermutlich durch die gerade aufgegangene und in direkter Flugrichtung stehende Sonne geblendet und könnten deshalb die Leitungen nicht gesehen haben.
Bei der niedrigeren Rheinquerung bei Rees befanden sich wesentlich mehr Gänse beim Anflug bereits oberhalb des Erdseils. Auch an dieser Freileitung wurden die Leiterseile nur in sehr geringem Umfang unterflogen. Am seltensten geschah dies am Reeser Meer, wo die Seile am niedrigsten verlaufen. Mit abnehmender Leitungshöhe verlaufen die Flugrouten häufiger oberhalb des Erdseils, sodass die Trassen geringere Hindernisse darstellen. Am Reeser Meer betraf dies fast ausschließlich in unmittelbarer Nähe der Freileitung von Äsungsflächen auffliegende Gänse.
In direkter Korrelation zur Anflughöhe an die Freileitungen steht auch der Anteil der vertikalen Ausweichbewegungen. Darunter werden alle aufwärts gerichteten Flugbewegungen verstanden, durch die die Gänse auf ein oberhalb des Erdseils liegendes Höhenniveau gelangen. Bei der höchsten Freileitung (Emmerich) zeigten über 90 % ein solches Aufsteigen, während es am Reeser Eyland knapp 50 % und am Reeser Meer nur 20 % waren. Eine seitlich gerichtete Ausweichbewegung zeigten an allen drei Standorten etwa 40 % der Gänse (Abb. 4).
2.2.2 Kollisionen
Im Winter 1999/2000 wurden insgesamt elf Kollisionen beobachtet, die zu 90 % an der nicht markierten HFL am Reeser Meer erfolgten. Darüber hinaus wurde im Rahmen der nur begrenzt durchgeführten Vogelschlagopfersuche weitere zwei Kadaver gefunden, die aus Kollisionen mit der Freileitung resultierten.
Die meisten Kollisionen (9) erfolgten mit dem Erdseil (1x Leiterseil, 1x unbekannt). Überproportional viele Kollisionen ereigneten sich an einem Abschnitt am Reeser Meer und auch die Anflugrichtung Nord war wesentlich häufiger vertreten als bei den insgesamt beobachteten Überflügen. Dies könnte darauf hindeuten, dass dieser Trassenabschnitt besonders problematisch beim Überflug ist, insbesondere bei nordöstlichem Anflug. Die kollidierten Gänse befanden sich zumeist vorne oder in der Mitte der Trupps, während die Truppgröße keine Rolle spielte. Ein Drittel der Kollisionen ereignete sich nach schreckhaften Aufflügen vom Boden bzw. als ein Gänsetrupp den Überflug erst im zweiten Anlauf versuchte. Am häufigsten berührten die Gänse die Freileitungsseile mit den Flügeln. Kollisionen mit anderen Körperteilen fanden deutlich seltener statt. Insgesamt können diese Beobachtungen auf Grund des geringen Stichprobenumfangs jedoch nur Hinweise darstellen.
Bei den Witterungsverhältnissen, die zum Zeitpunkt der Kollisionen geherrscht haben, fällt auf, dass die Hälfte der Zusammenstöße bei stärkerem Wind stattgefunden hat. Die Sichtverhältnisse waren in allen Fällen gut und Blendungen durch Gegenlicht können wegen des zu diesem Zeitpunkt bedeckten Himmels ausgeschlossen werden. Ein Zusammenhang mit einer bestimmten Tageszeit lässt sich ebenfalls nicht feststellen.
2.2.3 Auswirkungen der Markierungen
Das Anbringen der Markierungen am Erdseil am Freileitungsabschnitt Reeser Eyland hat sich außerordentlich positiv ausgewirkt. So ging die Anzahl der Kollisionen um 93 % zurück und tödliche Unfälle sogar um 96 %. Am weiterhin unmarkierten Abschnitt Reeser Meer wurden im Winter 1999/2000 insgesamt 10 Kollisionen beobachtet, was einem Schnitt von 0,42 pro Beobachtungstag, also dem fünffachen des markierten Trassenabschnitts entspricht. Ausgedrückt in Kollisionen pro Überflüge beträgt dieser Wert für den markierten Abschnitt Reeser Eyland 0,06‰ gegenüber 0,20‰ am Reeser Meer. Aus dem Zeitraum 1994–1996 liegen leider keine Angaben für die insgesamt stattgefundenen Überflüge vor, doch dürften sie in vergleichbarer Größenordnung wie im Winter 1999/2000 gelegen haben, da in beiden Perioden fast gleich viele Beobachtungstage absolviert wurden (1999/2000: 24 Tage, 1994–1996: 26 Tage nach Haack 1997b). Demnach lag in diesem Zeitraum der Anteil der Kollisionen pro Überflug zwischen 0,5 und 0,7‰, also ungefähr beim Zehnfachen. Damit hat sich die Markierung der Freileitung außerordentlich positiv auf die Verhinderung von Kollisionen durch anfliegende Gänse ausgewirkt (Tab. 1).
3 Effizienzkontrollen am Alfsee
3.1 Grundlagen und Methode
Das zweite Untersuchungsgebiet befand sich im Bereich des Alfsees, weil es sich hier um ein bedeutendes Überwinterungsgebiet vor allem für Möwen und Wasservögel handelt, für die ebenfalls ein hohes Anflugrisiko bekannt ist. Zudem ermöglichte die Lokalität vor Ort eine gezielte und effiziente Vogelschlagopfersuche, da der untersuchte Leitungsabschnitt als Ein- und Ausflugsschneise vom Schlafplatz zu den Nahrungsgebieten den Vorstau quert und dort die Kollisionsopfer am Ufer oder im Genist des Rosts des Auslaufbeckens im Wesentlichen vollständig aufgefunden werden konnten. Das ist vor allem auch daher anzunehmen, da aasfressende Säuger nicht ans Ufer gelangen konnten und aasfressende Vögel (vor allem Möwen) diese Gewässer kaum nutzten.
Bei dieser Untersuchung erfolgte ein Vorher-Nachher-Vergleich. Die Freilanderfassungen ohne Markierung des Erdseils (Periode 1) fanden im Herbst 1999 (mit Ergänzungen im Frühjahr 2000) statt, der Vergleich nach Markierung des Erdseils (Periode 2) im Herbst 2004. Ergänzend kam eine Wärmebildkamera zum Einsatz, die eine Beobachtung auch während der Dämmerungs- und Nachtstunden ermöglichte. Die Erfassungen erfolgten zu Tageszeiten mit den meisten Vogelflugbewegungen. Sie wurden daher vor allem ab der späten Nacht bis in die Morgenstunden und wieder nachmittags bis in die frühen Nachtstunden durchgeführt. An einigen Tagen erfolgten auch Beobachtungen über den ganzen Tag hinweg.
Ergänzend wurden Flugverhaltensbeobachtungen durchgeführt, wobei Verhaltenskategorien gemäß Bernshausen et al. (1997) – und damit im Wesentlichen dieselben wie am Unteren Niederrhein – zu Grunde gelegt wurden. Dies betraf einerseits den Aspekt von Durchflugsbereich bzw. -höhe sowie den der Flugreaktion. Letztere wurden für eine effizientere Auswertung jeweils einer von vier Reaktionsstufen unterschiedlicher Intensität zugeordnet.
Da die Witterungsbedingungen das Kollisionsrisiko sehr stark beeinflussen (die meisten Anflüge erfolgen bei sehr schlechten Sichtverhältnissen und daher vor allem nachts, bei Nebel, starkem Regen oder Wind), wurden für eine aussagekräftige Interpretation der Daten auch die Witterungsbedingungen erfasst und für die Auswertung jeweils einer von drei Stufen (gut, schlecht oder sehr schlecht) zugeordnet. Im Hinblick auf den Vergleich der beiden Perioden soll gleich vorab darauf hingewiesen werden, dass die Witterungsbedingungen im Laufe der Periode 2 (nach der Markierung) insgesamt deutlich ungünstiger waren als während der Periode 1 (vor der Markierung).
3.2 Ergebnisse
3.2.1 Allgemeine Ergebnisse
Insgesamt wurden 48956 Individuen (Ind.) registriert. Pro Periode wurden jeweils mehr als 20000 Ind. beobachtet, so dass eine ausreichend große Stichprobe zur Verfügung stand. Mit Abstand am meisten wurden Möwen beobachtet, da am Alfsee zeitweise mehr als 10000 Ind. übernachten und den Untersuchungsbereich im Rahmen ihrer Schlafplatzflüge regelmäßig passieren. Weiterhin sehr häufig konnten Tauben, Stare und Entenvögel, insgesamt mit mehreren Tausend Ind. beobachtet werden. Auch für den Kormoran liegt für beide Perioden ausreichend Beobachtungsmaterial vor. Für die restlichen Artengruppen sind aussagekräftige Vergleiche schwierig, weil vergleichsweise wenige Beobachtungen vorliegen (Tab. 2).
3.2.2 Vogelschlagopfer
Während der Periode 1 (ohne Markierung) wurden insgesamt 28 Vogelschlagopfer (Anflüge oder Totfund im Vorstaubecken) ermittelt. Diese betrafen neun Möwen [5x Lachmöwen (Larus ridibundus), 1x Silbermöwe (hier: L. spec., denn zum Zeitpunkt der Untersuchung wurde noch nicht zwischen Silber- (L. argentatus), Mittelmeer- (L. michahellis) und Steppenmöwe (L. cachinnans) unterschieden), 3x ohne Artangabe, L. spec.], elf Entenvögel [je 2x Stock-, Löffel-, Tafel-, Reiherente (Anas platyrhynchos, A. clypetea, Aythya ferina, A. fuligula) und Blässhuhn (Fulica atra) sowie 1x ohne Artangabe], fünf Stare (Sturnus vulgaris), zwei Limikolen (1x Austernfischer (Haematopus ostralegus), 1x ohne Artangabe) und einen Wiesenpieper (Anthus pratensis). Dabei wurden 19 Totfunde registriert, neunmal wurden Kollisionen beobachtet, davon sechs am Erdseil und drei an den Leiterseilen. Nach der Markierung (Periode 2) wurden jedoch weder Anflüge, noch Totfunde registriert.
3.2.3 Flugverhalten, Beispiel Möwen
Etwa drei Viertel der Beobachtungen betraf Lachmöwen, die restlichen Beobachtungen vor allem Großmöwen, sowie einige Sturmmöwen (Larus canus).
Möwen fliegen in der Regel gemächlich. Im UG passieren sie den Bereich der HFL fast ausschließlich während der morgendlichen und abendlichen Ein- und Ausflüge vom bzw. zum Schlafplatz, häufig in größeren Trupps. Dabei wurde die Leitung größtenteils über dem Erdseil gequert, insbesondere bei den abendlichen Einflügen, bei denen die Möwen in der Regel aus etwas größeren Höhen einfliegen. Bei den morgendlichen Ausflügen flogen viele Möwen in diesem Bereich jedoch noch recht niedrig, so dass die Leitung eine richtige Barriere darstellt, die häufig nur mit bemerkbaren oder starken Reaktionen (ca. 60 %) überwunden werden kann. Daher liegt bei dieser Artengruppe der Anteil problematischer Flüge (zwischen den Seilen und ohne Passage) höher als im Durchschnitt für alle Arten.
Während ohne Markierung neun Kollisionen und Totfunde registriert wurden, wurden bei markiertem Erdseil keine mehr verzeichnet (Tab. 3). Ebenfalls veränderte sich das Flugverhalten vor der HFL deutlich. Starke Flugreaktionen verringerten sich um deutlich mehr als die Hälfte (von 25 % auf 10 %), bemerkbare Flugreaktionen gar um zwei Drittel (von 35 % auf 12 %). Dazu kam es, obwohl die Sichtbedingungen während der 2. Periode (59 %) deutlich schlechter waren als während der 1. Periode (30 %).
3.2.4 Flugverhalten, Beispiel Wasservögel
Hierunter wurden Enten, Taucher, Säger und das Blässhuhn subsummiert, von denen zwölf Arten registriert wurden. Davon war die Stockente mit >95 % mit Abstand die häufigste beobachtete Art.
Diese Wasservogelarten fliegen üblicherweise geradlinig und recht schnell. Im UG passieren sie den Bereich der HFL über den ganzen Tag hinweg. Dies betraf einerseits Tiere, die aus dem Gebiet ein- und ausflogen, andererseits aber auch welche, die sich tagsüber auf dem Alfsee und dem Vorstaubecken aufhielten. Dabei wurde die HFL größtenteils überflogen. Tiere, die sich auf der Wasserflächen aufhielten, flogen aber regelmäßig auch unter der Leitung hindurch (vor allem Blässhuhn, Zwerg- und Haubentaucher). Flüge zwischen den Seilen hindurch wurden nur ausnahmsweise beobachtet.
Während ohne Markierung elf Kollisionen und Totfunde registriert wurden, wurden bei markiertem Erdseil keine mehr verzeichnet (Tab. 4). Ebenfalls veränderte sich das Flugverhalten vor der HFL deutlich. Starke Flugreaktionen reduzierten sich auf ein Viertel (von 16 % auf 4 %), bemerkbare Flugreaktionen gar um ein Drittel (von 37 % auf 24 %). Dazu kam es, obwohl die Sichtbedingungen während der 2. Periode schlechter waren als während der 1. Periode (Anteil der Flüge bei sehr schlechten Bedingungen 21 % während der Periode 1 gegenüber 28 % während der Periode 2).
3.2.5 Fazit
Als entscheidendes Maß ist die Anzahl an Kollisionen bzw. Totfunden zu Grunde zu legen. Für dieses Kriterium kam es zu einem eindeutigen Ergebnis: Während ohne Markierung der Leitung 28 Vogelschlagopfer ermittelt wurden, konnte nach der Markierung kein einziges Opfer mehr registriert werden.
Selbst unter der konservativen Annahme, dass etwa 10 % der Opfer nicht gefunden werden konnten, wurde das Kollisionsrisiko durch die Markierungen somit um mehr als 90 %, wahrscheinlich jedoch um mehr als 95 % gesenkt.
Zu der vorgenannten 10- %-Annahme ist zu erläutern: 28 Opfer vor der Markierungen führen unter Berücksichtigung einer Fehlerquote von etwa 10 % zu drei nicht gefundenen Opfern (= insgesamt 31 Opfer). Im sehr konservativen Ansatz wird für die Periode nach der Markierung ebenfalls von maximal drei nicht gefundenen Opfern ausgegangen.
Die Ursache für die deutliche Reduzierung des Vogelschlagrisikos lässt sich sehr gut anhand der Analyse des Flugverhaltens ableiten. Für alle Vogelgruppen mit hoher Aussagekraft (Möwen, Enten, Kormoran) lassen sich gleichermaßen zwei Phänomene beobachten: Einerseits reduzierte sich im Vergleich zu vorher die Anzahl der kritischen Flugbewegungen nach Markierung auf nur etwa ein Drittel, gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Querung über dem Erdseil um etwa 10–20 % (s. Tab.2 bis 4). Daraus ist zu folgern, dass die Vögel die Leitung durchschnittlich früher wahrnehmen konnten, so dass es zu weniger kritischen Nahreaktionen kam, und es somit für die Vögel leichter war, die Leitung über dem Erdseil zu passieren.
4 Effizienzkontrollen in der Lippeaue
4.1 Grundlagen und Methode
Die dritte Untersuchung wurde im Bereich der Lippeaue im Bereich östlich Hamm (Nordrhein-Westfalen) durchgeführt, nachdem sich hierzu das Erfordernis im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens ergab. Das Untersuchungsgebiet „Lippeaue“ ist ein überregional bedeutsames Auengebiet, in dem das typische Inventar an feuchtgebietsgebundene Vogelarten vorkommt (Köpke et al. 2000, Pott 2002-2010). Deren Auftreten wiederum ist jedoch stark wasserstandabhängig.
Auch bei dieser Untersuchung erfolgte ein Vorher-Nachher-Vergleich, bei dem die Effizienz der Markierungen mittels einer intensiven Vogelschlagopfersuche, ergänzt durch ausgedehnte Flugverhaltensbeobachtungen, vergleichend bearbeitet werden konnte. Dies war möglich, weil sich direkt neben der geplanten Leitung bereits eine HFL in paralleler Trassenführung befand.
Dazu fand in einer ersten Bearbeitungsphase zwischen Oktober 2006 und August 2007 eine intensive Vogelschlagopfersuche statt, wobei ein größerer, stark von Freileitungen durchzogener Bereich der Lippeaue (sieben Leitungen, teilweise in Parallelführung mit ca. zehn Trassenkilometern) bearbeitet wurde. Ab April 2008 wurden diese Untersuchungen wieder aufgenommen und durch Flugverhaltensbeobachtungen ergänzt (Verhaltenskategorien identisch wie am Alfsee, s. Kap. 3), jedoch nur im Bereich einer die Aue querende Freileitung (Länge 1 km). Diese Erhebungen dienten als Referenz zur Ermittlung des Anflugrisikos ohne Markierung (Periode 1). Mitte Oktober 2008 erfolgte die Markierung des Erdseils dieser Leitung, wobei die Erhebungen kontinuierlich bis Oktober 2010 weitergeführt wurden (Periode 2). Der Bau einer neuen parallel verlaufenden Leitung, deren Erdseil ab Bau markiert wurde, erfolgte im Oktober 2010. Die Untersuchungen wurden ab diesem Zeitpunkt wieder aufgenommen und durchgängig bis Oktober 2012 durchgeführt (Periode 3).
Zur Vogelschlagopfersuche wurden sechs Begehungen je Monat mit einer Erfassungsintensität von etwa 1 km/h durchgeführt, die Flugbeobachtungen erfolgten dreimal monatlich je sechs Stunden. Auch wenn bei der Vogelschlagopfersuche somit keine vollständige Erfassung gewährleistet werden konnte (vgl. Friedrich 1997, Schicker 1997), ist im Hinblick auf die Ermittlung der Effizienz der Markierung jedoch nur der relative Vergleich zwischen den beiden Perioden mit identischer Methode in Verbindung mit einer ausreichend langen Beobachtungsperiode nötig. Beides war in ausreichendem Maße gegeben.
4.2 Ergebnisse
4.2.1 Vogelschlagopfersuche
In der ersten Bearbeitungsphase (Oktober 2006 und August 2007) wurden bei 82 Begehungen insgesamt 226 Anflugopfer registriert, wobei die Hälfte der Anflugopfer Tauben betraf (Tab. 5). Daraus ließ sich eine jährliche Anflugrate von 271 Ind./Jahr/10 km ermitteln. Da die Erhebungen jedoch nicht ganzjährig erfolgten und erfahrungsgemäß die Anflugrate außerhalb der Brutzeit etwas höher liegt (Bernshausen et al. 1997), wurde aus den Ergebnissen ein Wert von ca. 30 Anflugopfer/Jahr/Trassen-km abgeleitet.
Dieser Wert konnte in den darauffolgenden Untersuchungen (April bis Oktober 2008) bestätigt werden, da in dieser Phase ohne Markierung 14 Anflugopfer gefunden wurden, woraus sich eine Kollisionsrate von 28 Ind./Jahr/km ableiten ließ. Da hier die Erhebungen zu gleichen Anteilen während bzw. außerhalb der Brutzeit durchgeführt wurden, kann dieser Wert als repräsentativ angesehen werden, auch wenn es sich um einen vergleichsweise kurzen Erfassungszeitraum handelt.
Nach der Markierung des Erdseils wurden in der Periode von Mitte Oktober 2008 bis Mitte Oktober 2010 25 Ind. in 24 Monaten und somit eine Kollisionsrate von ca. 12,5 Ind./Jahr/km ermittelt. Anhand dieser Ergebnisse ist somit davon auszugehen, dass die Markierung des Erdseils im Bereich der Freileitung (Nr. Bl. 4543) zu einer Reduktion des Kollisionsrisikos von knapp 60 % geführt hat.
Nach dem Bau der neuen parallel verlaufenden Freileitung reduzierte sich die Effizienz jedoch wieder, da während der Periode Mitte Oktober 2010 bis Mitte Oktober 2012 insgesamt 50 Anflugopfer gefunden wurden. Für diese Phase konnte somit eine Reduktion von nur 17 % ermittelt werden. Unter Beachtung der gesamten Periode nach der Markierung der ersten Leitung im Oktober 2008 gab es eine Reduktion um 37 %.
4.2.2 Flugverhalten
Die Ergebnisse zum Flugverhalten zeigen keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Perioden. Sowohl die relative Verteilung der Flughöhe (Tab. 6) als auch die relative Verteilung der Flugreaktionen (Tab. 7) besitzen sehr ähnliche und damit absolut vergleichbare prozentuale Verteilungen. Daraus lassen sich folgende Schlussfolgerungen ableiten:
Nur etwa die Hälfte aller Individuen quert die Leitung über dem Erdseil, was als klarer Hinweis zu werten ist, dass der Großteil der Flugbewegungen Vögel betrifft, die sich innerhalb des Gebietes aufhalten.
Dass sich dieser Wert in den letzten Jahren zudem leicht reduziert und sich hingegen der Wert „unter der Leitung“ leicht erhöht hat, ist als Hinweis zu nehmen, dass sich der Anteil im UG rastender, aufhaltender und hin und her fliegender Vögel sogar erhöht hat, was auch durch die Ergebnisse der Rastvogelerfassungen bestätigt wurde (RegioKonzept 2013).
Die relativen Anteile der Reaktionsintensität blieben ebenfalls weitgehend unverändert.
Die Gesamtheit der Daten zeigt somit insbesondere im Vergleich mit anderen Gebieten einen sehr niedrigen Anteil von Flugbewegungen über dem Erdseil. Dies wäre eine Erklärung für die vergleichsweise geringere Effizienz der Markierungen im UG, da diese üblicherweise am Erdseil angebracht sind. Jedoch spielen hier auch weitere Aspekte eine Rolle:
In der Lippeaue sind vor allem Tauben (Ringel- und Haustauben) betroffen, die insgesamt einen Anteil von fast zwei Dritteln (63 %) aller Anflugopfer betragen, obwohl ihre Abundanz im Vergleich zu den anderen Arten deutlich niedriger liegt. Eine Analyse der Entwicklung der Brut- und Rastbestände der anderen Vogelarten zeigt zwar bei einigen Arten deutliche Zunahmen, die jedoch in keinerlei Zusammenhang mit der Zunahme der Anflugopfer gesetzt werden können.
Entscheidende Größe für die Gesamtbetrachtung und Beurteilung der Effizienz der Markierungen bleibt somit die Ringeltaube. Für alle restlichen Arten können aus naturschutzfachlicher Sicht insgesamt höhere Anflugraten ausgeschlossen werden. Warum die Markierungen im Fall dieser Art eine vergleichsweise geringe Effizienz entfalten, ist unklar. Hinweise geben die artspezifischen Angaben zum Flugverhalten: Während bei der Ringeltaube in der Auswertungsperiode 1 (im Vergleich zu allen Arten) ein relativ hoher Anteil der Flugbewegungen über dem Erdseil erfolgte (62,0 %), reduzierte sich dieser Wert nach der Markierung auf 51,7 %, was eine höhere Anflugrate in gewissen Grenzen erklären könnte. Dabei senkte sich der Anteil der „starken Reaktionen“ auf nur noch 7,9 % im Vergleich zu 31,2 % während der vorherigen Auswertungsperiode 1.
Dies auf den ersten Blick paradox erscheinende Phänomen lässt sich vermutlich folgendermaßen erklären: Zu starken Reaktionen kommt es vor allem dann, wenn die Tauben die Leitungen wahrgenommen haben und diese, wie üblich über dem Erdseil passieren wollen, dann aber insgesamt seltener kollidieren; im anderen Fall scheinen sie „einfach“ quer durch die Seile zu fliegen, ohne größere Reaktion, letztlich aber mit einer höheren Anflugrate. Warum während der 2. Periode aber mehr Flugbewegungen zwischen den Seilen erfolgten, bleibt unklar. Vielleicht besaß das UG auch für die Ringeltaube in dieser Phase eine bessere Nahrungsverfügbarkeit, was aber angesichts des deutlich geringeren Bestandes (nur ca. ein Viertel des Bestandes im Vergleich zur Periode 1) ebenfalls fragwürdig bleibt.
Ergänzend dürften jedoch auch folgende Aspekte die geringe Effizienz beeinflussen:
Der Nord-Süd-Verlauf der Leitung bedingt, dass die Querung häufig im Gegenlicht bei tief stehender Sonne (in Ost- bzw. Westrichtung) erfolgen muss, wobei nicht nur die Leitung selbst, sondern auch die Markierungen insgesamt schlechter wahrgenommen werden können und eine geringere Effizienz entfalten.
Zwei Leitungen (wenn auch parallel in Bündelung) führen insgesamt zu einem höheren Anflugrisiko als vorher angenommen, insbesondere wenn die Leitungen nicht im gleichen Takt verlaufen und unterschiedlich hoch sind. Die gilt vor allem dann, wenn viele Flugbewegungen innerhalb des Gebiets mit einem vergleichsweise hohen Anteil zwischen den Seilen erfolgen.
Unter der Annahme, dass die zweite Leitung ohne Markierung theoretisch doch bis zu einer Verdopplung der Anflugzahlen führt, wären ohne Markierung 60 Anflüge/Jahr zu erwarten (dazu liegen jedoch keine Vergleichswerte vor). Dann führt die ermittelte Zahl von 19 Ind./Jahr doch wieder zu einer Reduzierung um gut zwei Drittel (68 %).
5 Diskussion und Ausblick
Die Studien in den drei unterschiedlich strukturierten Untersuchungsgebieten und mit unterschiedlichem Arteninventar haben gezeigt, dass die Markierung des Erdseils im Regelfall zu einer Reduktion des Anflugrisikos bis über 90 % führen kann. Klar belegt wurde dies für Gänse, Möwen, Wasservögel und den Kormoran, es ist aber auch für die anderen Arten anzunehmen. Das bestätigen die Ergebnisse von Koops (1997) in den Niederlanden mit einer Wirksamkeit von etwa 90 % vor allem für Wiesenvögel und Schwäne, auch Brieftauben (hier wurden Kunststoffspiralen in sehr kurzen Abständen von je 5m aufgehängt).
Auch Brauneis et al. (2003) und Brauneis (2009) konnten bei einem Vergleich benachbarter Leitungsabschnitte mit bzw. ohne Markierung (lappenförmige Armaturen) eine Reduktion des Kollisionsrisikos um etwa 95 % ermitteln. Von guten Erfolgen (genaue quantitative Angaben fehlen) mit den Insulokbändern zum Schutz des Weißstorches berichtete ebenfalls Fangrath (2004).
Die Untersuchungen in der Lippeaue haben aber auch gezeigt, dass eine so hohe Effizienz nicht in allen Fällen anzunehmen ist, sondern dass auch sie – ähnlich wie das Gefährdungspotenzial – situationsabhängig variieren kann. Im Gegensatz zu den bisher vorliegenden Erkenntnissen sind deshalb folgende neue Aspekte im Hinblick auf die Effizienz der Markierungen zu beachten:
Das Flugverhalten der Arten im Gebiet im Bereich der Leitung ist zu berücksichtigen. Dies betrifft einerseits die bevorzugte Flugrichtung (ggf. im Gegenlicht), andererseits die Flughöhe bzw. das Flugverhalten im Vergleich zur Leitung.
Parallelleitungen sind offensichtlich problematischer einzuschätzen als bisher angenommen, zumindest wenn sie nicht im gleichen Takt verlaufen und eine unterschiedliche Höhe aufweisen.
Gleichwohl ist die Erdseilmarkierung im Regelfall als geeignete Maßnahme zur Minimierung sowohl im artenschutzrechtlichen Sinne als auch zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen im Sinne der FFH-Richtlinie anzusehen. Dies gilt jedoch nicht grundsätzlich, sondern muss für den Einzelfall – unter Beachtung der hier diskutierten Aspekte – fachlich begründet dargelegt werden. Dazu ist vor allem das zu erwartende avifaunistische Gefährdungspotenzial abzuschätzen, wobei die von Bernshausen et al. (2000) dargestellten Kriterien für das Kollisionsrisiko zu Grunde gelegt werden können. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, in besonders sensiblen Gebieten oder bei besonders sensiblen und seltenen Arten die Effizienz durch folgende Maßnahmen zu steigern:
engere Abstände zwischen den Markierungen als die meist üblichen 25m,
ergänzende Signalwirkung (UV, akustische Signale)
indirekte Reduzierung von Flugbewegungen durch Reduzierung von Störungen.
Hiermit liegt nun erstmals eine zusammenfassende Studie zur Effizienz der speziell entwickelten Vogelschutzmarkierungen (Vogelschutzfahne mit beweglichen schwarz/weißen Markierungslaschen für Erdseile und Freileitungen der Fa. RIBE) vor (Bernshausen et al. 2007). Die dazu bisher vorliegende Informationslücke (vgl. APLIC 2012) ist somit geschlossen.
Weitere Hinweise zum Kollisionsrisiko einzelner Arten sowie die Möglichkeiten und Grenzen der Minimierung durch Vogelmarker wird die Veröffentlichung des VDE/FNN „Hinweise zu Vogelschutzmarkierungen beim Neubau von Hoch- und Höchstspannungsfreileitungen“ enthalten (2014, in Vorb.).
Dank
Allen Personen, die bei den Erfassungen vor Ort mitgewirkt haben, sei herzlich gedankt: Silke Hüppeler, Thomas Isselbächer, Sabine Klostermann, Axel Müller, Wolfgang Pott, Heiko Sawitzky, Jürgen Schicker und Marion Weber. Gleiches gilt alle, die hinter den Kulissen mitgewirkt haben: Martin Hormann, Karsten Gerland, Martin Schnell und Dirk Uther.
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Anschriften der Verfasser: Frank Bernshausen, Planungsgruppe für Natur und Landschaft, Raiffeisenstraße 5, D-35410 Hungen, E-Mail frank.bernshausen@pnl-hungen.de; Dr. Josef Kreuziger, Gartenstraße 22, D-64673 Zwingenberg, E-Mail j.kreuziger@gmx.de; Dr. Klaus Richarz, Oberstadt 19, D-35423 Lich, E-Mail drklausricharz@aol.com; Stefan R. Sudmann, Eickestall 5, D-47559 Kranenburg, E-Mail sterna.sudmann@t-online.de.
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