Wissenschaft, Planung und Bewusstseinsbildung im Naturschutz
Im Sprachgebrauch hat er es ganz nach vorne geschafft: der Bürger. Zur etablierten Bürgerbeteiligung und dem planungsmethodisch besser zu berücksichtigenden Wut-Bürger zieht nun der Bürger auch in die Wissenschaft ein: Citizen Science, Wissenschaft mit und durch den Bürger oder Laienmonitoring nach altem Sprachgebrauch.
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Die im englischsprachigen Raum seit Jahrzehnten verbreitete Tradition der Erhebung und Zusammenstellung von Naturphänomenen oder Arten durch Laien bekommt auch im deutschsprachigen Gebiet immer mehr Anhänger. Aus einigen wenigen Vorzeigeprojekten im Vogelschutz, wie die „Stunde der Wintervögel“ mit Zählungen am Vogelhäuschen, sind aufwändige Forschungsprojekte geworden, u.a. rund um die Tagfalter durch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.
Mit diesem Themenheft möchten wir das Thema Citizen Science näher beleuchten. Geht es dabei wirklich um Wissenschaft? Oder doch vielmehr darum, Bewusstseinsbildung und Umweltpädagogik – unter Nutzung von Apps und Uploads einen neuen Anstrich zu geben? Neue Initiativen, wie das sogenannte Bauernmonitoring in Österreich (Bauern beobachten Wiesenblumen auf dem eigenen Feld – siehe Webseite: http://www.biodiversitaetsmonitoring.at ), aber auch das Monitoring mit Schulklassen, u.a. durchgeführt vom Naturschutzbund Österreich, legen diese Schlussfolgerung nahe. Denn zur „Wissenschaft“ wurden und werden die erhobenen Daten nicht verwendet.
Aber auch die Planung hat Citizen Science in vielfältiger Weise für sich entdeckt. Citizen Science bekommt eine Bedeutung im Zusammenhang mit Bürgerbeteiligung und Planen mit dem Bürger. Der Beitrag aus dem Naturpark Pöllauer Tal belegt, wie durch Erhebungen von Bürgern das Bewusstsein für die Ziele des Parks beeinflusst wird.
Citizen Science mit jugendlichen Schülern beschreibt der zweite Beitrag. Er zeigt Chancen und Grenzen auf. Der jugendliche Bürger – aber sicher nicht nur dieser – kann dann angesprochen werden, wenn es um mehr geht als das Befüllen von Datenbanken, und wenn klar ist, welchen Nutzen seine Arbeit hat.
Ohne die intensive Arbeit hinter den Kulissen, die Datenbanken, Foren und Blogs, die von Verbänden, Organisationen und Betreibern bereitgestellt werden, bleibt Citizen Science ebenfalls ohne Effekt. Die dritte Arbeit schildert am Beispiel von http://www.naturbeobachtung.at den Aufbau, die Inhalte und die permanente Herausforderung der Qualitätskontrolle durch Experten.
Nicht nur pädagogische, sondern auch artenschutzrechtliche und ethische Aspekte sind zu beachten. Sehr anschaulich stellt das der Artikel „Laienmonitoring mit Schülern und Studenten – ja, aber...“ heraus.
Kritische Aspekte zum Thema Citizen Science spricht der letzte Beitrag an: „Vom Naturschutz leben können! Auswirkungen von Citizen Science auf staatliche Aufgaben der Überwachung und das Arbeitsfeld von Biologen“. Fachplaner und Biologen beschreiben einen beständig wachsenden „Datenhunger“, dessen Ursachen u.a. in der Zunahme von Prüfverfahren, Managementplänen und Monitoringerfordernissen gesehen werden. Gleichzeitig basiert der Indikator für die Biodiversität von landwirtschaftlich geprägten Räumen, der sogenannte Feldvogelindex (Farmland Bird Index), fast vollständig auf Freiwilligenarbeit. Dieser Biodiversitätsindikator wird für die Evaluierung von staatlichen Förderprogrammen herangezogen, weil es keine vergleichbar geprüften staatlichen Daten gibt.
Ist das symptomatisch für einen Rückzug des Staates? Wie viel privat gesammelte Daten dürfen Prüfverfahren zugrunde gelegt werden? Dürfen Daten aus Citizen-Science-Projekten weitergegeben bzw. weiterverkauft werden? Wenn ja, zu welchen Konditionen?
Diese und viele weitere Fragen kann und soll dieses Heft anstoßen. Wer Citizen Science nur in die „Ecke“ der Bewusstseinsbildung stellt, wird dem Thema nicht gerecht. Es liegt an der Wissenschaft, NGOs und Fachplanern, das große Kapital des interessierten Bürgers zu nutzen. Staatliche Aufgaben ersetzen sollte diese alte und neue Kooperation nicht.
Sinnvolle Ergebnisse, das unterstreicht das Engagement zum Schutz der Vögel diverser NGOs, aber auch das Tagfaltermonitoring des UFZ, erfordern jedoch eine Anlaufstelle, die nicht nur die Kontinuität und gleichbleibende Qualität gewährleistet, sondern die darüber hinaus auch die Datenzusammenschau und Visualisierung qualifizierter übernehmen kann.
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