Vilmer Visionen zur Landschaftsplanung
Zehn Jahre nach Formulierung der an Planungspraxis und Fachpolitik adressierten „Vilmer Visionen zu Landschaftsplanung“ im Jahr 2002 haben sich Experten erneut in der internationalen Naturschutzakademie auf der Insel Vilm getroffen. Seither haben sich für die Landschaftsplanung zahlreiche neue Herausforderungen ergeben, zum Beispiel durch Klimawandel und demographischen Wandel sowie neue Rahmenbedingungen. Experten trafen sich vor diesem Hintergrund erneut auf der Insel und stellten die „Vilmer Visionen 2012“ auf. Nachfolgend sind die wichtigsten Punkte im Telegrammstil zusammengefasst.
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Die Raum- und Landschaftsentwicklung steht vor vielfältigen Herausforderungen und Aufgaben. Insbesondere die Anforderungen im Kontext Klimawandel, der demographische Wandel sowie die Umsetzung der Energiewende führen zu einer weiteren Zunahme von Flächenkonkurrenzen und einer höheren Konfliktdichte bei raumrelevanten Nutzungsentscheidungen. Planungserfordernisse ergeben sich auch im Rahmen der Umsetzung der räumlichen Anforderungen der Biodiversitätsstrategie, der Freiraumsicherung und -entwicklung in Stadtregionen und generell im Umgang mit Landnutzungsansprüchen. Eine Lösung vieler räumlicher Zukunftsaufgaben ist ohne transparente Informations- und Zielgrundlagen zu Natur und Landschaft, die unter frühzeitiger Beteiligung der Bürger zu einer Gesamtschau verdichtet und umsetzungsorientiert aufbereitet werden, nicht denkbar. Hierbei kann die Landschaftsplanung als bewährtes und fortlaufend weiterentwickeltes zentrales räumliches Planungsinstrument des Naturschutzes und der Landschaftspflege einen wesentlichen Beitrag leisten.
1 Aktuelle Bedeutung der Landschaftsplanung
Die zentralen Kompetenzen der Landschaftsplanung liegen in einer Behandlung aller Schutzgüter des Naturschutzes und der Landschaftspflege und einer damit verbundenen umfassenden und integrativen Sicht auf die Landschaft,
in der fachlich begründeten Ableitung und Formulierung raumbezogener, innerfachlich abgestimmter Ziele und Zielkonzeptionen und der dafür erforderlichen Bewertungsmaßstäbe sowie im Bereich der Entwicklung konkreter, integrativer Maßnahmenkonzepte zur Erreichung dieser Ziele,
in der Vorbereitung des Einsatzes von Instrumenten der Naturschutzverwaltung, der Formulierung konkreter Anforderungen an die räumliche Gesamtplanung sowie der Benennung von Inhalten des Naturschutzes und der Landschaftspflege, die in anderen raum- und umweltrelevanten Aufgabenfeldern umzusetzen sind.
Landschaften als Ausdruck des europäischen Natur- und Kulturerbes stellen Schlüsselelemente dar, die wesentlich zur Herausbildung lokaler Kulturen beitragen. Sie müssen zum Bestandteil jeder Raum- und Stadtplanungspolitik, der Kultur-, Umwelt-, Landwirtschafts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik sowie anderer Politiken gemacht werden. Das zentrale Instrument hierfür ist die Landschaftsplanung.
Die formelle Landschaftsplanung hat für aktuelle Herausforderungen in den Bereichen Schutz und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt, Sicherung des Erholungswerts der Landschaften sowie Klimaschutz und Klimafolgenanpassung (z.B. durch Schutz und Regeneration von Moorböden, Wassermanagement, Reduzierung von Wärmeinseleffekten in Städten) eine herausragende Bedeutung.
Informelle Planungsansätze können die instrumentelle (formelle) Landschaftsplanung nicht ersetzen, aber vor dem Hintergrund der gestiegenen Bedeutung der kommunikativen Gestaltung von Planungsprozessen sinnvoll ergänzen. Ziel sollte ein fruchtbares und konstruktives Zusammenspiel zwischen formeller und informeller Planung sein.
Die Landschaftsplanung konkretisiert die räumlich relevanten Maßgaben internationaler Konventionen und unionsrechtlicher Maßgaben aus den einschlägigen Richtlinien und Verordnungen. Dieses gilt insbesondere für die stark verfahrensrechtlich geprägten, inhaltlich aber auf fachrechtliche Konkretisierung angelegten Richtlinien wie die SUP- und die UVP-Richtlinie.
Die deutsche Landschaftsplanung öffnet sich für innovative Ansätze aus anderen europäischen Ländern und wirkt an der europäischen Zusammenarbeit in den Grenzregionen sowie der Umsetzung europäischer Projekte mit. Von besonderer Relevanz sind in diesem Zusammenhang europäische Richtlinien und Konventionen.
2 Inhalte und Schwerpunkte auf den verschiedenen Planungsebenen
Um die Aufgaben der Landschaftsplanung auf allen Planungsebenen angemessen erfüllen zu können, ist aus fachlicher Sicht – mit Ausnahme der Stadtstaaten – weiterhin eine Dreistufigkeit der Landschaftsplanung erforderlich.
Um die notwendige Konkretisierung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege bundesweit zu gewährleisten, sind Planwerke der Landschaftsplanung, insbesondere auf der regionalen Ebene, flächendeckend erforderlich und regelmäßig fortzuschreiben. Zur Wahrung der Aktualität der Planungen sind auch bei Veränderungen ohne wesentliche Auswirkungen auf das gesamträumliche Zielkonzept inhaltliche oder räumliche Teilfortschreibungen möglich und notwendig. Das gilt auch, wenn der Planung zugrundeliegende Daten nicht mehr aktuell sind.
(a) Bundesebene: Die aktuellen Herausforderungen machen ein Fachkonzept des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf Bundesebene notwendig. Dieses kann auch als naturschutzfachliche Grundlage für raumbezogene Planungen des Bundes (z.B. Netzausbau, Bundesverkehrswegeplan) dienen und eine Klammer zwischen der europäischen Ebene und der Ebene der Bundesländer bilden.
(b) Landesebene: Das Landschaftsprogramm formuliert auf Ebene der Bundesländer unter Berücksichtigung der jeweiligen landesspezifischen Besonderheiten landesweite Leitbilder und Ziele für eine nachhaltige Landschaftsentwicklung.
(c) regionale Ebene: Die regionale Ebene ist die zentrale Ebene der Landschaftsplanung als Fachplanung des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Gleichzeitig qualifiziert die Landschaftsplanung hier Regionalplanung als wichtiges Steuerungsinstrument der raumbezogenen Gesamtplanung im Hinblick auf die Belange von Natur und Landschaft. Weiter profitieren andere raum- und umweltbezogene Aufgabenfelder von den Fachinhalten des Landschaftsrahmenplans. Ihm kommt daher als umfassendes naturschutzfachliches und intern abgestimmtes Ziel- und Maßnahmenkonzept des Naturschutzes und der Landschaftspflege eine besonders hohe Bedeutung zu.
(d) örtliche Ebene: Der kommunale Landschaftsplan konzentriert sich im Rahmen eines partizipativen und umsetzungsorientierten Planungsprozesses auf die Kompetenzen sowie die Problem- und Handlungsschwerpunkte der Kommune. Aktuelle Herausforderungen erhöhen den Bedarf für eine interkommunal abgestimmte, inhaltlich qualifizierte örtliche Landschaftsplanung, die durch eine entsprechende Landesförderung zu unterstützen ist.
Ein kommunaler Landschaftsplan muss nicht zwingend ein „Vollprogramm“ für den Aufgabenbereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege darstellen. Bei der Neuaufstellung von Flächennutzungsplänen sowie bei einer stärkeren Dynamik der Raumnutzungen ist insbesondere in den Städten in der Regel jedoch eine umfassende Bearbeitung des gesamten Aufgabenbereichs erforderlich. Zur Festlegung der inhaltlichen Schwerpunkte, wie beispielsweise Erholungsvorsorge und Freiraumentwicklung, und zur Ausgestaltung des Planungs- und Kommunikationsprozesses erfolgt zu Beginn der Planung eine Abstimmung der Handlungsnotwendigkeiten („Scoping“) und der einzelnen Planungsschritte.
3 Weiterentwicklungsbedarf der Landschaftsplanung
Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen kommt der Festlegung bundesweiter Mindeststandards für die Landschaftsplanung eine wichtige Rolle zu. Unterstützt werden soll dieses durch eine Planzeichenverordnung auf Bundesebene sowie einen bundesweit einschlägigen Leitfaden zur Aufstellung von Landschaftsrahmenplänen.
Aktueller Forschungsbedarf besteht insbesondere hinsichtlich der Methoden der Landschaftsplanung, z.B. bezüglich Modellierung, Gestaltung von Planungsprozessen oder der Berücksichtigung des Zielbereichs Erleben und Wahrnehmen von Natur und Landschaft.
Eine wesentliche Voraussetzung für einen Beitrag der Landschaftsplanung zur Lösung aktueller Herausforderungen einer nachhaltigen Raumentwicklung ist die Ausstattung der zuständigen Behörden und Planungsträger mit qualifiziertem Personal.
4 Fazit
Die Zukunftsaufgaben räumlicher Entwicklung positiv zu gestalten, erfordert eine qualifizierte, aktuelle und dialogorientierte Landschaftsplanung. Vor dem Hintergrund des nunmehr als Vollgesetz ausgestalteten Bundesnaturschutzgesetzes mit neuen inhaltlichen Impulsen bedarf es in vielen Regionen und Kommunen einer Neuaufstellung oder Fortschreibung der Landschaftsplanung. Die methodische und darstellerische Kompetenz der Landschaftsplanung und ihre besonderen Leistungen in der zielgruppenadäquaten Aufbereitung fördern die Aussagekraft von Umweltinformationen und die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsprozessen sowie die integrative Lösung von Raumnutzungskonflikten. Um die Landschaftsplanung als Instrument einer nachhaltigen räumlichen Entwicklung auf den verschiedenen Planungsebenen zu stärken, ist es vordringlich, die bundesweite Vergleichbarkeit von Inhalten und Methoden zu verbessern, Modellierungstechniken und Beteiligungsprozesse weiter zu entwickeln und bei allen zuständigen Behörden und Planungsträgern fachlich qualifiziertes Personal vorzuhalten und für neue Anforderungen fortzubilden.
Weitere Informationen: Das vollständige Dokument soll unter http://www.bfn.de/0312_workshopberichte.html sowie http://www.bbn-online.de veröffentlicht werden.
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