Westerwald: Zahl gefährlicher Strommasten weiterhin hoch
Am 31.12.2012 endete die den Netzbetreibern gesetzte gesetzliche Frist, für Vögel gefährliche Mittelspannungsmasten zu entschärfen. Lässt sich nun Vollzug melden? Eine Wiederholungskartierung im Westerwald zeigt ein klares Nein.
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Von der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen
Drei Jahre vor Ablauf der Frist hatte die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) eine 144 km2 große zusammenhängende Fläche (das Messtischblatt Waldbreitbach) in den rheinland-pfälzischen Kreisen Neuwied und Altenkirchen im Westerwald auf solche Masten hin untersucht. Das Ergebnis sorgte für Unruhe und übertraf alle Befürchtungen: Damals erwiesen sich 616 von 802 überprüften Masten als gefährlich. Auf den Westerwald hochgerechnet ergab das die Zahl von 13000 gefährlichen Masten.
Im Februar 2013 hat die EGE alle Masten im Gebiet des damals kontrollierten Messtischblattes erneut überprüft. Das Ergebnis ist ernüchternd: Zwar sind von den 616 gefährlichen Masten 408 Masten ausreichend entschärft worden; 217 weisen jedoch weiterhin schwere Sicherheitsmängel auf. So wurden beispielsweise an den Masten untaugliche und unzulässige Büschelabweiser angebracht. In einigen Fällen sind diese Abweiser so unsachgemäß angebracht worden, dass sie die Tötungsgefahr für Vögel sogar noch erhöhen. Die Zahl 217 ergibt sich aus 208 unzureichend entschärften Masten zuzüglich sieben Masten ohne Maßnahmen sowie zwei neu errichteten Masten.
Insofern sind von den im Jahr 2009 beanstandeten Masten zwei Drittel fristgerecht gesichert worden. Stefan Brücher, der Vorsitzende der EGE, kommentiert die Ergebnisse so: „Gewiss ist das ein Fortschritt. Das bedeutet aber umgekehrt, dass ein Drittel der Masten weiterhin beispielsweise für alle Störche, Greifvogel- und Eulenarten ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellt und von mehr als 200 Masten ein tödliches Risiko ausgeht.“ Die von der EGE ermittelte Entschärfungsquote nach Ablauf der in §41 des Bundesnaturschutzgesetzes gewährten zehnjährigen Umrüstungsfrist sei unzureichend. Es sei wie beim Bahnfahren: Schwarz fahre auch, wer zwar eine Fahrkarte gelöst habe, diese aber für die benutzte Entfernungszone nicht genüge.
Rechnet man die Ergebnisse für das Gebiet des Westerwaldes hoch, muss dort mit mehr als 4000 gefährlichen Mittelspannungsmasten gerechnet werden. Das ist ein geradezu beschämendes Ergebnis. Nicht weniger brisant ist der Umstand, dass nach 2009 offenkundig im überprüften Gebiet mehrere Masten gefährlicher Bauart errichtet wurden, obwohl diese Masten seit dem 02.04.2002 nicht mehr hätten errichtet werden dürfen.
Die EGE hat die Ergebnisse dem rheinland-pfälzischen Umweltministerium sowie der für Rheinland-Pfalz zuständigen Vogelschutzwarte in Frankfurt vorgelegt. Die Entschärfung gefährlicher Masten ist zwar Sache der Netzbetreiber, die staatlichen Stellen haben aber auf die Einhaltung der Vogelschutzvorschriften für Mittelspannungsmasten zu achten.
Die EGE empfiehlt anderen Naturschutzorganisationen, entsprechende Stichproben durchzuführen. Es sei bedauerlich, dass sich die Verbände einseitig der großen Energiewende verschrieben hätten, betont die EGE, zu der Kontrolle der vor zehn Jahren gesetzlich vorgeschriebenen Entschärfung gefährlicher Mittelspannungsmasten aber eher nur wenig beitrügen. Das gelte ausdrücklich nicht für das Komitee gegen den Vogel-mord e.V. Das Komitee hat die Vorher-Nachher-Untersuchung der EGE finanziell gefördert. Es sollten in allen Bundesländern ähnliche repräsentative Stichproben wie die im Westerwald durchgeführt und die Ergebnisse den Energieversorgern und den Umweltbehörden vorgehalten werden. Der an Mitgliederwerbung orientierten „Stunde der Winter- oder Gartenvögel“ sollte ein „Jahr der stromtoten Vögel und gefährlichen Mittelspannungsmasten“ zur Seite gestellt werden. Die Ergebnisse aus dem Westerwald dokumentieren einen massiven Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz. Mit ähnlichen oder gar noch dramatischeren Ergebnissen rechnet die EGE auch für andere Regionen im Bundesgebiet.
Anschrift des Verfassers: EGE – Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e.V., European Group of Experts on Ecology, Genetics and Conservation, Breitestraße 6, D-53902 Bad Münstereifel, E-Mail egeeulen@t-online.de, Internet http://www.ege-eulen.de.
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