Verordnungsentwurf der Kommission zu invasiven Arten enttäuscht
Am 09. September hat die Europäische Kommission den Entwurf einer Verordnung „über die Prävention und die Kontrolle der Einbringung und Verbreitung invasiver gebietsfremder Arten“ (COM(2013) 620 final) vorgestellt. Wie in Heft 5 (S. 130-131) geschildert, hatte sich die Kommission im Rahmen eines der sechs Schwerpunktziele der EU-Strategie zum Schutz der biologischen Vielfalt bis 2020 eigentlich verpflichtet, dieses Papier bis Dezember 2012 vorzulegen, damit es in dieser Legislaturperiode noch abschließend von Ministerrat und Europäischem Parlament beraten und beschlossen werden kann.
- Veröffentlicht am
Rat und Parlament hatten in ihren Beschlüssen zum Schutz der Biologischen Vielfalt mehrfach unterstrichen, dass EU-weite einheitlichen Mindeststandards zur Vorbeugung der Einwanderung neuer invasiver Arten, zur Früherkennung und schnelleren abgestimmten Reaktion sowie besseren Kontrolle und Minderung von wirtschaftlichen und ökologischen Schäden durch invasive Arten dringend erforderlich sind. Zudem hatten sich die Vertragsstaaten der Konvention über Biologische Vielfalt (CBD), darunter alle EU-Mitgliedstaaten, insbesondere in Artikel 8h der Konvention bereits 1992 völkerrechtlich dazu verpflichtet, die Einwanderung neuer invasiver Arten zu verhindern sowie bereits eingewanderte Arten besser zu kontrollieren und nachgewiesenermaßen schädliche Arten zu tilgen („Prevent the introduction of, control or eradicate those alien species which threaten ecosystems, habitats or species“).
In ihrem Verordnungsentwurf versucht die Kommission diesen komplexen Anforderungen gerecht zu werden, nachdem sie einleitend in der Begründung des Vorschlages den vorhandenen rechtlichen Rahmen und die bei der bisherigen Diskussion seit 2008 erörterten Handlungsoptionen darlegt. Aufgrund der bekannten gravierenden ökologischen, ökonomischen und gesundheitlichen Probleme durch invasive Arten kommt sie zu dem Schluss, dass die sogenannte „Option 2.4“ am zielführendsten sei, die einen Basisrechtsakt in Verbindung mit einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur sofortigen Tilgung sich neu etablierender invasiver gebietsfremder Arten vorsieht, sofern diese von EU-weiter Bedeutung sind. Herzstück des Verordnungsentwurfs sind die Kapitel II (Prävention), III (Früherkennung und sofortige Tilgung) sowie IV (Kontrolle bereits weit verbreiteter invasiver gebietsfremder Arten).
Bereits der in Artikel 2 vorgeschlagene Geltungsbereich lässt jedoch befürchten, dass die geplante Verordnung zumindest in der von der Kommission empfohlenen Form erhebliche Lücken aufzeigen könnte. So soll die Verordnung beispielsweise Arten, deren Verbreitungsgebiet sich ohne menschliches Einwirken ändert, etwa durch den Klimawandel, nicht erfassen. Die rasante Ausbreitung des Asiatischen Tigermoskito, der Gelbfieber und andere Krankheiten überträgt und sogar in der Pressemeldung der Kommission als Beispiel für eine problematische invasive Art genannt wird, müsste also von den Mitgliedstaaten weder dokumentiert noch bekämpft werden. Auch genetisch veränderte Organismen oder in Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 708/2007 gelistete gebietsfremde Arten in der Aquakultur, etwa Pazifische Auster und Regenbogenforelle, sollen nicht von den Bestimmungen erfasst werden.
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt ist, dass die Liste invasiver gebietsfremder Arten von EU-weiter Bedeutung gemäß Artikel 4 auf maximal 50 Arten beschränkt werden soll, weitere Arten können nur aufgrund von „Dringlichkeitsmaßnahmen“ hinzukommen (Art. 9). Angesichts der Tatsache, dass die Kommission selbst von mehr als 12000 gebietsfremden Arten in der EU ausgeht, von denen etwa 15 % als invasiv eingeschätzt werden, ist diese Beschränkung selbst mit der Begründung mangelnder Kapazitäten nicht zu akzeptieren, zumal die Mitgliedstaaten die Aufnahme invasiver Arten nur mit vollständiger Risikobewertung beantragen können, also einen Großteil der Arbeiten übernehmen sollen. Für die Regionen „in äußerster Randlage“, die für die biologische Vielfalt eine besondere Bedeutung haben, sollen die betroffenen Mitgliedstaaten wie etwa Frankreich die Listen sogar vollständig selbst erarbeiten und bei der Kommission notifizieren.
Auch hinsichtlich der Verbote zur Einbringung invasiver Arten (Art. 7), der Beschränkung absichtlicher Freisetzungen (Art.10) und der Aktionspläne zur Feststellung und Kontrolle der Einschleppungspfade (Art.11) hätte man sich ein ambitionierteres Vorgehen, einen ambitionierteren Zeitplan und eine striktere Anwendung des Verursacherprinzips gewünscht. Das gilt zumal aus deutscher Sicht, da §40 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) hierzu praktikable Vorlagen und mit §69 auch Vorlagen für wirksame Sanktionsmöglichkeiten bietet.
Positiv zu bewerten sind die Vorschläge für die amtlichen Kontrollen an den EU-Außengrenzen (Art.13), für die sofortige Tilgung in frühen Phasen der Invasion (Art.15) sowie für koordinierte Kontrollmaßnahmen (Art.17) und die Wiederherstellung von durch invasive Arten geschädigten Ökosystemen (Art.18). Auch der von der Kommission vorgeschlagene Mechanismus zur Informationsunterstützung und der besseren Verknüpfung vorhandener Datensysteme (Art. 20) sowie die geplante Beteiligung der Öffentlichkeit (Art. 21) sind zu unterstützen.
In der Gesamtbewertung besteht somit für die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament nicht nur die Chance, sondern die dringende Notwendigkeit zur Nachbesserung des Vorschlags. Das gilt nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass schon die von der Kommission in ihren Hintergrundinformationen und im Verordnungsvorschlag genannten ökonomischen Schäden von mindestens 12 Mrd. Euro pro Jahr als zu gering angesehen werden dürften. Neuere Studien etwa des UFZ gehen allein für die Beifuß-Ambrosie von gesundheitlichen Folgekosten von 200 Mio. bis über 1 Mrd. Euro pro Jahr allein für Deutschland aus. Zügige Beratungen unter litauischer und griechischer Ratspräsidentschaft bis zu den Neuwahlen des EP im Mai 2014 vorausgesetzt, könnte die Verordnung frühestens 2015 in Kraft treten.
Link zur Pressemeldung der Europäischen Kommission vom 09. September 2013:
http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-818_de.htm
Link zum Entwurf der Verordnung COM(2013) 620 final und Hintergrundinformationen:
http://ec.europa.eu/environment/nature/invasivealien/in dex_en.htm
Claus Mayr, NABU, Direktor
Europapolitik, Brüssel, Claus.Mayr@NABU.de
Barrierefreiheit Menü
Hier können Sie Ihre Einstellungen anpassen:
Schriftgröße
Kontrast
100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot
Als Abonnent:in von Naturschutz und Landschaftsplanung erhalten Sie pro Kalenderjahr 100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot im Grünen Stellenmarkt.
mehr erfahrenNoch kein Abo? Jetzt abonnieren und Rabatt für 2025 sichern.
zum Naturschutz und Landschaftsplanung-Abo
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.